Inhaltsverzeichnis
In diesem Abschnitt wird das Newtonsche Grundgesetz auf ein System von $n$ Massenpunkten erweitert, welche sich innerhalb eines abgeschlossenen Bereichs im Raum befinden (siehe untere Grafik). Die einzelnen Massenpunkte $m_i$ besitzen beliebige Bindungen untereinander.
In der obigen Grafik ist ein Massenpunktsystem, welches sich innerhalb eines geschlossenen Bereichs (Systemgrenze) befindet. Es besteht aus $n = 4$ Massenpunkten $m_i$ ($i = 1, ... , n$). Auf die einzelnen Massenpunkte $m_i$ wirken zum einen äußere Kräfte $F_i$ und zum anderen innere Kräfte $ f_i$:
In der obigen Grafik sind die beliebigen Bindungen gelöst und an ihrer Stelle die inneren Kräfte (grün) eingezeichnet worden. Die äußeren Kräfte auf die Massenpunkte sind zur besseren Übersicht in blau eingezeichnet. Es soll nun der Massenpunkt $m_i$ betrachtet werden, welcher sich innerhalb des Massenpunktsystems befindet.
Die äußeren Kräfte sind die bereits bekannten eingeprägten Kräfte $F^e$ und die Zwangskräfte $F^z$. In der obigen Grafik sind dies die äußere Kraft $F$, die an den Massenpunkt $m_i$ angreift und die Gewichtskraft $G$. Die Summe aus diesen äußeren Kräften die an dem Massenpunkt $m_i$ angreifen, sollen im weiteren mit $F_i$ bezeichnet werden.
Merke
Demnach ist $F_i$ die Resultierende aller äußeren Kräfte die an den Massenpunkt $m_i$ angreifen.
Die inneren Kräfte (grün), die an den Massenpunkt $m_i$ angreifen, werden durch Lösen der Bindungen sichtbar gemacht. Dabei ist $f_i$ die Summe aus allen inneren Kräfte an diesen Massenpunkt. Die Summe aller grün eingezeichneten Kräfte die am Massenpunkt $m_i$ angreifen, werden im weiteren mit $f_i$ bezeichnet.
Merke
Demnach ist $f_i$ die Resultierende aller inneren Kräfte die an den Massenpunkt $m_i$ angreifen.
Newtonsche Grundgesetz des Massenpunktsystems
Das Newtonsche Grundgesetz für einen Massenpunkt ergibt sich zu:
$ F = ma$
Das Newtonsche Grundgesetz für einen Massenpunkt $m_i$ eines Massenpunktsystem ergibt sich zu:
Methode
$F_i + f_i = m_i a_i$
Die obige Formel bedeutet, dass die Resultierende der äußeren Kräfte $F_i$ addiert mit der Resultierenden der inneren Kräfte $f_i$ des Massenpunktes gleich der Masse $m_i$ des Massenpunktes mal der Beschleunigung $a_i$ des Massenpunktes ist.
Video: Newtonsche Grundgesetz für einen Massenpunkt eines Massenpunktsystems
Newtonsche Grundgesetz für das Massenpunktsystem
Das Newtonsche Grundgesetz auf das gesamte Massenpunktsystem mit $m_i$ ($i = 1,...,n$) Massenpunkten ergibt sich zu:
Methode
$\sum _i F_i + \sum_i f_i = \sum m_i a_i$
In dieser Formel werden nun die einzelnen Newtonschen Grundgesetze jedes einzelnen Massenpunktes miteinander addiert, um dann auf die Bewegung des Massenpunktsystems zu schließen. Das Summenzeichen $\sum$ zeigt also die Addition der Resultierenden äußeren und inneren Kräfte jedes einzelnen Massenpunktes an.
Da die Resultierende der inneren Kräfte $f_i$ eines Massenpunktes $m_i$ aus den Resultierenden der äußeren Kräften der anderen Massenpunkte bestimmt wird, heben sich die Resultierenden der inneren Kräfte gegenseitig auf, wenn alle Massenpunkte des Massenpunktsystem betrachtet werden. Es bleibt demnach nur die Summe der Resultierenden der äußeren Kräfte übrig. Das Newtonsche Grundgesetz für das Massenpunktsystem ergibt sich zu:
Methode
$\sum _i F_i = \sum m_i a_i$
mit
$\sum F_i$ = Summe der Resultierenden der äußeren Kräfte
Schwerpunktsatz
Es wird nun der Orstvektor $r_S$ des Massenmittelpunktes bzw. Schwerpunktes $S$ des Systems eingeführt:
Methode
$r_S = \frac{1}{m} \sum m_i r_i$ Lage des Massenmittelpunktes
mit
$m = \sum m_i$
Umformen führt zu:
$mr_S = \sum m_i r_i$
mit $m$ als Gesamtmasse des Systems ($m = \sum m_i$).
