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Maschinenelemente 1

Dynamische Bauteilfestigkeit (Gestaltfestigkeit) berechnen und Kerbwirkung

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Die Belastungsgrenze, bei der Bauteile versagen, ist bei dynamischen, also ständig fluktuierenden Belastungen deutlich niedriger als bei statischer Belastung.

Zur Bestimmung der dynamischen Bauteilfestigkeit, also der Haltbarkeit des Bauteils bei fortdauernder dynamischer Belastung, wird die Sicherheit gegen Dauerbruch ermittelt. Die Sicherheit gegen Dauerbruch wird durch Einsetzen der für das untersuchte Bauteil errechneten dynamischen Bauteilfestigkeit (Gestaltfestigkeit) $\sigma_G$ in die allgemeine Gleichung zur Berechnung der Sicherheit gerechnet:

$\sigma_{zul} = \sigma_G$ ergibt sich $S = \dfrac{\sigma_{vorh}}{\sigma_G}$

Bei der Berechnung der Gestaltfestigkeit werden, anders als beim ebenfalls erforderlichen statischen Festigkeitsnachweis, nicht die absoluten Maximalwerte der Spannung, sondern die Spannungsamplituden bezogen auf die Mittelspannung eingesetzt.

Charakterisierung eines regelmäßig schwingenden Belastungsverlaufs

Regelmäßige Belastungsänderungen reduzieren die zulässige Spannung

Wird ein Maschinenelement dynamisch belastet, kann der Belastungsverlauf unterschiedliche Formen haben. Für die Lebensdauer des Maschinenelementes ist dabei nicht nur der Betrag der größten Spannung von Bedeutung, sondern auch das Ausmaß der Lastschwankung.

Die dynamische Belastung sieht dabei allgemein häufig wie hier dargestellt aus - eine saubere Analyse dieser Kurve ist sicherlich kaum möglich:

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Im Maschinenbau wird diese allgemeine Darstellung für Berechnungen und Untersuchungen gern idealisiert. Dadurch entstehen Spannungs-Zeit-Verlaufskurven, die Kurvenfunktionen zeigen, in denen die Spannungswerte systematisch um einen Mittelwert schwanken.

Dies kommt in der Praxis oft auch den realen Bedingungen sehr nahe.

Um die Charakteristik der Belastung zu berücksichtigen wird die sogenannte Spannungsamplitude $\sigma_a = (\sigma_o - \sigma_u)/2$ und die Mittelspannung $\sigma_m = (\sigma_o + \sigma_u)/2$ ermittelt.

Dabei ist

  • $\sigma_o$ die höchste (auch als Oberspannung bezeichnet) und
  • $\sigma_u$ die niedrigste Spannung (auch als Unterspannung bezeichnet)

während eines Schwingspiels.

Das Spannungsverhältnis $\kappa$ gibt an, wie stark die Last im Verhältnis schwingt und wird mit

$\kappa = \sigma_u/\sigma_o$

berechnet.

Diese Werte beziehen sich jeweils auf ein für den Lastfall typisches Schwingspiel. Es wird also vorausgesetzt, dass die Schwingungen während des überwiegenden Teils der Betriebszeit regelmäßig diesem Schwingspiel entsprechend verlaufen.

Im folgenden Beispielbild sind die Werte für eine  sinusförmige Schwingung gezeigt:

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Liegt eine Belastung während der Schwingung ausschließlich im positiven oder ausschließlich im negativen Bereich gilt $1 > \kappa \ge 0$, es liegt eine schwellende Beanspruchung vor.

Schwellend bedeutet, dass in regelmäßigen Abständen eine Belastung aufgebracht und und anschließend diese wieder entlastet wird.

Wechselt während der Schwingung die Lastrichtung gilt $0>\kappa\ge-1$, es liegt eine wechselnde Beanspruchung vor.

Eine wechselnde Belastung wird z.B. in einer sich drehenden Welle hervorgerufen, wenn eine Kraft konstant auf die Welle wirkt. Beim Drehen der Welle wechselt die Richtung der Belastung somit ständig innerhalb der Welle.

