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Baustatik 1 - Verformungen

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Baustatik 1

Verformungen

Jedes Tragwerk verformt sich infolge vorhandener Einwirkungen. Die Modellvorstellung des starren Körpers, von der wir innerhalb der Statik ausgegangen sind, muss aufgegeben werden, um Verformungen in die Betrachtungen einbeziehen zu können.

 

Warum müssen Verformungen überhaupt berechnet werden?

Ziel der Baustatik ist es Tragwerke zu konstruieren, die tragfähig und gebrauchstauglich sind. Die Gebrauchstauglichkeit eines Tragwerks setzt voraus, dass die Verformungen des Tragwerks infolge äußerer Kräfte klein bleiben. Es ist also notwendig zu wissen, welche Verformungen schlimmstenfalls eintreten können, also wie groß die Verformungen werden können, um darauf zu schließen, ob das Tragwerk dadurch beeinträchtigt wird.

Bei statisch unbestimmten Tragwerken ist es nur möglich die unbekannten Auflagerkräfte und Schnittgrößen zu berechnen, wenn die Verformungen des Tragwerks berücksichtigt werden. Denn bei statisch unbestimmten Systemen können diese unbekannten Reaktionskräfte nicht aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden. Es müssen also zusätzliche Verformungsbedingungen formuliert werden, um alle Reaktionskräfte bestimmen zu können.

Auch wenn wir Verformungen des Tragwerks berücksichtigen, so gehen wir bei der Berechnung der Schnittgrößen von der Theorie I. Ordnung aus. Wir setzen also voraus, dass die Verformungen so klein sind, dass ihr Einfluss auf die Ermittlung der Schnittgrößen vernachlässigt werden kann. Die Gleichgewichtsbedingungen werden also in Bezug auf das unverformte Tragwerk aufgestellt.

Zur Erläuterung der Zusammenhänge betrachten wir den Kragträger in der folgenden Grafik:

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Moment ohne Verformung

 

Betrachten wir den obigen Kragbalken ohne Verformung und legen den Bezugspunkt in das Lager $A$, so erhalten wir:

$\curvearrowleft : M_A - F_v \cdot l = 0$  $\Rightarrow M_A =  F_v \cdot l$

Das Auflagermoment ergibt sich demnach ohne Berücksichtigung der Auflagerkraft $F_h$, weil die Wirkungslinie dieser den Bezugspunkt schneidet, es existiert somit kein Hebelarm für die Auflagekraft $F_h$.

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Moment mit Verformung


$\curvearrowleft : M_A - F_v \cdot l - F_h \cdot \delta = 0$ $\Rightarrow M_A = F_v \cdot l + F_h \cdot \delta$

Berücksichtigen wir aber die Verformung des Kragträgers infolge der Vertikalkraft $F_v$, so wie in der obigen Grafik dargestellt, ergibt sich für das Auflagermoment $M_A$ ein zusätzlicher Anteil infolge der Horizontalkraft $F_h$. Aufgrund der Durchbiegung ist für die Horizontalkraft $F_h$ ein Hebelarm in Höhe der Durchbiegung $\delta$ entstanden. Die Berücksichtigung dieses Einflusses wird mit der Theorie II.Ordnung bezeichnet.

Die Bedeutung dieses Einflusses für die Schnittgrößen ist von der Größe des Produkts $F_h \cdot \delta $ abhängig. Wir gehen in diesem Kurs davon aus, dass die Verformung und die Normalkräfte so klein sind, dass die Gleichgewichtsbedingungen in Bezug auf das unverformte Tragwerk formuliert werden können (=Theorie I. Ordnung). Die Größe der Verformung muss daher bekannt sein, um zu beurteilen, ob sie für die Formulierung der Gleichgewichtsbedingungen von Bedeutung ist.

Verformungen werden also benötigt:

  • zum Nachweis der Gebrauchstauglichkeit eines Bauwerks
  • zur Berechnung statisch unbestimmter Systeme (Verformungsbedingung des Kraftgrößenverfahrens)
  • zur Beurteilung des Einflusses der Verformung auf die Schnittgrößen (Theorie II. Ordnung)

Innerhalb dieses Kurses werden nur Stabtragwerke behandelt. Das sind Tragwerke, die aus linienförmigen Bauteilen, also Stäben/Balken bestehen. Wie im Folgenden dargestellt wird, kann bei stabförmigen Bauteilen aus der Verformung der Stabachse auf die Verformung des gesamten Bauteils geschlossen werden.