Inhaltsverzeichnis
- Charakterisierung eines regelmäßig schwingenden Belastungsverlaufs
- Grenzspannungslinie (Wöhlerlinie) - Nach wie vielen regelmäßigen Schwingungen ein Teil bricht
- Dauerfestigkeitsschaubilder - Smith-Diagramme
- Unregelmäßige Belastungen
- Gestaltfestigkeit berechnen, Konstruktionsfaktor
- Ermittlung der konkreten Gestaltfestigkeit
- Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch:
- Auslegungsberechnung
Die Belastungsgrenze, bei der Bauteile versagen, ist bei dynamischen, also ständig fluktuierenden Belastungen deutlich niedriger als bei statischer Belastung.
Zur Bestimmung der dynamischen Bauteilfestigkeit, also der Haltbarkeit des Bauteils bei fortdauernder dynamischer Belastung, wird die Sicherheit gegen Dauerbruch ermittelt. Die Sicherheit gegen Dauerbruch wird durch Einsetzen der für das untersuchte Bauteil errechneten dynamischen Bauteilfestigkeit (Gestaltfestigkeit)
Bei der Berechnung der Gestaltfestigkeit werden, anders als beim ebenfalls erforderlichen statischen Festigkeitsnachweis, nicht die absoluten Maximalwerte der Spannung, sondern die Spannungsamplituden bezogen auf die Mittelspannung eingesetzt.
Charakterisierung eines regelmäßig schwingenden Belastungsverlaufs
Regelmäßige Belastungsänderungen reduzieren die zulässige Spannung
Wird ein Maschinenelement dynamisch belastet, kann der Belastungsverlauf unterschiedliche Formen haben. Für die Lebensdauer des Maschinenelementes ist dabei nicht nur der Betrag der größten Spannung von Bedeutung, sondern auch das Ausmaß der Lastschwankung.
Die dynamische Belastung sieht dabei allgemein häufig wie hier dargestellt aus - eine saubere Analyse dieser Kurve ist sicherlich kaum möglich:
Im Maschinenbau wird diese allgemeine Darstellung für Berechnungen und Untersuchungen gern idealisiert. Dadurch entstehen Spannungs-Zeit-Verlaufskurven, die Kurvenfunktionen zeigen, in denen die Spannungswerte systematisch um einen Mittelwert schwanken.
Dies kommt in der Praxis oft auch den realen Bedingungen sehr nahe.
Um die Charakteristik der Belastung zu berücksichtigen wird die sogenannte Spannungsamplitude
Dabei ist
die höchste (auch als Oberspannung bezeichnet) und die niedrigste Spannung (auch als Unterspannung bezeichnet)
während eines Schwingspiels.
Das Spannungsverhältnis
berechnet.
Diese Werte beziehen sich jeweils auf ein für den Lastfall typisches Schwingspiel. Es wird also vorausgesetzt, dass die Schwingungen während des überwiegenden Teils der Betriebszeit regelmäßig diesem Schwingspiel entsprechend verlaufen.
Im folgenden Beispielbild sind die Werte für eine sinusförmige Schwingung gezeigt:
Liegt eine Belastung während der Schwingung ausschließlich im positiven oder ausschließlich im negativen Bereich gilt
Schwellend bedeutet, dass in regelmäßigen Abständen eine Belastung aufgebracht und und anschließend diese wieder entlastet wird.
Wechselt während der Schwingung die Lastrichtung gilt
Eine wechselnde Belastung wird z.B. in einer sich drehenden Welle hervorgerufen, wenn eine Kraft konstant auf die Welle wirkt. Beim Drehen der Welle wechselt die Richtung der Belastung somit ständig innerhalb der Welle.
Bei
Aufgrund der Gefügeeigenschaften ist wechselnde Belastung für die meisten Werkstoffe deutlich ungünstiger als schwellende Belastung, während die statische Belastung am besten ertragen wird.