Bei $\kappa = -1$ liegt die Mittelspannung genau auf der Nulllinie, die Belastung ist rein wechselnd.

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Aufgrund der Gefügeeigenschaften ist wechselnde Belastung für die meisten Werkstoffe deutlich ungünstiger als schwellende Belastung, während die statische Belastung am besten ertragen wird.

Grenzspannungslinie (Wöhlerlinie) - Nach wie vielen regelmäßigen Schwingungen ein Teil bricht

Die Dauerfestigkeit $\sigma_D$ eines Werkstoffes wird für wechselnde ($\sigma_{W}$) und schwellende ($\sigma_{Sch}$) Belastungen separat experimentell ermittelt und ist für wechselnde Belastungen niedriger als für schwellende. Die Dauerfestigkeit wird nach Beanspruchungsart unterschieden, dem Index wird entsprechend jeweils durch z für Zug, b für Biegung usw. vorangestellt.

Beim Dauerfestigkeitsversuch wird eine Schwingbelastung so oft wiederholt, bis die Probe bricht. Der Versuch wird zuerst mit einer hohen Belastung durchgeführt, die schnell zum Bruch führt, und dann mit pro Durchlauf sinkenden Belastungen wiederholt, wobei mit sinkender Belastungshöhe die Anzahl der Schwingspiele bis zum Bruch steigt. Die höchste Belastung, bei der auch nach fortgesetzter Belastung kein Bruch mehr eintritt, ist die Dauerfestigkeit $\sigma_D$ für die jeweilige Belastungsart, also $\sigma_{bW}$ oder $\sigma_{zSchw}$.

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Bei Stählen ist die Dauerfestigkeit meist bei einer Belastung erreicht, die $10^7$ Schwingspiele lang ertragen wird.

Ist die Belastung oberhalb der Dauerfestigkeit ist das Bauteil nur zeitfest, nach einer bestimmten Anzahl Schwingspielen erfolgt ein Ermüdungsbruch. Die Zeitfestigkeit kann mit einer Überlebenswahrscheinlichkeit in Bezug auf eine Schwingspielzahl angegeben werden, sofern die Schwingspiele annähernd gleichbleibend periodisch auftreten.

Da die Schwingspiele außerhalb von Labortests nur selten so kontinuierlich verlaufen sondern die Belastungen in Frequenz und Höhe unregelmäßig schwanken, kann für die Betriebsfestigkeit unter realen Bedingungen keine so genaue Lebensdauervorhersage getroffen werden. Zur Annäherung kann ein Lastkollektiv erstellt werden, in das möglichst Erfahrungswerte aus der Realität einfließen sollten.

Hinweis

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Je nach Einsatzzweck und Herstellkosten kann es aus wirtschaftlichen Gründen erwünscht sein, Teile als Verschleißteile nur zeitfest auszulegen. Die kraftübertragenden Teile eines Anlassers im Automotor könnte man beispielsweise zeitfest auslegen, da die Betriebsbedingungen gut vorhersehbar sind und die Gesamtzahl der Umdrehungen über das Autoleben relativ gering ist. Die Wellen im Kraftfluss vom Kolben bis zum Rad hingegen müssen dauerfest sein weil sie eine große Anzahl Umdrehungen aushalten müssen. Die Betriebsbedingungen der Kurbel-, Antriebs- und Getriebewellen sind außerdem schwerer vorherzusehen, weil Fahrer und Gelände darauf erheblichen Einfluss haben, weshalb ein höherer Anwendungsfaktor erforderlich ist.

Vorsicht

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Für Anwendungsbereiche, in denen Bauteilversagen schwerwiegende Konsequenzen bis zu Lebensgefahr haben kann, sind hohe Sicherheiten durch Normen oder Gesetze vorgegeben. Das ist beispielsweise im Stahlbau mit DIN 18800 der Fall. Für viele nicht durch Vorschriften geregelte Bereiche gibt es sinnvolle Empfehlungen für anzusetzende Sicherheiten.

