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Um dynamische Beanspruchungen grafisch darstellen zu können, bedient man sich der Wöhler-Kurve und dem Smith-Diagramm.
Werkstoffkennwerte und Wöhler-Kurve
August Wöhler gehört zu den Pionieren bei der Untersuchung von dynamischen Beanspruchungen.
Mit der vermehrten industriellen Nutzung der Eisenbahn kam es vermehrt zu Brüchen an Radsatzwellen, obwohl diese nach statischen Berechnungen die Beanspruchungen im Fahrbetrieb hätten standhalten müssen.
Wöhler fand heraus, dass schwingende Belastungen ein Bauteil selbst dann schädigen, wenn es durch eine einmalige Belastung der gleichen Kraft nicht geschädigt wird.
Aus diesen Erkenntnissen entwickelte Wöhler die nach ihm benannte Wöhlerkurve/Wöhlerlinie.
Merke
Die Bauteile werden unter einer sinusförmigen Beanspruchungs-Zeit-Funktion belastet. Für die Durchführung werden Hochfrequenzpulsatoren genutzt.
Die Ermittlung der Werkstoffkennwerte bei einer dynamischen Beanspruchung erfolgt durch die Aufbringung periodischer Lasten in einem Dauerversuch. Die Grenzkurve, die sich hieraus ergibt bezeichnet man als Wöhler-Kurve bzw. Wöhler-Diagramm. Das Wöhler-Diagramm beinhaltet drei Bereiche:
- statische Festigkeit, Kurzzeitfestigkeit
- Zeitfestigkeit.
- Dauerfestigkeit
Bereich der Kurzzeitfestigkeit (K, I)
Dieser Bereich liegt zwischen $ 10^4 $ und $ 10^5 $ Schwingspielen.
Diese Ermüdung des Bauteils tritt bei hohen plastischen Dehnamplituden auf, infolgedessen es zu einem frühen Versagen kommt. Eine Belastung, die bereits bei einem Viertel Schwingspiel zum Bruch führt, wird als statische Festigkeit bezeichnet und vorzugsweise im Zugversuch bestimmt.
Merke
Für technische Anwendungen hat der Bereich der Kurzzeitfestigkeit nur eine untergeordnete Bedeutung.
Bereich der Zeitfestigkeit/Betriebsfestigkeit (Z, II)
Dieser Bereich liegt zwischen $ 10^4 $ und $ 2 \cdot 10^6 $ Schwingspielen.
In diesem Bereich verläuft die Wöhlerkurve bei einer doppellogarithmischen Darstellung annähernd gerade.
Bereich der Dauerfestigkeit (D, III)
Der an die Zeitfestigkeit anschließende Bereich höherer Lastwechselzahlen ist der Bereich der Dauerfestigkeit/Dauerschwingfestigkeit. Zum Beispiel liegt für ferritisch-perlitische Stähle der Beginn der Dauerfestigkeit bei $ 10^6 $ bis $ 5 \cdot 10^6$ Schwingspielen.
Da eine echte Dauerfestigkeit nicht existiert, wird die Amplitude bei 10^8 Lastwechseln als Dauerfestigkeit bezeichnet.
Der Übergang zwischen beiden ersten Bereich ist gekennzeichnet durch den Grenzwert $ N_g $. Man bezeichnet diesen Wert als Grenzlastspielzahl. Für Stahl liegt dieser bei $ N_g = 2 \cdot 10^6 $ bis $ 10^7 $.
Nachfolgend siehst du ein typisches Wöhlerdiagramm.
Im linken Bereich liegt eine Zeitfestigkeit vor. Senkt man nun die Amplitude gelangt man nach dem Überschreiten der Grenzlastspielzahl zur Dauerfestigkeit im rechten Bereich.
Damit aussagekräftige Ergebnisse mit einem Wöhler-Diagramm gewonnen werden können, muss gewährleistet sein, dass eine feste Mittelspannung vorliegt.
Ergänzende Informationen zum Wöhlerdiagramm
Treten die bereits beschriebenen Einflussfaktoren wie Korrosion oder hohe Temperaturen auf, so kann nicht davon ausgegangen werden, dass das betroffene Bauteil den Anforderungen an seine Dauerfestigkeit gerecht werden kann.
Wird eine bestimmte maximale Beanspruchung erst gar nicht erreicht, so können einige Werkstoffe unendlich viele Schwingungen ertragen.