Grenzspannungslinie (Wöhlerlinie) - Nach wie vielen regelmäßigen Schwingungen ein Teil bricht
Die Dauerfestigkeit
Beim Dauerfestigkeitsversuch wird eine Schwingbelastung so oft wiederholt, bis die Probe bricht. Der Versuch wird zuerst mit einer hohen Belastung durchgeführt, die schnell zum Bruch führt, und dann mit pro Durchlauf sinkenden Belastungen wiederholt, wobei mit sinkender Belastungshöhe die Anzahl der Schwingspiele bis zum Bruch steigt. Die höchste Belastung, bei der auch nach fortgesetzter Belastung kein Bruch mehr eintritt, ist die Dauerfestigkeit
Bei Stählen ist die Dauerfestigkeit meist bei einer Belastung erreicht, die
Ist die Belastung oberhalb der Dauerfestigkeit ist das Bauteil nur zeitfest, nach einer bestimmten Anzahl Schwingspielen erfolgt ein Ermüdungsbruch. Die Zeitfestigkeit kann mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit in Bezug auf eine Schwingspielzahl angegeben werden, sofern die Schwingspiele annähernd gleichbleibend periodisch auftreten.
Da die Schwingspiele außerhalb von Labortests nur selten so kontinuierlich verlaufen sondern die Belastungen in Frequenz und Höhe unregelmäßig schwanken, kann für die Betriebsfestigkeit unter realen Bedingungen keine so genaue Lebensdauervorhersage getroffen werden. Zur Annäherung kann ein Lastkollektiv erstellt werden, in das möglichst Erfahrungswerte aus der Realität einfließen sollten.
Hinweis
Je nach Einsatzzweck und Herstellkosten kann es aus wirtschaftlichen Gründen erwünscht sein, Teile als Verschleißteile nur zeitfest auszulegen. Die kraftübertragenden Teile eines Anlassers im Automotor könnte man beispielsweise zeitfest auslegen, da die Betriebsbedingungen gut vorhersehbar sind und die Gesamtzahl der Umdrehungen über das Autoleben relativ gering ist. Die Wellen im Kraftfluss vom Kolben bis zum Rad hingegen müssen dauerfest sein weil sie eine große Anzahl Umdrehungen aushalten müssen. Die Betriebsbedingungen der Kurbel-, Antriebs- und Getriebewellen sind außerdem schwerer vorherzusehen, weil Fahrer und Gelände darauf erheblichen Einfluss haben, weshalb ein höherer Anwendungsfaktor erforderlich ist.
Vorsicht
Für Anwendungsbereiche, in denen Bauteilversagen schwerwiegende Konsequenzen bis zu Lebensgefahr haben kann, sind hohe Sicherheiten durch Normen oder Gesetze vorgegeben. Das ist beispielsweise im Stahlbau mit DIN 18800 der Fall. Für viele nicht durch Vorschriften geregelte Bereiche gibt es sinnvolle Empfehlungen für anzusetzende Sicherheiten.
Dauerfestigkeitsschaubilder - Smith-Diagramme
Die Ergebnisse von Dauerfestigkeitsversuchsserien, in denen auch das Spannungsverhältnis variiert wurde, können im Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith eingetragen werden. Aus diesem Diagramm werden wiederum die für den Dauerfestigkeitsnachweis nötigen Werkstoffkennwerte abgelesen.
Ein Dauerfestigkeitsschaubild gilt immer für einen bestimmten Werkstoff und jeweils nur eine bestimmte Belastungsart (Zug-Druck, Biegung oder Torsion).
Die höchste (
Die Mittelspannung wird in der Versuchsserie von 0 (
Aus dem oberen Punkt bei
Da die Dauerfestigkeit eines Werkstoffes auch von der Größe des Querschnitts abhängt, werden die abgelesenen Werte bei Verwendung für ein konkretes Bauteil immer mit dem technologischen Größeneinflussfaktor
D ... bedeutet ist dabei das Indize für die Dauerfestigkeit
Im konkreten Berechnungsfall wird die Belastungsart und die Lage des Schwingspiels anstatt D im Index angegeben, z. B.