Dauerfestigkeitsschaubilder - Smith-Diagramme

Die Ergebnisse von Dauerfestigkeitsversuchsserien, in denen auch das Spannungsverhältnis variiert wurde, können im Dauerfestigkeitsschaubild nach Smith eingetragen werden. Aus diesem Diagramm werden wiederum die für den Dauerfestigkeitsnachweis nötigen Werkstoffkennwerte abgelesen.

Ein Dauerfestigkeitsschaubild gilt immer für einen bestimmten Werkstoff und jeweils nur eine bestimmte Belastungsart (Zug-Druck, Biegung oder Torsion).

Die höchste ($\sigma_o$) und niedrigste ($\sigma_u$) dauerhaft schwingend ertragene Spannung werden dabei über die zugehörige Mittelspannung aufgetragen, die bei gleicher Skalierung von x- und y-Achse unter 45° ansteigt.

Die Mittelspannung wird in der Versuchsserie von 0 ($\sigma_u = -\sigma_o$, $\kappa = -1$) bis zur maximal ertragbaren Spannung des Werstoffes Rm ($\sigma_o = \sigma_u = \sigma_m$ und $\kappa = 1$) gesteigert, wobei mit Annäherung an Rm die Amplitude reduziert wird weil Rm nicht überschritten werden darf. Im Punkt am Ende des Diagrammes ist die Schwingungsamplitude 0, es liegt also eine statische Belastung vor. Alle Lastzustände innerhalb der Diagrammfläche werden vom Werkstoff dauerhaft ertragen.

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Aus dem oberen Punkt bei $\kappa = -1$ kann die Wechselfestigkeit, aus dem für $\kappa = 0$ die Schwellfestigkeit des Werkstoffes abgelesen werden.

Da die Dauerfestigkeit eines Werkstoffes auch von der Größe des Querschnitts abhängt, werden die abgelesenen Werte bei Verwendung für ein konkretes Bauteil immer mit dem technologischen Größeneinflussfaktor $K_t$ multipliziert um die für dessen Größe anzusetzende Festigkeit zu ermitteln. Er berücksichtigt dass zum Beispiel dass Wärmebehandlung bei großen Bauteilen eine schlechtere Wirkung hat als bei kleineren. Aus dem Tabellen- oder Diagrammwert $\sigma_{DN}$ wird so der für die vorliegende Bauteilgröße zu verwendende, von der Normprobe unabhängige Wert $\sigma_D$. Dieser Wert ist als Zwischenergebnis auf dem Weg zur Gestaltfestigkeit zu sehen.

$\sigma_D = K_t * \sigma_{DN}$ ist die allgemeine Form.

D ... bedeutet ist dabei das Indize für die Dauerfestigkeit

Im konkreten Berechnungsfall wird die Belastungsart und die Lage des Schwingspiels anstatt D im Index angegeben, z. B. $\sigma_{bW} = K_t * \sigma_{bWN}$

Wenn experimentell ermittelte Werte fehlen, können Anhaltswerte nach DIN 743 berechnet werden:
$\sigma_{bWN} \approx 0,5 * K_t * R_m$ für Zug/Druck
$\sigma_{zdWN} \approx 0,4 * K_t * R_m$ für Zug/Druck
$\tau_{tWN} \approx 0,3 * K_t * R_m$ für Schub

Unregelmäßige Belastungen

Unregelmäßige Zusatzbelastungen werden im statischen Festigkeitsnachweis berücksichtigt

Unregelmäßige dynamische Zusatzbelastungen, die häufig auftreten, werden mit empirischen Betriebsfaktoren, meist dem Anwendungsfaktor $K_A$ berücksichtigt. Der Anwendungsfaktor ist abhängig von der gewählten Kombination aus Antriebsmaschine und Betriebsverhältnissen und für gängige Szenarien und Bauteile in Tabellen z. B. gemäß DIN 3990-1 auffindbar. So kann beispielsweise der ungleichmäßige Lauf eines Kolbenmotors oder die sehr holprig auftretende Last eines Steinbrechers pauschal berücksichtigt werden.

