Inhaltsverzeichnis
Im vorherigen Abschnitt wurde gezeigt, wie mittels Prinzip der virtuellen Kräfte die Verschiebung eines Punktes am Balken bestimmt werden kann. Wir haben bis hierhin die virtuelle Verschiebungsarbeit der inneren Kraftgrößen infolge äußerer Kräfte und Temperaturbeanspruchungen berücksichtigt. Auf Federn gelagerte Punkte leisten ebenfalls virtuelle Verschiebungsarbeit und müssen zusätzlich innerhalb der Arbeitsgleichung bei Anwendung des Prinzips der virtuellen Kräfte berücksichtigt werden.
Senkfeder
Die Feder bewirkt bei Auslenkung
Nach dem hookeschen Gesetz ist die Federkraft
Methode
Drehfeder
Die Drehfeder bewirkt bei einer Verdrehung des Stabes um den Winkel
Für die Berechnungen eines Moments einer Drehfeder gilt also:
Methode
mit
Virtuelle innere Verschiebungsarbeit
Wir betrachten als Nächstes einen Balken, welcher am linken Ende eine Drehfeder und am rechten Ende eine Schraubenfeder aufweist. Infolge der von außen auf den Balken wirkenden Kräfte verformt sich der Balken. Wollen wir z. B. an der Stelle
Wir wissen bereits, dass zunächst das virtuelle System mit der Kraftgröße
Virtuelle innere Verschiebungsarbeit bei Federn
Infolge der Kraft
Die Federkraft ergibt sich durch Federkonstante mal Längenänderung der Feder. Hier gilt, dass die Längenänderung der Feder
Das Federmoment ergibt sich durch Federkonstante mal Drehwinkel der Feder:
Damit folgt für die innere virtuelle Verschiebungsarbeit:
Methode
Wir berücksichtigen den Term innerhalb der gesamten negativen virtuellen inneren Verschiebungsarbeit:
Methode
Die ersten 4 Terme stellen die innere virtuelle Verschiebungsarbeit der Schnittgrößen infolge der äußeren Kräfte dar. Der 5. und 6. Term ist die virtuelle Verschiebungsarbeit der Schnittgrößen infolge von Temperaturbeanspruchungen und zuletzt die innere virtuelle Verschiebungsarbeit der virtuellen Federkräfte und Federmomente.
Beispiel: Prinzip der virtuellen Kräfte - Federn
Beispiel
Das obige Tragwerk wird in
1. Virtuelles System aufstellen
Zunächst stellen wir das virtuelle System auf. Wir suchen die Verdrehung in
2. Auflagerkräfte im virtuellen System
Danach werden die Auflagerkräfte im virtuellen System bestimmt. Dazu schneiden wir das Tragwerk von seinen Lagern frei:
Die Feder am linken Lager
Wir berechnen die Auflagerkräfte. Uns stehen jeweils drei Gleichgewichtsbedingungen für die beiden Teilsysteme zur Verfügung, insgesamt also sechs Gleichgewichtsbedingungen.
Teilsystem I
(1)
(2)
(3)
Aus (3):
Das
Aus (1):
Teilsystem II
(1)
(2)
(3)
Aus (3):
Aus (2):
Aus (1):
Zusammenfassung der Auflagerkräfte im virtuellen System:
Auflager- und Gelenkkräfte | Betrag |
0 | |
3. Schnittgrößen im virtuellen System
Infolge des äußeren
Wir müssen insgesamt 2 Schnitte durchführen. Der erste Schnitt zwischen Auflager
Da in der Aufgabenstellung nur
Schnitt 1
Bereich:
Aus dem Momentengleichgewicht können wir den Momentenverlauf bestimmen.
Mit
Hinweis
Wird der Schnittgrößenverlauf ohne vorherige Berechnung eingezeichnet, so ist es wichtig zu wissen, dass bei einem Momentengelenk der Momentenverlauf den Wert Null annimmt. Grund: Ein Momentengelenk überträgt keine Momente.
Schnitt 2
Bereich:
Mit
Zusammenfassung der Schnittgrößen im virtuellen System:
Schnittgrößen | Betrag |
Die Schnittgrößen sind mit Überstrichen innerhalb der Tabelle angegeben, um diese von den Schnittgrößen des Ausgangssystems (die noch folgen) abzugrenzen.
