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Thermodynamik - Die Zustandsgröße Entropie

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Thermodynamik

Die Zustandsgröße Entropie

Wir wissen aus Erfahrung, dass Wärme niemals von selbst von einem Körper niedriger Temperatur auf einen Körper mit höherer Temperatur übergeht. Die Betonung liegt auf „von selbst“, denn wenn man zusätzlich Energie aufwendet, kann man einen Körper selbstverständlich auf Temperaturen unterhalb der Umgebungstemperatur abkühlen, beispielsweise Lebensmittel im Kühlschrank. Der Kühlschrank ermöglicht das allerdings nur, wenn man Energie (Strom) zuführt. Spontan läuft eine solche Kühlung nicht ab. Heißer Kaffee kühlt jedoch in einem gewissen Zeitraum in kühlerer Umgebung ab. Für den spontan ablaufenden Prozess Wärmeübertragung gibt es also eine natürliche Richtung, nämlich vom wärmeren auf den kälteren Körper.

Der französische Physiker Henry Poincaré drückte die in diesem Zusammenhang gewonnenen Erfahrungen so aus:

Es ist unmöglich, Wärme von einem kälteren an einen wärmeren Körper übergehen zu lassen, wenn nicht gleichzeitig ein Verbrauch an Arbeit stattfindet.

Der deutsche Physiker Max Planck beschriebt diese Erfahrungstatsache mit dem Satz:

Es ist unmöglich, eine periodisch arbeitende Maschine zu konstruieren, die weiter nichts bewirkt, als eine Last zu heben und einem Wärmebehälter dauernd Wärme zu entziehen.

Ähnlich wie beim ersten Hauptsatz kann man also kompakt zusammenfassen: Ein Perpetuum mobile zweiter Art ist nicht möglich. Ein solches Perpetuum mobile zweiter Art wäre zum Beispiel ein Schiffsantrieb, der die Energie für das Fortbewegen des Schiffes aus dem Meerwasser holt und eine Spur kalten Meerwassers hinter sich zurück lässt. Der erste Hauptsatz mit einer Energiebilanz stünde dieser Idee nicht im Wege und muss deshalb für die Untersuchung technischer Sachverhalte unbedingt durch die Aussagen des zweiten Hauptsatzes ergänzt werden.

Eine mathematische Formulierung dieser verbal beschriebenen Erfahrungen erfolgte durch Rudolf Clausius, der in diesem Zusammenhang bei der Untersuchung der Funktion U = U(V,T) dazu die Zustandsgröße Entropie S einführte. Der von Clausius eingeführte Begriff Entropie ist ein Kunstwort aus mehreren Wortstämmen griechischer Wörter, etwa in der Bedeutung die „Verwandlungsgröße“.

Was Du – bevor wir uns näher damit beschäftigen – unbedingt wissen musst:

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  1. Der Begriff Entropie wird in der Wissenschaft für mehrere, völlig verschiedene Sachverhalte genutzt. Das begünstigt Verwechslungen und Fehldeutungen. In der Technischen Thermodynamik ist die Entropie eine extensive Zustandsgröße, die die Richtung eines ablaufenden Prozesses unter Beteiligung der Energieform Wärme kennzeichnet. Auf dem Gebiet der Informatik ist Entropie ein Maß für den Informationsgehalt eines Zeichensystems, also etwas völlig anderes.

  2. Die Zustandsgröße Entropie in der phänomenologischen Thermodynamik unterscheidet sich von anderen Zustandsgrößen wie Druck, Temperatur oder Volumen dadurch, dass sie eine aus rein mathematischen Überlegungen hervorgehende abstrakte Rechengröße ist und keine anschauliche Entsprechung in der Natur besitzt. Man kann die Entropie auch nicht direkt messen, sondern nur aus den oben genannten makroskopisch fassbaren Zustandsgrößen berechnen. Diese Abstraktion bereitet Ingenieuren naturgemäß Schwierigkeiten. Es hat deshalb zahlreiche Versuche zu einer anschaulichen Deutung gegeben, etwa als „statistisches Maß für die Unordnung in einem System“ oder die Entropie als „Wärmegewicht“ analog einer herabfallenden Masse in der Mechanik. Alle diese Deutungen können stellenweise hilfreich sein, an anderen Stellen aber gerade daran hindern, tiefer in die Sachverhalte einzusteigen.

  3. Aus dem zweiten Punkt wird oft der Schluss gezogen, man könne das Wesen der Entropie sowieso nicht erfassen und solle sich nur einprägen, wie man damit rechnet. Das ist ein für Klausuren gefährlicher Trugschluss! Gerade praktische Übungsbeispiele solltest Du intensiver durchdenken. Sie helfen Dir zu verstehen, was Entropie in den konkreten Beispielen ausdrückt und wie man Entropiebilanzen deuten muss.