Diese Zusatzbelastungen gehen auf der Lastseite in die Berechnungen ein, indem die angesetzten Nennlasten mit dem für die jeweilige Last gültigen Anwendungsfaktor multipliziert werden: $M_{eq}=K_A*M_{nenn}$ bzw. $F_{eq}=K_A*F_{nenn}$

Der statische Festigkeitsnachweis wird dann mit den entsprechend höheren Werten $M_{eq}$ und $F_{eq}$ berechnet. Das gilt bei mehrachsigen Spannungszuständen sowohl für die Berechnung der Einzelspannungen als auch für die Berechnung der Vergleichsspannung, um sicherzugehen, dass die Belastung auch bei den angenommenen dynamischen Spitzen ertragen wird.

Seltene Belastungsspitzen wie beispielsweise ein Anlaufstoß beim Einschalten einer Maschine werden beim dynamischen Festigkeitsnachweis ebenfalls nicht berücksichtigt. Hier kann und muss der statische Nachweis gegen die seltene Spitzenlast gerechnet werden.

Expertentipp

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Aus dem Betrieb von Maschinen, die der betrachteten Konstruktion ähnlich sind, können empirische Faktoren ergeben, mit denen eine theoretische Belastung an die Realität angepasst wird. Dabei können auch Lastkollektive verwendet werden. Das kann dazu führen, dass eine theoretisch bei Nenn- oder Maximallast nur zeitfeste Konstruktion unter Berücksichtigung der tatsächlichen Einsatzbedingungen doch dauerfest ist.

Gestaltfestigkeit berechnen, Konstruktionsfaktor

Neben der dynamischen Charakteristik der Belastung muss auch die Dauerfestigkeit des konkreten Bauteils, die "Gestaltfestigkeit" $\sigma_G$, ermittelt werden. Die Gestaltfestigkeit wird durch die Gestaltwechselfestigkeit, auch Bauteilwechselfestigkeit genannt, und die Gestaltdauerfestigkeit, auch Bauteildauerfestigkeit genannt, bestimmt.

Gestaltwechselfestigkeit

Die Gestaltwechselfestigkeit berücksichtigt die Unterschiede der Beschaffenheit (der Gestalt) eines realen Bauteils zum in den Zugversuchen verwendeten runden, glatten Probestab. Dazu wird die im Zugversuch ermittelte (oder mit Faustformeln errechnete) Dauerfestigkeit $\sigma_D$ (konkret z. B. $\sigma_{bW}$) mit Korrekturfaktoren für alle Abweichungen der Bauteilbeschaffenheit modifiziert, meist reduziert. Diese Korrekturfaktoren heißen "Konstruktionskennwerte". Bei Serienbauteilen kann es sich auch lohnen, die Gestaltfestigkeit am realen Bauteil experimentell zu ermitteln.

Die verschiedenen dimensionslosen Konstruktionskennwerte werden zum einem Gesamtkonstruktionsfaktor $K_D=(\dfrac{\beta_k}{K_g}+\dfrac{1}{K_{O\sigma}}-1)*\dfrac{1}{K_V}$ zusammengerechnet.

Die Teilfaktoren sind:

  • $K_g$: die Größe des Bauteils (größere Teile sind bei Biegung und Torsion relativ weniger belastbar als kleinere)
  • $K_\alpha$: der formzahlabhängige Größeneinflussfaktor wird nur eingesetzt, wenn experimentell ermittelte Kerbwirkungszahlen verwendet werden.
  • $K_O$: die Oberflächenrauheit des Bauteils (rauere Teile neigen stärker zu Rissbildung als glatte, weil die Täler der Oberfläche als Kerben wirken)
  • $K_V$: die Oberflächenverfestigung (verfestigte Oberflächen durch z. B. Kugelstrahlen stabilisieren das Bauteil)
  • $\beta_k$: die Kerbwirkung, die durch spannungserhöhende Kerben wie Nuten, Durchmessersprünge etc. verursacht wird; sie ist bei spröden Werkstoffen ausgeprägter als bei zähen.

Alle diese Werte werden aus Tabellen und Diagrammen, die beispielsweise im "Roloff/Matek - Maschinenelemente Tabellenbuch" zu finden sind, abgelesen oder aus weiteren Detailfaktoren errechnet.

