Inhaltsverzeichnis
In diesem Abschnitt soll die einachsige Querkraftbiegung veranschaulicht werden. Im Gegensatz zur reinen Biegung wirkt bei der Querkraftbiegung eine äußere Querkraft auf den Balken. Die Belastung findet in der $x,z$-Ebene statt. Das bedeutet, dass ein Moment um die $y$-Achse auftritt und zusätzlich eine Querkraft berücksichtigt werden muss.
Bei der Querkraftbiegung ist im Gegensatz zur reinen Biegung das Schnittmoment nicht konstant und somit veränderlich.
Aus der Statik ist bekannt, dass $M'(x) = Q(x) $ und daher gilt hier:
Methode
$M \not= const \; \rightarrow \; M'(x) \not= 0 \; \rightarrow \; Q(x) \not= 0$.
Es liegen nun zwei Schnittreaktionen vor:
1. Biegemoment,
2. Querkraft
und infolgedessen kommt es auch zum Auftreten von Schubspannungen $\tau$ im Querschnitt.
Analog zu den Normalspannungen $\sigma$, welche senkrecht zur Schnittebene steht, treten Schubspannungen $\tau$ tangential zur Schnittebene auf:
Für die Bezeichnung der Schubspannung $\tau_{xz}$ gilt folgende Vereinbarung:
- Der erste Index bezeichnet die Koordinate, die normal zur Querschnittsfläche steht (hier: $x$).
- Der zweite Index bezeichnet die Richtung, in welche die Schubspannung verläuft (hier: $z$).
Die Schubspannungen haben die folgende Eigenschaft:
1. Nicht gleichförmig über den Querschnitt verteilt.
2. Am oberen Rand gleich null.
3. Am unteren Rand gleich null.
4. Am Rand existiert keine äußere Schubbelastung.
5. Das Maximum der Schubspannung findet sich im Bereich der neutralen Faser.
6. Verändert sich die Schubspannung, so muss sich auch die Gleitung ändern [Hookesches Gesetz].
Vertiefung
Hookesches Gesetz der Schubbeanspruchung
$\tau = G \cdot \gamma$ Hookesche Gesetz für Schubbeanspruchung
mit
$\tau$ Schubspannung
$\gamma$ Gleitwinkel
$G$ Schubmodul
7. Infolge der Schubspannungen kommt es zur Querschnittswölbung im Zusammenhang mit der Querkraftbiegung.
Hinweis
Der siebte Punkt birgt jedoch ein Problem. Er besagt, dass die Bernoullische Hypothese nicht mehr gilt, wodurch es sehr kompliziert wird, die Gleitung zu berechnen. Daher wird weiterhin angenommen, dass bei der Querkraftbiegung die Querschnitte eben bleiben.
Dehnung
Die Dehnung in $x$-Richtung infolge des Biegemoments äußert sich formal durch:
$\epsilon_x = \frac{\partial u}{\partial x }$
$ u = \text{Verschiebung in x-Richtung} $
Der Zusammenhang zwischen der Verschiebung $u$ und der Drehung des Querschnitts ist gegeben durch:
$ u = \varphi \cdot z $
$\varphi = \text{Neigungswinkel} $
Setzt man nun den Term für $u$ ein, so erhält man für die Dehnung:
Methode
$\epsilon_x = \frac{\partial u}{\partial x } = z \frac{\partial \varphi}{\partial x } = z \varphi' $ Dehnung
Verschiebung
Die Verschiebung in $z$-Richtung, also die Absenkung des Balkens, wird durch $ w $ ausgedrückt. Es wird angenommen, dass alle Elemente des Balkenquerschnitts eine identische Verschiebung $ w $ erfahren. Diese Annahme wird schließlich in der Schubverformung berücksichtigt. Wie bereits bekannt ist, wirken Verschiebungen immer in zwei Koordinatenrichtungen, daher gilt:
$\gamma = \gamma_{xz} = \frac{\partial w}{\partial x} + \frac{\partial u }{\partial z} $
Fasst man diese Gleichung erneut zusammen, erhält man für die Schubverformung:
Methode
$\gamma = w' + \varphi $ Schubverformung
Beachtet man die kinematischen Zusammenhänge und das Hookesche Gesetz, so lässt sich die Normal- und Schubspannung letztlich formulieren durch:
Methode
$\sigma_x = E \epsilon_x = E \varphi' z $ Normalspannung
$\tau = G\gamma_{xz} = G(w' + \varphi) $ Schubspannung
Normalspannung
Um nun die Normalspannungen bei Querkraftbiegung aus den Schnittgrößen bestimmen zu können, betrachtet man das Biegemoment $M_y$. Auch hier gilt (wie bereits im Abschnitt über die reine Biegung aufgeführt):
$M_y = \int \sigma_x \cdot z \; dA$
Einsetzen der Gleichung $\sigma_x = E \varphi' z $
$M_y = \int E \varphi' z^2 \; dA$
Ausgehend von einem konstanten E-Modul ergibt sich dann:
$M_y = E \int \varphi' z^2 \; dA$
Mit $I_y = z^2 \; dA$:
$M_y = E \varphi' I_y$
Diese Gleichung nach $E \varphi'$ auflösen und einsetzen in die Gleichung $\sigma_x = E \varphi' z $ :
Methode
$\sigma_x = \frac{M_y}{I_y} z $ Normalspannung bei einachsiger Querkraftbiegung
Es ergibt sich die gleiche Beziehung wie bei der reinen Biegung.