4. Grafischer Schnittgrößenverlauf der virtuellen Schnittgrößen
Relevant ist in den meisten Fällen der grafische Schnittgrößenverlauf. Mittels der ist es möglich die Verschiebung einfach aus den grafischen Schnittgrößenverläufen zu bestimmen, anstelle aufwendig die Integrale zu berechnen.
Prüfungstipp
Die Technik - die Schnittgrößenverläufe grafisch zu zeichnen, ohne vorherige Berechnungen durchzuführen - folgt in einem späteren Abschnitt. In Klausuraufgaben ist oft nicht die Zeit für große Berechnungen, weshalb die Zeichnung der Schnittgrößenverläufe - insbesondere des Momentenverlaufs - ohne große Berechnungen geübt werden muss. Solltet ihr doch einmal nicht weiterkommen, so ist es dennoch wichtig, die Schnittgrößenverläufe rechnerisch zu ermitteln und dann die Zeichnung durchzuführen. Beide Verfahren sind also notwendige Voraussetzung zum Bestehen einer Klausur.
In unserem Beispiel haben wir die Schnittgrößenverläufe rechnerisch bestimmt und können diese grafisch darstellen:
In der obigen Grafik sind die Momentenverläufe für das virtuelle System dargestellt. Die obere Skizze zeigt den Momentenverlauf für den 1. Schnittbereich, die untere Skizze den Momentenverlauf für den 2. Schnittbereich.
Für den 1. Schnittbereich beginnt der Momentenverlauf für
Das Momentengelenk überträgt keine Momente, damit ist der Momentenverlauf hier Null:
Für den 2. Schnittbereich beginnt der Momentenverlauf für
Hinweis
Wichtig: Die
5. Berechnung der virtuellen Federkräfte und -momente
Die Schnittgrößen für das virtuelle System sind berechnet. Es fehlen noch die Federkraft im Lager
Merke
Die Federkraft muss mit der Querkraft an dieser Stelle im Gleichgewicht sein.
Das Federmoment muss mit dem Biegemoment an dieser Stelle im Gleichgewicht sein.
Wir benötigen also die Querkraft im Lager
Das Biegemoment haben wir bereits berechnet, weshalb wir hier einfach den Wert für
Das Biegemoment an dieser Stelle beträgt also 0,75 kNm. Biegemoment
Methode
Für die Federkraft
Die Querkraft ist im ersten Schnittbereich konstant bei
Methode
Hierbei handelt es sich um virtuelle Federkräfte bzw. -momente (durch Überstrich gekennzeichnet). Diese resultieren aufgrund des äußeren virtuellen
7. Berechnung der Auflagerkräfte im Ausgangssystem
Als Nächstes benötigen wir die Auflagerkräfte im Ausgangssystem, um dann die Schnittgrößen bestimmen zu können.
Wir wenden jeweils drei Gleichgewichtsbedingungen auf die beiden Teilsysteme an.
Teilsystem I
(1)
(2)
(3)
Aus (3):
Aus (1):
Teilsystem II
(1)
(2)
(3)
Aus (3):
Aus (2):
Aus (1):
Zusammenfassung der Auflagerkräfte des Ausgangssystems:
Auflager- und Gelenkkräfte | Betrag |
8. Berechnung der Schnittgrößen im Ausgangssystem
Zur Bestimmung der Schnittgrößen des Ausgangssystems werden dieselben Schnitte wie bereits im virtuellen System durchgeführt. Auch hier gilt wieder, dass entweder vor oder nach dem Gelenk geschnitten werden kann:
Schnitt 1
Für den Schnitt 1 wurde die Querkraft
(1)
(2)
Aus (1):
Aus (2):
Schnitt 2
Zusammenfassung der Schnittgrößenverläufe des Ausgangssystems:
Bezeichnung | Momentenverlauf |
9. Grafische Schnittgrößenverläufe
Wir benötigen zur Anwendung der Koppeltafel ebenfalls die grafischen Schnittgrößenverläufe des Ausgangssystems. Diese ergeben sich wie folgt:
In der obigen Grafik sind die Momentenverläufe für das Ausgangssystem dargestellt. Die obere Skizze zeigt den Momentenverlauf für den 1. Schnittbereich, die untere Grafik den Momentenverlauf für den 2. Schnittbereich.