Insbesondere in der Berechnung von Wellen und Achsen werden diese Faktoren intensiv verwendet.

Neben diesen Kennwerten gibt es weitere Umstände, die die Bauteilfestigkeit stark beeinflussen können: Hohe Temperaturen, aggressive Medien und sehr hohe oder niedrige Belastungsfrequenzen verringern die Wechselfestigkeit. Niedrige Temperaturen erhöhen sie, allerdings auch die Sprödbruchgefahr.

Kerbwirkung und Stützwirkung

Kerben an einem Bauteil, wie Übergänge, Nuten oder Bohrungen, verursachen eine ungleichmäßige Spannungsverteilung. Der Kraftfluss wird im Umfeld der Kerbe verdichtet, wodurch die lokale Spannungsspitze $\sigma_{max}$ deutlich höher werden kann als die für den an der gekerbten Stelle vorhandenen Querschnitt berechnete Nennspannung $\sigma_n$. Die Kerbformzahl gibt für den elastischen Bereich die festigkeitsmindernde Wirkung der Kerbe an:

$\alpha_k = \sigma_{max}/\sigma_n$

Je schärfer der Kerbgrund ist, desto größer wird $\alpha_k$. Weiterhin ist die Wirkung einer geometrisch gleichen Kerbe bei spröden Werkstoffen häufig größer als bei duktilen Werkstoffen. Bei duktilen Werkstoffen kann sogar die Kerbwirkung durch in unmittelbarer Nähe der Kerbe auftretende plastische Verformung die sogenannte "Stützwirkung" hervorrufen, bei der weiter von der Kerbe entfernte Querschnittsbereiche die Kerbspannung reduzieren indem sie einen größeren Teil der Last übernehmen, nachdem der Werkstoff in unmittelbarer Nähe der Kerbe nachgegeben hat.

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Die Kerbwirkungszahl $\beta_k = \sigma_D/\sigma_{G}$ gibt das Verhältnis der Dauerfestigkeit $\sigma_D$ ($\sigma_{W}$ oder $\sigma_{Sch}$) des glatten, polierten Probestabes zur Gestaltfestigkeit $\sigma_{G}$ ($\sigma_{GW}$ oder $\sigma_{GSch}$) eines gekerbten Probestabes an. Sie hängt von der Kerbformzahl $\alpha_k$ und der werkstoffabhängigen Stützzahl n ab. Die Stützzahl n wird wiederum aus Diagrammen z. B. nach FKM-Richtlinie oder DIN 743 abgelesen und ist dabei abhängig vom bezogenen Spannungsgefälle G', zu dessen Berechnung es ebenfalls Tabellen gibt.

Expertentipp

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Werte für $\beta_k$ liegen in der Praxis meist zwischen 1,2 für sanft gerundete Wellenübergänge und 3 für annähernd scharfkantige Nuten für Sicherungsringe.
Für gängige Konstellationen sollten die Werte für $\alpha_k$ und $\beta_k$ einfach in Tabellen nachgeschlagen werden. Wenn eine genaue Berechnung erforderlich ist können die einzelnen Schritte ebenfalls Tabellen entnommen werden.

Die Durchdringung mehrerer Kerben sollte vermieden werden, da deren kombinierte Wirkung hoch aber schwer berechenbar ist. Wenn eine Kerbe die Bauteilfestigkeit zu sehr schwächt sollten die Übergänge zum ungekerbten Querschnitt sanfter gestaltet oder in der Nähe eine Entlastungskerbe geschaffen werden.

Ermittlung der konkreten Gestaltfestigkeit

Die weiter oben ermittelte allgemeine Dauerfestigkeit $\sigma_D$ des Werkstoffes wird durch den nun bekannten Konstruktionsfaktor $K_D$ geteilt, um die für das spezifische Bauteil gültige Gestaltwechselfestigkeit (Bauteilwechselfestigkeit) zu erhalten:

$\sigma_G = \dfrac{\sigma_D}{K_D}$ bzw. $\tau_G = \dfrac{\tau_D}{K_D}$ sind die allgemeinen Gleichungen.