Schubspannungen
Der Unterschied zur reinen Biegung liegt darin, dass zusätzlich Schubspannungen auftreten. Es soll hierbei auf die Herleitung verzichtet werden und nur die Formel für die Berechnung der Schubspannung aufgeführt werden. Die Schubspannung an einer Stelle $z$ ergibt sich dann zu:
Methode
$\tau(z) = \frac{Q_z}{b{z} \cdot I_y} \int_z^{z_{max}} \eta b(\eta) d\eta$
mit
$Q(z)$ Querkraft, aus Schnitt am Bauteil ermittelt
$b(z)$ Breite des Balkens, für konstante Breite ergibt sich: $b = const$.
$I_y$ Flächenträgheitsmoment bezüglich der $y$-Achse
$\eta$ Hilfskoordinate, für die Integration von beliebigen $z$ zum unteren Rand des Querschnittsprofils $z_{max}$.
$b(\eta)$ Breite des Balkens von $z$ bis $z_{max}$.
Die maximale Schubspannung befindet sich in der Profilmitte bei $z = 0$. Das bedeutet also:
Methode
$\tau_{max} = \frac{Q_z}{b{z} \cdot I_y} \int_{z = 0}^{z_{max}} \eta b(\eta) d\eta$
Die Schubspannung wird im Allgemeinen gegenüber der Normalspannung $\sigma$ vernachlässigt. Erst bei extrem kurzen Balken, wenn die Abmessungen von Balkenhöhe und Balkenlänge gleich werden, erreicht die Schubspannung die Größenordnung der Normalspannung.
Im Folgenden wird ein Beispiel zur Querkraftbiegung aufgeführt und aufgezeigt, wie die Normal- und Schubspannung berechnet wird.
Beispiel: Berechnung der Normal- und Schubspannung bei Querkraftbiegung
Beispiel
Gegeben sei der obige Balken mit rechteckigem Querschnitt. Auf den Balken wirkt am Ende eine Kraft von $F = 150 N$.
Bestimme die maximale Normalspannung und die maximale Schubspannung für den Schnitt bei $x = 3m$.
Bestimmung der Auflagerreaktionen
Zunächst werden die Auflagerreaktionen bestimmt, indem der Balken von außen freigeschnitten wird:
Es werden die drei Gleichgewichtsbedingungen der Ebene angewandt:
$\uparrow : A_v - F = 0$
$A_v = F = 150 N$
$\rightarrow: A_h = 0$
$\curvearrowleft: M_A - F \cdot 10m = 0$
$M_A = 150 N \cdot 10 m = 1.500 Nm$.
Zusammenfassend:
$A_v = 150 N$
$A_h = 0$
$M_A = 1.500 Nm$
Schnittgrößen bestimmen
Der Schnitt soll laut Aufgabenstellung an der Stelle $x = 3m$ durchgeführt werden. Es wird im Weiteren das linke Schnittufer betrachtet:
An dem linken Schnittufer zeigen die Kräfte in positive Achsenrichtung. Die Normalkraft zeigt in positive $x$-Richtung, die Querkraft in positive $z$-Richtung und das Moment erfolgt in einer Linksdrehung (positive Drehrichtung) um die $y$-Achse.
Es können nun die Schnittgrößen mittels Gleichgewichtsbedingungen bestimmt werden:
$\uparrow: -Q + A_v = 0$
$Q = A_v = 150N$
$\rightarrow: N = 0$
$\curvearrowleft : M + M_A - A_v \cdot 3m = 0$
$M = -M_A + A_v \cdot 3m $
$M = -1.500 Nm + 150 N \cdot 3m = -1.050 Nm$.
Das Biegemoment ist nicht über den gesamten Balken konstant. Es ist abhängig davon, wo der Schnitt durchgeführt ist. Je weiter der Schnitt rechts liegt, desto größer ist das Biegemoment. Dies wird deutlich an der Auflagerkraft $A_v$, dessen Hebelarm vom Schnitt abhängig ist. Außerdem treten Querkräfte auf. Die allgemeine Gleichung für das Biegemoment über den gesamten Balken ist:
Methode
$M = -1.500 Nm + 150 N \cdot x$ Biegemomentverlauf
Aus der 1. Ableitung des Biegemoments nach $x$, kann die Querkraft berechnet werden:
Methode
$\frac{dM}{dx} = Q = 150 N$.