Wir hatten in Kapitel Spezielle Zustandsänderungen mit idealem Gas schon den mathematischen Weg angedeutet, mit dem aus der Prozessgröße Wärme die Zustandsgröße Entropie gewonnen wird. Ausgangspunkt sei die Funktion u = u(v,T). Die spezifische innere Energie u ist als Zustandsgröße ein vollständiges Differential und lässt sich andererseits auch über die Energiebilanz für ein einfaches geschlossenes System nach dem ersten Hauptsatz ausdrücken:

Methode

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$du = dq - pdv = \Bigl(\frac{\partial u}{\partial T}\Bigr)_v \cdot dT + \Bigl(\frac{\partial u}{\partial v}\Bigr)_T $ aufgelöst nach dq ergibt sich:
$dq = du + pdv = \Bigl(\frac{\partial u}{T}\Bigr)_v \cdot dT + \Biggl[ \Bigl(\frac{\partial u}{\partial v}\Bigr)_T + p \Biggr] \cdot dv$

Der Gay-Lussac´sche Überströmversuch lieferte die Erkenntnis, dass $\Bigl(\frac{\partial u}{\partial v}\Bigr)_T$ = 0 und $\Bigl(\frac{\partial u}{\partial T}\Bigr)_v$ wurde als spezifische Wärmekapazität bei konstantem Volumen cV definiert.

Damit folgt: $dq = \Bigl(\frac{\partial u}{\partial T}\Bigr)_v \cdot dT + (p)_Tdv = c_vdT + pdv$

Damit dq ein vollständiges Differential ist, müsste gelten: $\frac{\partial c_V}{\partial v}=\frac{\partial p}{\partial T}$ Genau das ist aber nicht der Fall, weil die spezifische Wärmekapazität eine Konstante ist, deren Ableitung nach dem spezifischen Volumen $v$ den Wert null ergibt. $\frac{\partial p}{\partial T}$, kann aber niemals den Wert null annehmen, weil in einem einfachen geschlossenen thermodynamischen System jede Temperaturänderung immer eine Druckänderung zur Folge hat. Deutlicher wird dies vielleicht noch, wenn man gemäß der Grundgleichung für ideales Gas setzt $p=\frac{R_i \cdot T}{v}$. Dann können wir schreiben:

$\frac{\partial p}{\partial T}= \frac{\frac{\partial (R_i \cdot T)}{v}}{\partial T} = \frac{R_i}{v }$

Mithin ist also: $\frac{\partial v}{\partial v} \neq \frac{\partial p}{\partial T}$ und deshalb dq kein vollständiges Differential.

Mathematisch lässt sich zeigen, dass es stets mindestens einen integrierenden Faktor $\mu = \mu (v,T)$ gibt, der aus dem unvollständigen Differential ein vollständiges macht.

$\mu (v,T) \cdot dq = \mu (v,T) \cdot c_vdT + \mu(v,T) \cdot \frac{R_i \cdot T}{v \cdot T}dv$

Wir werden uns weder mit diesem mathematischen Beweis noch mit dem mathematischen Verfahren zur Ermittlung dieses Faktors beschäftigen, denn wir wissen bereits: Der Faktor $\mu$ ist ausschließlich eine Funktion der thermodynamischen Temperatur T und stellt genau ihren Kehrwert dar.

$\mu = \mu(T) = \frac{1}{T} \rightarrow ds = \frac{dq}{T} = \frac{c_v}{T}dT + \frac{R_i \cdot T}{v \cdot T}dv = \frac{c_V}{T}dT + \frac{R_i}{v}dv$

Wenn ds ein vollständiges Integral ist, müsste die Bedingung erfüllt werden: $\frac{\partial \frac{c_V}{T}}{\partial v} = \frac{\partial \frac{R_i}{v}}{\partial T}$

Genau dies ist der Fall, denn es gilt:

  1. $\frac{\partial \frac{c_V}{T}}{\partial v} = \frac{\frac{\partial  c_V}{\partial v} \cdot T - \frac{\partial T}{\partial v} \cdot c_V}{T^2} = \frac{0 \cdot T - 0 \cdot c_V}{T^2} = 0$

    Beachte: Die Temperatur T ist eine intensive Zustandsgröße und hängt nicht vom Volumen ab!