Durch zweimaliges Ableiten erhält man dann:
$m\ddot{r}_S = \sum m_i \ddot{r}_i$
Und mit $\ddot{r} = a$ ergibt sich:
$ma_S = \sum m_i a_i$
Es gilt $\sum _i F_i = \sum m_i a_i$ und damit:
Methode
$ma_S = \sum_i F_i$ Massenmittelpunktsatz
Die obige Bewegungsgleichung stellt den Massenmittelpunktsatz (oder: Schwerpunktsatz) dar. Man sieht deutlich, dass die inneren Kräfte $f_i$ keinen Einfluss auf die Bewegung $a_S$ des Schwerpunktes $S$ haben.
Der Massenmittelpunktsatz besagt, dass die Summe der Resultierenden aller äußeren Kräfte $\sum F_i$ auf das Massenpunktsystem gleich der Gesamtmasse $m$ aller Massenpunkten multipliziert mit der Beschleunigung $a_S$ seines Schwerpunktes $S$ ist.
Merke
Massenmittelpunktsatz: Der Massenschwerpunkt $S$ eines Systems von $n$-Massen bewegt sich so, als ob die Gesamtmasse $m = \sum_i m_i$ in ihm vereinigt wäre und dort alle äußeren Kräfte angreifen würden.
Komponentendarstellung:
Die Komponentendarstellung für die Lage des Massenmittelpunktes im Raum ist:
$x_s = \frac{\sum m_i x_i}{\sum m_i}$
$y_s = \frac{\sum m_i y_i}{\sum m_i}$
$z_s = \frac{\sum m_i z_i}{\sum m_i}$
Für den Massenmittelpunktssatz gilt:
$ma_{{x}_{s}} = \sum F_{{x}_{i}}$
$ma_{{y}_{s}} = \sum F_{{y}_{i}}$
$ma_{{z}_{s}} = \sum F_{{z}_{i}}$
Beispiel: Kinematische Bindungen / Newtonsches Grundgesetz
Beispiel
Gegeben seien die obigen zwei Gewichte, welche mit einem Seil miteinander verbunden sind. Der Klotz $A$ (20 kg) wird aus der Ruheposition losgelassen. Das Seil und auch die Rollen seien massenlos. Wie groß ist die Beschleunigung des Klotzes B (5 kg)?
Zunächst wird das Freikörperbild gezeichnet:
In dem obigen Freikörperbild sind die Seilkräfte $S_1$ bis $S_3$ durch freischneiden des Seils angebracht worden. Dabei ist das Seil, welches die rechte Rolle hält unerheblich für die Berechnung, da dieses Seil immer konstant bleibt. Genau so sieht es auch mit dem Seil aus, an welchem das Gewicht $A$ hängt. Für die Bewegungsrichtung der einzelnen Gewichte $A$ und $B$ ist angenommen worden, dass sich $A$ nach unten bewegt und damit $B$ nach oben.
Wenn die postitve $x$-Achse nach unten gerichtet angenommen wird, folgt daraus, dass die Beschleunigung $a_A$ nach unten gerichtet und die Beschleunigung $a_B$ nach oben gerichtet ist. Das Newtonsche Grundgesetz lautet allgemein:
$ F = ma$
Die Masse $A$ bewegt sich hierbei in postive $x$-Richtung:
$A - S_1 - S_2 = m_A a_A$
Die Masse $B$ bewegt sich hierbei in negative $x$-Richtung:
$B - S_3 = -m_B a_B$
Aufgrund der massenlosen Seile gilt:
$S_1 = S_2 = S_3 = S$
Eingesetzt ergibt sich:
$A - 2S = m_A a_A$
$B - S = -m_B a_B$
Es muss als nächstes noch die kinematische Bindung berücksichtigt werden. Das Seil führt dazu, dass sich die beiden Gewichte nicht unabhängig voneinander bewegen. Wenn sich $A$ nach unten bewegt, dann bewegt sich $B$ nach oben und andersherum. Die Bewegungen sind also voneinander abhängig. Um zu zeigen, wie die Abhängigkeit gegeben ist, soll die folgende Grafik betrachtet werden:
In der obigen Grafik wird beispielhaft gezeigt, dass wenn sich das Gewicht $B$ um 2 cm nach oben verschiebt, dann verschiebt sich das Gewicht $A$ um 1 cm nach unten. Grund dafür sind die beiden Seilstücke rechts und links von der linken Rolle. Die 2 cm Seilverschiebung nach oben bei Gewicht $B$ verteilen sich auf die beiden Seilstücke rechts und links von der linken Rolle.
