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Im Maschinenbau treten in vielen Fällen Beanspruchungen mit gemischten Lastfällen unter dem Einfluss der Kerbwirkung auf, die beim Festigkeitsnachweis ausreichend berücksichtigt werden müssen. Für ein besseres Verständnis soll dies beispielhaft für eine Getriebewelle berechnet werden.
In der obigen Abbildung ist eine Welle mit Kerbe dargestellt. Es liegen dabei
- eine Zugbelastung $ F_z = 1000 \, N $,
- ein Biegemoment $ M_b = \pm 30 \, Nm $ und
- ein Torsionsmoment $ T = 100 \, Nm $
vor.
Zudem führen wir einen Sicherheitsfaktor gegen Bruch von $ v_B = 1,8 $ ein.
Die geometrischen Daten sind:
- Restquerschnitt der Kerbe $ d = 20 \, mm $
- Radius der Kerbe $ r = 2,0 \, mm $
Als Werkstoffangaben (hier: $ EC \, 80 $, alt: $ 16MnCr5 $) liegen vor:
Werkstoffnummer: 1.7131
Zugfestigkeit $ R_m = 800 \frac{N}{mm^2} $
Streckgrenze $ R_{eH} = 650 \frac{N}{mm^2} $
Nachdem alle notwendigen Angaben vorliegen, können wir mit den Berechnungen beginnen.
1. Beanspruchungen berechnen
Zu Beginn werden wir die vorliegenden und die maximalen zulässigen Beanspruchungen berechnen.
Zugbeanspruchung
Die allgemeine Gleichung lautet: $\sigma = \frac{F}{A} \rightarrow $ Die Fläche beträgt: $ A = \frac{\pi \, \cdot \, d^2}{4} $
Daraus folgt für die Zugbeanspruchung:
Methode
Unter Berücksichtigung der dimensionslosen Kerbformzahl für Zug (aus Tabellen) $ \alpha_{kz} = 3,3 $ erhalten wir für die Maximalspannung:
Methode
Biegebeanspruchung
Auch hier stellen wir zuerst die allgemeine Gleichung auf. Diese lautet: $\sigma = \frac{M_b}{W_b} $
Daraus folgt für die Biegebeanspruchung:
Methode
Unter Berücksichtigung der dimensionslosen Kerbformzahl für Biegung (aus Tabellen) $ \alpha_{kb} = 3,0 $ erhalten wir für die Maximalspannung:
Methode
Torsionsbeanspruchung
Als letzte Größe bestimmen wir die Spannung, die infolge der Torsion auftritt. Die allgemeine Gleichung lautet: $\tau_{tn} = \frac{T}{W_p}$
Daraus folgt für die Torsionsbeanspruchung:
Methode
Unter Berücksichtigung der dimensionslosen Kerbformzahl für Torsion (aus Tabellen) $ \alpha_{kt} = 2,0 $ erhalten wir für die Maximalspannung:
Methode
Nachdem alle notwendigen Spannungen bekannt sind, ermitteln wir nun die Vergleichsspannung.
2. Vergleichsspannung berechnen
Nachdem alle notwendigen Spannungen bekannt sind, ermitteln wir nun die Vergleichsspannung.
Mittelspannung und Ausschlagsspannung
Für die Ermittlung der Vergleichsspannung müssen die Lastfälle genau unterschieden werden. Es gilt in unserem Beispiel:
Mittelspannungen:
$\sigma_{mz} = \sigma_{zmax}$
$\sigma_{mb} = 0 $
$\tau_{mt} = \tau_{tmax} $
Ausschlagsspannungen:
$\sigma_{az} = 0 $
$\sigma_{ab} = \sigma_{bmax} $
$\tau_{at} = 0 $
Da es sich hier um einen fließfähigen Werkstoff handelt, wird beim statischen Anteil die Kerbwirkung nicht berücksichtigt. Es wird die Gestaltänderungsenergiehypothese angewendet.
Ohne Kerbwirkung gehen sowohl $\alpha_{kz} $ als auch $\alpha_{kt} $ gegen den Wert 1. Daraus folgt für die Mittelspannung:
Methode
Unter Annahme der gleichen Voraussetzungen erhalten wir für die Ausschlagsspannung:
Methode
Der Wert für $\beta_{kb} $ ergibt sich dabei nach Bollenrath-Troost gemäß:
$\frac{\beta_{kb}}{\alpha_{kb}} = 0,77 \, \, \, \, \, \Longrightarrow \, \, \, \, \, \beta_{kb} = 0,77 \cdot \alpha_{kb} = 2,31 $
Vergleichsspannung
Da nun alle notwendigen Werte vorliegen, können wir jetzt die Vergleichsspannung berechnen:
Methode
Im letzten Schritt sollen noch der Werkstoffgrenzwert und die Ausnutzung bestimmt werden.
3a. Werkstoffgrenzwert
Hierzu nutzt man das Smith-Diagramm für $EC \, 80$, $ 16MnCr5 $. Die Werte für die Berechnung wurden dem Diagramm entnommen.
In dem Diagramm sind 3 Kurven eingezeichnet. Die Kurve mit der Farbe Blau beschreibt die Biegedauerfestigkeit $\sigma_{bD}$. Die zweite Kurve mit der Farbe Rot bezieht sich auf Zug- und Druckdauerfestigkeit $\sigma_{zdD}$. Die dritte Kurve steht für die Torsionsdauerfestigkeit $\tau_{tD} $.
Der Werkstoffgrenzwert für Zug und Druck beträgt $\sigma_{zdD} = 600 \frac{N}{mm^2} $.
Merke
Wir wissen wir bereits, dass unsere Mittelspannung $ \sigma_{vm} = 110,4 \frac{N}{mm^2}$ beträgt. Daher fahren wir an der entsprechenden Stelle auf der X-Achse senkrecht nach oben bis unsere Linie (grün gestrichelt) die Linie der Zug- und Druckdauerfestigkeit schneidet. Hier liegt dann unser Punkt für die Mittelspannung von $\sigma_{vm} = 110,4 \frac{N}{mm^2} $ mit $\sigma_{0} = 460 \frac{N}{mm^2}$.
Mit unserer Vergleichsspannung von $\sigma_v = 110,4 \frac{N}{mm^2} \pm 88,2 \frac{N}{mm^2} $, der abgelesenen Grenzspannung $ \sigma_{0} = 460 \frac{N}{mm^2} $ und der erforderlichen Sicherheit von $ v_B = 1,8 $ ergibt sich:
Methode
$\sigma_{Azul} =\frac{-110 + 460}{v_B} = 194 \frac{N}{mm^2} $
bei einer Mittelspannung von $\sigma_{vm} = 110,4 \frac{N}{mm^2} $
3b. Ausnutzung
Vergleicht man nun die Werte, so ergibt sich für die Ausnutzung:
Methode
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