  2. $\frac{\partial (\frac{R_i}{v})}{\partial T} = \frac{\partial \frac{R_i}{\partial T} \cdot v - \frac{\partial v}{\partial T} \cdot R_i}{v^2} = \frac{0 \cdot v - 0 \cdot R_i}{v^2} = 0$

 

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Definition der Entropie als extensive Zustandsgröße:

$dS = \frac{dQ}{T} \;\;\;\;\;\; S_2 - S_1 = \frac{Q_{12}}{T} \;\;\;\;\;\; [S] = 1 \frac{kJ}{K}$

$ds = \frac{dq}{T} \;\;\;\;\;\;\;\; s_2 - s_1 = \frac{q_{12}}{T} \;\;\;\;\;\;\;\; [s] = 1 \frac{kJ}{kg \; K}$

Besteht ein thermodynamisches System aus mehreren Teilsystemen, setzt sich die Entropie des Gesamtsystems aus der Summe der Entropien der Teilsysteme zusammen.

T ist die thermodynamische Temperatur, die an der Systemgrenze zum Zeitpunkt des jeweiligen Wärmetransports herrscht.

Die Entropie S besitzt nach dieser Definition wegen der erforderlichen Grenzwertbetrachtung keinen endlichen Zahlenwert bei T = 0 K. Max Planck hat deshalb vorgeschlagen: S(T = 0 K) = 0 $\frac{J}{K}$

Was haben wir mit der Definition der Zustandsgröße Entropie S gewonnen?

  • nach dem zweiten Hauptsatz unterscheiden wir drei Arten von Prozessen:
    • die natürlichen, spontan ablaufenden Prozesse (wegen zwangsläufig auftretender Dissipation nicht
            vollständig umkehrbar)
    • die reversiblen Prozesse (Ausschluss der Dissipation als theoretisches Denkmodell, kommt in der
            Natur nicht vor!)
    • die unmöglichen Prozesse (laufen nie von allein ab, Durchführung erfordert Aufwendung von
            Energie)

  • als Zustandsgröße gestattet die Entropie eine Entscheidung aus der Kenntnis von Anfangs- und angestrebten Endzustand

  • Bilanz: die Entropie dS eines geschlossenen Systems ändert sich, wenn die Wärme dQ über die Systemgrenze transportiert oder im Inneren des Systems Energie  dissipiert wird (dWdiss)

Methode

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$dS = \frac{dQ_{rev}}{T} + \frac{dW_{diss}}{T} = dS_q + dS_i$

$dS_q = \frac{dQ_{rev}}{T} \; $ heißt Änderung der Entropie durch Wärmetransport über Systemgrenze

$dS_q = \Biggl\{ \begin{array}{lll} >0 \; \text{wenn}\; Q>0 \; \text{Wärme zugeführt}\\
= 0 \; \text{wenn}\; Q=0 \; \text{bei adiabater Systemgrenze}\\
<0 \; \text{wenn}\; Q<0 \; \text{Wärme abgeführt}\\
\end{array}$

$dS_i = \frac{dW_{diss}}{T} \;$ heißt Entropieproduktion und ist ein Quellglied!

$dS_i = \Biggl\{ \begin{array}{lll} >0 \; \text{wenn}\; W_{diss12}>0 \; \text{Wärme zugeführt}\\
= 0 \; \text{wenn}\; W_{diss12}=0 \; \text{bei adiabater Systemgrenze}\\
<0 \; \text{wenn}\; W_{diss,12}<0 \; \text{Wärme abgeführt}\\
\end{array}$

  • Es gibt keine Entropieerhaltung! (Unsymmetrie von Energieumwandlungen)
  • für die Entropie eines offenen Systems gilt für die Änderung des  Entropiestroms $d \dot S$ in Verbindung mit einer zusätzlich möglichen Änderung der Entropie durch Stofftransport analoges
  • häufige Fälle:
    1. dSi = 0 und dSq ≠ 0
      Zustandsänderungen verlaufen reversibel, das System nimmt Wärme auf oder gibt Wärme ab

      Vorsicht

      Hier klicken zum AusklappenBei abgegebener Wärme kann sich die Entropie des Systems dS verringern!
    2. dSi > 0 und dSq ≠ 0
      Im System läuft eine irreversible Zustandsänderung ab bei gleichzeitigem Transport von
      Wärme über die Systemgrenze.

    3. dSi > 0 und dSq = 0
      Im adiabaten System läuft eine irreversible Zustandsänderung ab.

      Vorsicht

      Hier klicken zum AusklappenIm vollständig abgeschlossenen System laufen hier solange Ausgleichsprozesse im
      Systeminneren ab, bis die Entropie des Systems ein Maximum erreicht.
      Alle Ausgleichsprozesse verlaufen irreversibel, man kann sie nicht umkehren!

    4. dSi = 0 und dSq = 0
      Im adiabaten System läuft eine reversible Zustandsänderung ab.

Expertentipp

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Hüte Dich von der landläufigen Meinung, die Entropie eines Systems könne nur steigen! In vielen Fällen ist das richtig, aber nicht immer! Wenn dem System mehr Wärme entzogen wird, als dissipierte Energie anfällt, sinkt die Entropie des Systems! Es steigt dann die Entropie der Umgebung!