Die kinematische Beziehung lautet demnach:
$x_A = \frac{1}{2} x_B$
Und damit gilt auch;
$\dot{x_A} = \frac{1}{2} \dot{x_B}\; \rightarrow v_A = \frac{1}{2} v_B$
$\ddot{x_A} = \frac{1}{2} \ddot{x_B} \; \rightarrow a_A = \frac{1}{2} a_B$
Es wird nun $A - 2S = m_A a_A$ und $B - S = -m_B a_B$ nach $a_A$ und $a_B$ aufgelöst und den kinematischen Zusammenhang eingesetzt:
$a_A = \frac{A - 2S}{m_A}$ $a_B = -\frac{B - S}{m_B}$
$ \frac{A - 2S}{m_A} = -\frac{1}{2} (\frac{B - S}{m_B}$)
Einsetzen von $A = m_A \cdot g$ und $B = m_b \cdot g$:
$ \frac{m_A \cdot g - 2S}{m_A} = -\frac{1}{2} (\frac{m_B \cdot g - S}{m_B})$
Schritt für Schritt nach $S$ auflösen:
$ \frac{m_A \cdot g}{m_A} - \frac{2S}{m_A} = -\frac{m_B \cdot g}{2m_B} + \frac{S}{2m_B}$
$ g - \frac{2S}{m_A} = -\frac{g}{2} + \frac{S}{2m_B}$
$ g + \frac{g}{2} = \frac{S}{2m_B} + \frac{2S}{m_A}$
$ 1,5 g = S (\frac{1}{2m_B} + \frac{2}{m_A})$
$S = \frac{1,5 g }{\frac{1}{2m_B} + \frac{2}{m_A}} $
Einsetzen der Werte:
$S = \frac{1,5 \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} }{\frac{1}{2 \cdot 5 kg} + \frac{2}{20 kg}} $
$S = \frac{1,5 \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} }{0,1 \frac{1}{kg} + 0,1 \frac{1 }{kg}} $
$S = 73,575 N$
Mittels der Seilkraft $S$ kann nun die Beschleunigung bestimmt werden:
$a_A = \frac{A - 2S}{m_A} = \frac{20 kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} - 2 \cdot 73,575 N}{20 kg} = 2,4525 \frac{m}{s^2}$
$a_B = -\frac{B - S}{m_B} = -\frac{5 kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} - 73,575 N}{5 kg} = 4,905 \frac{m}{s^2}$
Es ist also deutlich zu erkennen, dass die Beschleunigung vom Gewicht $B$ doppelt so groß ist, wie die Beschleunigung vom Gewicht $A$. Bereits zu Anfang wurde die Richtung von Klotz $A$ nach unten und von Klotz $B$ nach oben angenommen wurde. Da nun die beiden Beschleunigungen positiv sind, ist dies der Fall der auch so eintreten wird.
Nimmt man nun an, dass Klotz $A$ eine Masse von $m_A = 5 kg$ besitzt und Klotz $B$ eine Masse von $m_B = 20 kg$, so ergibt sich:
$S = \frac{1,5 \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} }{\frac{1}{2m_B} + \frac{2}{m_A}} = 34,62 N$
$a_A = \frac{A - 2S}{m_A} = \frac{5kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} - 2 \cdot 34,62 N}{5kg} = -4,038 \frac{m}{s^2}$
$a_B = -\frac{B - S}{m_B} = -\frac{20 kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} - 34,62 N}{20 kg} = -8,079 \frac{m}{s^2}$
Man sieht nun das beide Beschleunigungen negativ werden. Grund dafür ist, dass die angenommenen Richtungen der Klötze $A$ und $B$ nun nicht mehr gegeben sind. Der Klotz $A$ bewegt sich nun nach oben und der Klotz $B$ nach unten. Der kinematische Zusammenhang bleibt natürlich bestehen.
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