Wenn experimentell ermittelte Werte fehlen, können Anhaltswerte nach DIN 743 berechnet werden:
Unregelmäßige Belastungen
Unregelmäßige Zusatzbelastungen werden im statischen Festigkeitsnachweis berücksichtigt
Unregelmäßige dynamische Zusatzbelastungen, die häufig auftreten, werden mit empirischen Betriebsfaktoren, meist dem Anwendungsfaktor
Diese Zusatzbelastungen gehen auf der Lastseite in die Berechnungen ein, indem die angesetzten Nennlasten mit dem für die jeweilige Last gültigen Anwendungsfaktor multipliziert werden:
Der statische Festigkeitsnachweis wird dann mit den entsprechend höheren Werten
Seltene Belastungsspitzen wie beispielsweise ein Anlaufstoß beim Einschalten einer Maschine werden beim dynamischen Festigkeitsnachweis ebenfalls nicht berücksichtigt. Hier kann und muss der statische Nachweis gegen die seltene Spitzenlast gerechnet werden.
Expertentipp
Aus dem Betrieb von Maschinen, die der betrachteten Konstruktion ähnlich sind, können empirische Faktoren ergeben, mit denen eine theoretische Belastung an die Realität angepasst wird. Dabei können auch Lastkollektive verwendet werden. Das kann dazu führen, dass eine theoretisch bei Nenn- oder Maximallast nur zeitfeste Konstruktion unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzbedingungen doch dauerfest ist.
Gestaltfestigkeit berechnen, Konstruktionsfaktor
Neben der dynamischen Charakteristik der Belastung muss auch die Dauerfestigkeit des konkreten Bauteils, die "Gestaltfestigkeit"
Gestaltwechselfestigkeit
Die Gestaltwechselfestigkeit berücksichtigt die Unterschiede der Beschaffenheit (der Gestalt) eines realen Bauteils zum in den Zugversuchen verwendeten runden, glatten Probestab. Dazu wird die im Zugversuch ermittelte (oder mit Faustformeln errechnete) Dauerfestigkeit
Die verschiedenen dimensionslosen Konstruktionskennwerte werden zum einem Gesamtkonstruktionsfaktor
Die Teilfaktoren sind:
: die Größe des Bauteils (größere Teile sind bei Biegung und Torsion relativ weniger belastbar als kleinere) : der formzahlabhängige Größeneinflussfaktor wird nur eingesetzt, wenn experimentell ermittelte Kerbwirkungszahlen verwendet werden. : die Oberflächenrauheit des Bauteils (rauere Teile neigen stärker zu Rissbildung als glatte, weil die Täler der Oberfläche als Kerben wirken) : die Oberflächenverfestigung (verfestigte Oberflächen durch z. B. Kugelstrahlen stabilisieren das Bauteil) : die Kerbwirkung, die durch spannungserhöhende Kerben wie Nuten, Durchmessersprünge etc. verursacht wird; sie ist bei spröden Werkstoffen ausgeprägter als bei zähen.
Alle diese Werte werden aus Tabellen und Diagrammen, die beispielsweise im "Roloff/Matek - Maschinenelemente Tabellenbuch" zu finden sind, abgelesen oder aus weiteren Detailfaktoren errechnet.
Insbesondere in der Berechnung von Wellen und Achsen werden diese Faktoren intensiv verwendet.
Neben diesen Kennwerten gibt es weitere Umstände, die die Bauteilfestigkeit stark beeinflussen können: Hohe Temperaturen, aggressive Medien und sehr hohe oder niedrige Belastungsfrequenzen verringern die Wechselfestigkeit. Niedrige Temperaturen erhöhen sie, allerdings auch die Sprödbruchgefahr.
Kerbwirkung und Stützwirkung
Kerben an einem Bauteil, wie Übergänge, Nuten oder Bohrungen, verursachen eine ungleichmäßige Spannungsverteilung. Der Kraftfluss wird im Umfeld der Kerbe verdichtet, wodurch die lokale Spannungsspitze
Je schärfer der Kerbgrund ist, desto größer wird
Die Kerbwirkungszahl
Expertentipp
Werte für
Für gängige Konstellationen sollten die Werte für
Die Durchdringung mehrerer Kerben sollte vermieden werden, da deren kombinierte Wirkung hoch aber schwer berechenbar ist. Wenn eine Kerbe die Bauteilfestigkeit zu sehr schwächt sollten die Übergänge zum ungekerbten Querschnitt sanfter gestaltet oder in der Nähe eine Entlastungskerbe geschaffen werden.