Für konkrete Fälle sind die jeweiligen Belastungsarten in den Indizes einzutragen, also beispielsweise für Gestaltwechselfestigkeit gegen wechselnde Biegung $\sigma_{bGW} = \dfrac{\sigma_{bW}}{K_{Db}}$ oder gegen schwellende Torsion $\tau_{tGSch} = \dfrac{\sigma_{tSch}}{K_{Dt}}$.

Gestaltdauerfestigkeit (Bauteildauerfestigkeit)

Um die Gestaltdauerfestigkeit zu berechnen, also die Festigkeit gegen Dauerbruch nachzuweisen, wird zunächst die vom Bauteil ohne Schwingbruch ertragbare Schwingungsamplitude, die Gestaltausschlagfestigkeit $\sigma_{GA}$ bzw. $\tau_{GA}$ ermittelt.

Welche Gleichung dafür zu verwenden ist hängt von der Veränderung des Schwingverlaufs bei Überlastung ab. Was sich bei Überlastung am Schwingspiel ändert ist konstruktiv bedingt. Zur Unterscheidung der "Überlastungsfälle" muss betrachtet werden, welche Parameter des Schwingspiels sich bei Überlast ändern und welche unabhängig von der Überlastung gleich bleiben.

Je nach vorliegendem Überlastungsfall wird im Smith-Diagramm die für diese konkrete Lage des Schwingspiels relevante Werkstoffdauerfestigkeit und Gestaltausschlagfestigkeit (Gestaltfestigkeit) mit einer unterschiedlichen Verschiebung von der vorhandenen Belastung aus abgelesen.

Die Fähigkeit eines Bauteils, Lastschwankungen zu ertragen, ist davon abhängig, auf welchem Spannungsniveau die Schwankungen erfolgen. Um das zu berücksichtigen ist in der Berechnung der Gestaltdauerfestigkeit die weiter oben beschriebene Mittelspannung $\sigma_m$ sowie die Mittelspannungsempfindlichkeit $\psi$ des Werkstoffes enthalten. Die vorher errechnete oder abgelesene Gestaltfestigkeit des Werkstoffes wird teilweise durch die Grundbelastung aufgebraucht, die Sicherheit gegen Dauerbruch mit der verbleibenden Gestaltausschlagfestigkeit geteilt durch die vorhandene Spannungsamplitude gerechnet.

Liegen mehrere verschiedenartige Mittelspannungen vor wird die Vergleichsmittelspannung nach den bekannten Hypothesen für mehrachsige Spannungszustände berechnet. Dabei sind alle Eingangsgrößen die jeweiligen Mittelspannungen: $\sigma_{mv} = \sqrt{{\sigma_{mres}}^2+3*{\tau_{mres}}^2}$ für die GEH, bei der NH wird analog vorgegangen. Die Schubmittelvergleichsspannung wird bei GEH und NH mit $\tau_{mv} = f_\tau * \sigma_{mv}$ errechnet, wobei $f_\tau$ wie schon an anderer Stelle erwähnt ein werkstoffabhängiger Tabellenwert ist und für Stahl 0,58 beträgt.

Überlastungsfall 1:

Die Mittelspannung $\sigma_m$ bleibt bei Änderungen der dynamischen Last konstant, die positiven und negativen Spannungsamplituden verändern sich proportional. Im Smith-Diagramm liegen die vorhandene Spannungsamplitude, die Gestaltausschlagfestigkeit und die Probenausschlagfestigkeit auf einer senkrechten Linie deren Mittelpunkt auf der Mittellinie des Smith-Diagramms liegt.

$\sigma_{GA} = \sigma_{GW} - \psi_\sigma * \sigma_{mv}$

$\tau_{GA} = \tau_{GW} - \psi_\tau * \tau_{mv}$

Überlastungsfall 2:

Wenn die dynamische Belastung sich ändert verändern sich die höchste und niedrigste Spannung proportional, das Spannungsverhältnis $\kappa$ bleibt konstant. Dieser Fall sollte auch angewendet werden, wenn kein anderer Fall eindeutig vorliegt.