Für den 1. Schnittbereich beginnt der Momentenverlauf für
Das Momentengelenk überträgt keine Momente, damit ist der Momentenverlauf hier Null:
Für den 2. Schnittbereich beginnt der Momentenverlauf für
Hinweis
Wichtig: Die
10. Bestimmung der Federkräfte und -momente
Im Ausgangssystem treten infolge der äußeren Belastung
Methode
11. Verschiebung berechnen
Es sind alle relevanten Werten bestimmt, um die Verschiebung zu berechnen.
Die äußere virtuelle Verschiebungsarbeit entspricht der negativen inneren virtuellen Verschiebungsarbeit:
Die äußere virtuelle Verschiebungsarbeit ist die Arbeit des virtuellen Moments entlang der Verdrehung des Ausgangssystems:
Dabei ist
Die negative innere virtuelle Verschiebungsarbeit ist die Arbeit der virtuellen Schnittgrößen und virtuellen Federkräfte/-momente entlang der Verschiebung/Verdrehung des Ausgangssystems:
Gleichsetzen:
Terme, die für die Berechnung nicht relevant sind, werden gestrichen:
Methode
Wir haben zwei Schnittbereiche gegeben, d.h. der Momentenverlauf muss in zwei Schnittbereiche aufgeteilt werden. Zusätzlich entfallen die Summenzeichen bei Federkraft und -moment, weil diese jeweils nur einmal auftreten:
Methode
Es ist nun möglich die Verdrehung an der Stelle
Variante 1: Analytische Berechnung
Für die analytische Berechnung wenden wir die obige Formel an, indem wir die Momentenverläufe sowie Federkräfte und Federmomente einsetzen. Wir betrachten nochmals alle notwendigen Werte. Wir verzichten bei der Berechnung auf die Berücksichtigung der Einheiten, um die Berechnung übersichtlicher zu halten:
Einsetzen in die Gleichung:
Aus der Aufgabenstellung entnehmen wir die Werte für
Um die Integrale zu berechnen, müssen zunächst die Klammern aufgelöst werden:
- Integral:
- Integral:
Die Grenzen der Integrale entsprechen den Schnittbereichen. Wir müssen also beide Schnittbereiche separat berücksichtigen.
Als Nächstes werden die Integrale aufgelöst:
1. Integral:
Einsetzen der Grenzen führt zu:
1. Integral:
2. Integral:
Einsetzen der Grenzen führt zu:
2. Integral:
Einsetzen in die obige Gleichung:
Das Ergebnis ist die Verdrehung des Ausgangssystems im Punkt
Variante II: Berechnung mittels Koppeltafel
Für die 2. Variante werden die grafischen Schnittgrößenverläufe beider Systeme benötigt, um die Integrale mittels Koppeltafel zu berechnen. Die Federterme bleiben davon unberücksichtigt und werden wie oben berechnet.
Wir betrachten zunächst die Momentenverläufe des virtuellen Systems und Ausgangssystems für den Schnittbereich 1:
Zunächst betrachten wir den Schnittgrößenverlauf des virtuellen Systems (oben in der Grafik). Dieser setzt sich im Bereich 1 aus zwei Dreiecken zusammen. Genaus dasselbe gilt für den Schnittgrößenverlauf des Ausgangssystems (unten in der Grafik). Wir betrachten zunächst das 1. Dreieck beider Systeme mit der Länge
Dabei ist
Wir betrachten dann das 2. Dreieck beider Systeme mit der Länge
Dabei ist
Insgesamt ergibt sich für den 1. Schnittbereich mittels Koppeltafel:
Die Schnittgrößenverläufe des Schnittbereichs 2 ergeben sich wie folgt:
Wir haben hier für den Schnittbereich 2 in beiden Systemen einen dreieckigen Verlauf gegeben. Wir suchen innerhalb der Koppeltafel nach zwei gleichgerichteten dreieckigen Verläufen und erhalten wieder:
Die Länge der dreieckigen Momentenverläufe beträgt
Insgesamt ergibt sich für den 2. Schnittbereich mittels Koppeltafel:
Einsetzen in die Gleichung:
Das Ergebnis ist natürlich identisch. Die Verdrehung der Balkenachsen im Punkt
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