Ermittlung der konkreten Gestaltfestigkeit
Die weiter oben ermittelte allgemeine Dauerfestigkeit
Für konkrete Fälle sind die jeweiligen Belastungsarten in den Indizes einzutragen, also beispielsweise für Gestaltwechselfestigkeit gegen wechselnde Biegung
Gestaltdauerfestigkeit (Bauteildauerfestigkeit)
Um die Gestaltdauerfestigkeit zu berechnen, also die Festigkeit gegen Dauerbruch nachzuweisen, wird zunächst die vom Bauteil ohne Schwingbruch ertragbare Schwingungsamplitude, die Gestaltausschlagfestigkeit
Welche Gleichung dafür zu verwenden ist hängt von der Veränderung des Schwingverlaufs bei Überlastung ab. Was sich bei Überlastung am Schwingspiel ändert ist konstruktiv bedingt. Zur Unterscheidung der "Überlastungsfälle" muss betrachtet werden, welche Parameter des Schwingspiels sich bei Überlast ändern und welche unabhängig von der Überlastung gleich bleiben.
Je nach vorliegendem Überlastungsfall wird im Smith-Diagramm die für diese konkrete Lage des Schwingspiels relevante Werkstoffdauerfestigkeit und Gestaltausschlagfestigkeit (Gestaltfestigkeit) mit einer unterschiedlichen Verschiebung von der vorhandenen Belastung aus abgelesen.
Die Fähigkeit eines Bauteils, Lastschwankungen zu ertragen, ist davon abhängig, auf welchem Spannungsniveau die Schwankungen erfolgen. Um das zu berücksichtigen ist in der Berechnung der Gestaltdauerfestigkeit die weiter oben beschriebene Mittelspannung
Liegen mehrere verschiedenartige Mittelspannungen vor wird die Vergleichsmittelspannung nach den bekannten Hypothesen für mehrachsige Spannungszustände berechnet. Dabei sind alle Eingangsgrößen die jeweiligen Mittelspannungen:
Überlastungsfall 1:
Die Mittelspannung
Überlastungsfall 2:
Wenn die dynamische Belastung sich ändert verändern sich die höchste und niedrigste Spannung proportional, das Spannungsverhältnis
Überlastungsfall 3:
Die minimale Belastung
In allen vorgenannten Gleichungen werden die Spannungsindizes um die jeweils vorliegende Belastungsart ergänzt.
Die Werte für die Mittelspannungsempfindlichkeit
Hinweis
Die Berechnung der Gestaltdauerfestigkeit wird in abgewandelter Form beispielsweise für die Berechnung von Wellen und Achsen verwendet. Das grundsätzliche Verständnis der Zusammenhänge bei dynamischer Belastung ist der wichtigste Lernerfolg dieses Kapitels.
Expertentipp
Die Einberechnung von Kerben oder auch Wellenabsätzen erfolgt in der Praxis nach unterschiedlichen Methoden. Hier ist eine Möglichkeit der Herangehensweise geschildert worden.
Ihr solltet gerade bei der Einbindung der Kerbwirkungen zunächst schauen, welches Prinzip Euer Prof hier nutzt und dann dessen spezielle Ausführungen nochmals gezielt bearbeiten. Hier kann nur auf die Problematik hingewiesen werden, eine tiefgründigere Bearbeitung ist nicht möglich, da sich die genutzten Berechnungsgrundlagen mitunter wesentlich voeneinander unterscheiden.
Für genauere Berechnungen kann auch die FKM-Richtlinie verwendet werden.
Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch:
Nachdem die Gestaltausschlagfestigkeit des Bauteils berechnet wurde kann mit den Größen der vorhandenen Spannungsamplituden die Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch nach dem bekannten Schema zur Berechnung einer Gesamtsicherheit berechnet werden:
Auch in dieser Gleichung werden allen Spannungen die jeweils zutreffenden Indizes für die Belastungsart vorangestellt, also beispielsweise
Auslegungsberechnung
Für die Auslegung dynamisch belasteter Teile kann die zulässige Spannung als
Weitere interessante Inhalte zum Thema
-
Spannungen, Verformungen und Sicherheit
Vielleicht ist für Sie auch das Thema Spannungen, Verformungen und Sicherheit (Festigkeitsberechnung) aus unserem Online-Kurs Maschinenelemente 1 interessant.