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Zur Herleitung der Formeln für die Eigenarbeit der inneren Kraftgrößen betrachten wir einen gewichtslosen Balken, welcher in unendlich kleinen Schritten mit der Kraft $F_1$ belastet wird. Im Ausgangszustand (vor der Belastung) treten keine inneren Kräfte auf, weil auf den Balken keine äußeren Kräfte wirken. Erst durch das Anbringen der Kraft $F_1$ entstehen die inneren Kräfte:
Wenn wir die Kraft $F_1$ in unendlich kleinen Schritten anbringen, so treten auch in unendlich kleinen Schritten die inneren Kraftgrößen und damit die Schnittgrößen auf. Die inneren Kraftgrößen sind also - wie die Kraft $F_1$ - vom Weg abhängig. Die Kraft $F_1$ leistet also Eigenarbeit und damit leisten auch die dadurch auftretenden inneren Kraftgrößen Eigenarbeit.
Wir wollen nun herausfinden, welche Eigenarbeit die inneren Kraftgrößen leisten. Wir betrachten zunächst die Horizontalkomponente der Kraft $F_1$ und schneiden ein differentielles Balkenelement vor und nach der Belastung aus dem Balken heraus:
Das Balkenelement vor der Belastung besitzt die Ausgangslänge $dx$. An diesem treten zunächst keine inneren Kraftgrößen auf, weil in der Ausgangssituation noch keine äußere Kraft auf den Balken wirkt. Es wird nun die Kraft $F_1$ in unendlich kleinen Schritten angebracht, damit der Balken nicht in Schwingungen versetzt wird. Demnach tritt auch die innere Kraftgröße $N_i$ in unendlich kleinen Schritten auf, wächst also mit dem Weg. Der Balken wird infolge der äußeren Kraft $F_1$ nach und nach verlängert. Nachdem die Kraft $F_1$ mit ihrer vollen Größe angebracht wurde, weist der Balken die Länge $dx + du$ auf. Die innere Kraftgröße $N_i$ hat sich also um $du$ verschoben. Sie leistet Eigenarbeit in Höhe von:
$dW = -\frac{1}{2} N_i \cdot du$
Das $\frac{1}{2}$ resultiert deswegen, weil die innere Kraftgröße vom Weg abhängig ist. Sie wächst also linear bis auf ihren Endwert. Grund dafür ist die Eigenarbeit der Kraft $F_1$, die nach und nach an den Balken angebracht wird.
Das negative Vorzeichen resultiert, weil Kraft und Weg genau entgegengesetzt zueinander gerichtet sind. Wenn wir uns das Skalarprodukt vor Augen halten, dann haben wir also einen eingeschlossenen Winkel von 180° zwischen Kraft und Weg gegeben und damit $\cos(180°) = -1$.
Setzen wir nun $N_i = N$ dann erhalten wir:
Methode
$dW_i = -\frac{1}{2} N \; du$
Der Betrag der inneren Kraftgröße $N_i$ ist durch den Betrag der Schnittgröße $N$ ersetzt worden. Damit wird die innere Arbeit durch die äußere Kraftgröße ausgedrückt. Das ist deswegen möglich, weil Normalkraft $N$ und innere Kraftgröße denselben Betrag aufweisen.
Hinweis
Sinnvoll ist das deswegen, weil wir die Schnittgröße $N$ leicht bestimmen können. Das Minuszeichen muss aber übernommen werden, weil wir ja eigentlich die Eigenarbeit der inneren Kraftgröße $N_i$ berechnen.
Infolge der Vertikalkomponente der Kraft $F_1$ treten die inneren Kraftgrößen $Q_i$ und $M_i$ auf:
Infolge der äußeren Vertikalkomponente der Kraft $F_1$ treten innere Querkräfte $Q_i$ auf und die Balkenachse am Balkenelement der Länge $dx$ verschiebt sich nach unten um $dw$. Zusätzlich treten innere Momente $M_i$ auf (Biegung infolge Querkraft) und die Balkenachse des Balkenelements dreht sich um den Winkel $d\varphi$. Die inneren Kraftgrößen leisten die negative Eigenarbeit von:
$dW_i = -\frac{1}{2} Q_i \; dw$
$dW_{i} = -\frac{1}{2} M_i \; d\varphi$
Ersetzen wir nun wieder den Betrag der inneren Kraftgrößen durch den Betrag der äußeren Kraftgrößen, so ergibt sich:
Methode
$dW_i = -\frac{1}{2} Q \; dw$
$dW_{i} = -\frac{1}{2} M \; d\varphi$
Wir sind in diesem Beispiel von der äußeren Kraft $F_1$ ausgegangen. Es können natürlich Horizontalkräfte, Vertikalkräfte, Streckenlasten, Momente sowie Torsionsmomente auf den Balken wirken. Torsionsmomente führen zu einer zusätzlichen Torsionsbeanspruchung, welche wir noch zusätzlich berücksichtigen wollen.
Greifen also äußere Momente so an den Balken an, dass es zu einer Torsionsbeanspruchung kommt, so verdreht sich die Mantelfläche um $d\varphi$:
Damit ergibt sich die Eigenarbeit infolge Torsionsbeanspruchung zu ($M_{Ti} = M_T$):
Methode
$W_i = -\frac{1}{2} M_T \; d\varphi$
Gesamte innere Eigenarbeit
Die gesamte innere Eigenarbeit ist die Summe aller Eigenarbeiten der inneren Kraftgrößen:
$dW_i = -\frac{1}{2} N \; du -\frac{1}{2} Q \; dw -\frac{1}{2} M \; d\varphi - \frac{1}{2} M_T \; d\varphi$
Zusammenfassung der obigen Gleichung:
(1) $-dW_i = \frac{1}{2} [N \; du + Q \; dw + M \; d\varphi + M_T \; d\varphi]$
Aus dem Kapitel Verformungen sind uns die folgenden Zusammenhänge bekannt:
$\frac{du}{dx} = \epsilon$, $\frac{d\varphi}{dx} = \kappa$ und $\frac{dw}{dx} = \gamma$, $\frac{d\varphi}{dx} = \varphi' = \vartheta$
Einsetzen in (1) ergibt:
(2) $-dW_i = \frac{1}{2} [N \; \epsilon \; dx + Q \; \gamma \; dx + M \; \kappa \; dx + M_T \; d\vartheta \; dx]$
Wir kennen ferner die Zusammenhänge aus dem Kapitel Verformungen. Hierbei werden die Gleichungen ohne die Temperaturanteile berücksichtigt, weil nur Kraftgrößen Eigenarbeit leisten können:
Gesamtdehnung: $\epsilon = \frac{N}{EA} $
Gesamtkrümmung: $\kappa = \frac{M_y}{EI_{yy}}$
Gleitung: $\gamma = \frac{Q}{GA_s}$
Verdrillung: $\vartheta = \varphi' = \frac{M_T}{G I_P} $
Einsetzen in (2) ergibt die innere Eigenarbeit:
$-W_i = \frac{1}{2} \int [N \cdot \frac{N}{EA} \; dx$
$ + Q \cdot \frac{Q}{GA_s}\; dx$
$+ M \cdot \frac{M_y}{EI_{yy}} \; dx $
$+ M_T \cdot \frac{M_T}{G I_P} \; dx]$
Auflösen der Klammer führt uns dann zur Formel für die innere Eigenarbeit:
Methode
$-W_i = \frac{1}{2} \int [\frac{N^2}{EA} $
$ + \frac{Q^2}{GA_s} $
$+ \frac{M_y^2}{EI_{yy}} $
$+ \frac{M_T^2}{G I_P} ] dx$
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