Merke
Um die Bereiche noch genauer zu beschreiben, bedient man sich bei
- der Kurzzeitfestigkeit – der Coffin-Manson-Auftragung und
- der Zeitfestigkeit – der Basquin Gleichung.
Erweiterung des Wöhlerdiagramms um eine 3. Dimension
Eine Anpassung des Wöhlerdiagramms um eine weitere Dimension (Z-Achse) erlaubt zudem eine Aussage bezüglich der Wahrscheinlichkeit eines Bruchs des Bauteils.
Die Z-Achse erhält die Bezeichnung Bruchwahrscheinlichkeit. Unterstützt wird die Bestimmung durch eine Streubandfunktion. Die Streubandfunktion (SBF) besitzt 6 Konstanten, die aus dem zweidimensionalen Wöhlerdiagramm und der Streuung der Dauerfestigkeiten ermittelt werden. Als Ergebnis aus der SBF ergibt sich die Nullbruchlinie, deren Wahrscheinlichkeit werkstoffabhängig eingestellt werden kann.
Smith-Diagramm
Aus der Kombination der in verschiedenen Wöhler-Diagrammen gefundenen Dauerfestigkeiten für unterschiedliche Mittelspannungen erhält man durch Auftragen über der Mittelspannung das Smith-Diagramm. Dieses Dauerfestigkeitsdiagramm gibt die Dauerschwingfestigkeit des Materials an. Formal schreibt man:
Merke
In der nächsten Abbildung siehst du ein typisches Smith-Diagramm mit drei Bereichen.
- Bereich 1. : obere Dauerfestigkeitsgrenze
- Bereich 2. : Schwellbereich
- Bereich 3. : Wechselbereich
Beim Eintritt in den schraffierten Bereich tritt der Bruch ein.
Merke
Anfertigung eines Smith-Diagramm
Die Aufstellung der Wöhlerlinien und der Dauerfestigkeitsdiagramme (Smith-Diagramm) beruht auf der statistischen Auswertung vieler Versuche. Speziell für die Anfertigung eines Smith-Diagramms liegen viele Maschinenbauwerkstoffkennwerte vor. Sollte der Fall eintreten, dass für einen interessierenden Werkstoff und Belastungsfall keine Versuchsergebnisse vorliegen, so kann ein vereinfachtes Diagramm erzeugt werden mit:
- Zugfestigkeit $ R_m $
- Streckgrenze $ R_{p 0,2} $
- Wechselfestigkeit $ \sigma_w $
Man geht dabei wie folgt vor:
Methode
- Nach Eintragen der 45°-Linie und der Zugfestigkeit $ R_m $ sowie der Streckgrenze $ R_{p 0,2} $ wird am Schnittpunkt der 45°-Linie mit $ R_m $ der halbe Betrag der Wechselfestigkeit $ 0,5 \cdot \sigma_w $ nach links abgetragen.
- Von diesem Punkt aus wird eine Gerade zu $\sigma_w $ gezogen, die dann die Begrenzung für die Oberspannung $\sigma_o $ darstellt. Die horizontale Hilfslinie von $ R_{p0,2}$ stellt eine weitere Gerade dar.
- Die begrenzende Gerade der Unterspannung geht aus von $ - \sigma_w $.
- Der zweite Punkt ergibt sich, wenn man den Betrag der Ausschlagspannung $ \sigma_A $ zwischen der 45°-Hilfslinie und dem Schnittpunkt der $ R_{p0,2}$-Geraden mit der Begrenzungslinie der Oberspannung $\sigma_o $ nochmals unterhalb der 45°-Hilfslinie abträgt.
- Ab hier wird dann der Geradenzug geschlossen, indem man die Verbindung zum Schnittpunkt der 45°-Hilfslinie mit der $ R_{p0,2} $-Geraden zieht.
Merke
Der Einfluss der Mittelspannung auf die ertragbare Amplitude der Dauerfestigkeit wird gerade im Smith-Diagramm dadurch deutlich, dass die begrenzenden Geraden für $\sigma_u $ und $\sigma_o $ nicht parallel zur 45°-Hilfslinie verlaufen. Stattdessen nähern sich diese mit steigender Mittelspannung der 45°-Hilfslinie an.
Beeinflusst wird die Schwingfestigkeit durch die Bauteilgröße und die Oberflächenrauheit. Speziell große Bauteile weisen hier eine geringer Festigkeit auf als kleine Bauteile.
Hinweis
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