$\sigma_{GA} = \dfrac{\sigma_{GW}}{1 + \psi_\sigma * \dfrac{\sigma_{mv}}{\sigma_a}}$

$\tau_{GA} = \dfrac{\tau_{GW}}{1 + \psi_\tau * \dfrac{\tau_{mv}}{\tau_a}}$

Überlastungsfall 3:

Die minimale Belastung $\sigma_u$ des Bauteils bleibt bei Änderung der dynamischen Belastung gleich.

$\sigma_{GA} = \dfrac{\sigma_{GW} - \psi_\sigma * (\sigma_{mv} - \sigma_a)}{1 + \psi_\sigma}$

$\tau_{GA} = \dfrac{\tau_{GW} - \psi_\tau * (\tau_{mv} - \tau_a)}{1 + \psi_\tau}$

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In allen vorgenannten Gleichungen werden die Spannungsindizes um die jeweils vorliegende Belastungsart ergänzt.

Die Werte für die Mittelspannungsempfindlichkeit $\psi$ werden wie folgt errechnet:

$\psi_\sigma = a_M * R_m + b_M$

$\psi_tau = f_\tau * \psi_\sigma$

$a_M$ und $b_M$ sind Werkstoffkennwerte, die in Tabellen nachgeschlagen werden können. Für Walzstahl gilt $a_M = 0,00035\ MPa$ und $b_M = -0,1\ MPa$.

Hinweis

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Die Berechnung der Gestaltdauerfestigkeit wird in abgewandelter Form beispielsweise für die Berechnung von Wellen und Achsen verwendet. Das grundsätzliche Verständnis der Zusammenhänge bei dynamischer Belastung ist der wichtigste Lernerfolg dieses Kapitels.

Expertentipp

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Die Einberechnung von Kerben oder auch Wellenabsätzen erfolgt in der Praxis nach unterschiedlichen Methoden. Hier ist eine Möglichkeit der Herangehensweise geschildert worden.

Ihr solltet gerade bei der Einbindung der Kerbwirkungen zunächst schauen, welches Prinzip Euer Prof hier nutzt und dann dessen spezielle Ausführungen nochmals gezielt bearbeiten. Hier kann nur auf die Problematik hingewiesen werden, eine tiefgründigere Bearbeitung ist nicht möglich, da sich die genutzten Berechnungsgrundlagen mitunter wesentlich voeneinander unterscheiden.

Für genauere Berechnungen kann auch die FKM-Richtlinie verwendet werden.

Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch:

Nachdem die Gestaltausschlagfestigkeit des Bauteils berechnet wurde kann mit den Größen der vorhandenen Spannungsamplituden die Gesamtsicherheit gegen Dauerbruch nach dem bekannten Schema zur Berechnung einer Gesamtsicherheit berechnet werden:

$S_D = \dfrac{1}{\sqrt{(\dfrac{\sigma_{a}}{\sigma_{GA}})^2+(\dfrac{\tau_{a}}{\tau_{GA}})^2}}$

Auch in dieser Gleichung werden allen Spannungen die jeweils zutreffenden Indizes für die Belastungsart vorangestellt, also beispielsweise $\dfrac{\sigma_{ba}}{\sigma_{bGA}}$

Auslegungsberechnung

Für die Auslegung dynamisch belasteter Teile kann die zulässige Spannung als $\sigma_D/S_{Dmin}$ aus den Werkstoffkennwerten für Dauerfestigkeit (wechselnd oder schwellend) und einer Entwurfssicherheit berechnet werden. Aufgrund der zahlreichen noch nicht berücksichtigten Einflüsse wird $S_{Dmin} = 3 ... 4$ eingesetzt. Der mit dieser zulässigen Spannung errechnete Querschnitt ist der Nennquerschnitt ohne Reduktion durch Kerben. Mit diesem Querschnitt kann das Bauteil entworfen werden, dessen Festigkeit nach weiterer Detaillierung dann ausführlich nachzuweisen ist.