Die Ouerkraft $Q$ ist im gesamten Balken konstant, also unabhängig von $x$.
Maximale Normalspannung
Nachdem nun die Schnittgrößen bestimmt worden sind, können als nächstes die dort auftretenden Normalspannungen und Schubspannungen bestimmt werden.
Die Normalspannung bei einachsiger Querkraftbiegung an einer bestimmten Stelle $z$ im Querschnitt wird bestimmt durch:
$\sigma_x = \frac{M_y}{I_y} \cdot z$ Normalspannung
Zur Berechnung muss noch das Flächenträgheitsmoment herangezogen werden. Für einen rechteckigen Querschnitt ergibt sich allgemein:
$I_y = \frac{0,25 \cdot 0,75^3}{12} = 0,00879 m^4$
Außerdem muss für die maximale Normalspannung der größte Abstand von der neutralen Faser (verläuft durch den Schwerpunkt) hin zum Rand berücksichtigt werden. Da der Schwerpunkt mittig liegt, ist der Abstand von der neutralen Faser zum oberen und unteren Rand gleich. Dieser liegt bei $z_{max} = 0,375 m$. Maximum und Minimum stimmen demnach überein. Das Biegemoment ist am Schnitt $x = 3$ gegeben zu $M = -1.050 Nm$.
$\sigma_x = \frac{-1.050 Nm}{0,00879 m^4} \cdot \pm 0,375 m$
$\sigma_{x;min} = -44.795 \frac{N}{m^2}$
$\sigma_{x;max} = 44.795 \frac{N}{m^2}$
Maximale Schubspannung
Als Nächstes soll die maximale Schubspannung bestimmt werden. Die Gleichung für die Schubspannung an einer bestimmten Stelle $z$ im Querschnitt lautet:
Methode
$\tau(z) = \frac{Q_z}{b{z} \cdot I_y} \int_z^{z_{max}} \eta b(\eta) d\eta$ Schubspannung
Dabei ist $Q_z$ die bereits errechnete Querkraft:
$Q = 150 N$.
Das Flächenträgheitsmoment bezüglich der $y$-Achse ist ebenfalls bekannt:
$I_y = \frac{0,25 \cdot 0,75^3}{12} = 0,00879 m^4$
$b(z)$ ist die Breite des Querschnitts. Die Breite ändert sich in $z$-Richtung nicht, d. h. diese ist für den betrachteten Querschnitt konstant, also $b(z) = b = 0,25m$.
Es muss nun noch die Integration stattfinden. Integriert wird grundsätzlich von $z$ bis $z_{max}$. Dabei ist $z$ die aktuelle Koordinate, für welche die Schubspannung bestimmt werden soll. Wir wollen hier die maximale Schubspannung bestimmen. Aus dem obigen Text wissen wir, dass das Maximum der Schubspannung auf der Profilmittellinie liegt. Bei dem gegebenen Koordinatensystem (im Schwerpunkt des Profils) liegt die maximale Schubspannung also bei $z = 0$. Wir haben also unsere aktuelle $z$-Koordinate gegeben. Die obere Grenze des Integrals $z_{max}$ ist dabei der Abstand von der aktuellen $z$-Koordinate bis zum unteren Rand des Profils. Wir beginnen also bei $z = 0$ (im Koordinatenursprung) und gehen $\frac{0,75m}{2}$ in positive $z$-Richtung bis zum unteren Rand. Demnach ist $z_{max} = 0,375m$:
$\tau(z) = \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \int_0^{0,375m} b(\eta) \cdot \eta \; d\eta$
Die Breite $b(\eta)$ ist genau der Bereich von $z$ bis $z_{max}$. Wir betrachten also die Breite von $z = 0$ bis zum unteren Rand und stellen fest, dass die Breite konstant ist mit $b(\eta) = 0,25m$:
$\tau(z) = \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \int_0^{0,375m} 0,25m \cdot \eta \; d\eta$
Integrieren führt zu:
$\tau_{max} = \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \cdot 0,25m \cdot [ \frac{1}{2}\eta^2]_0^{0,375m}$
$\tau_{max} = \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \cdot 0,25m \cdot [\frac{1}{2}(0,375 m)^2 - \frac{1}{2}0^2]$
$\tau_{max}= \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \cdot 0,25m \cdot \frac{1}{2}(0,375 m)^2$
$\tau_{max} = \frac{150 N}{0,25m \cdot 0,00879 m^4} \cdot 0,0176 m^3$
$\tau_{max}= 1.201,37 \frac{N}{m^2}$
Wir sehen hier also ganz deutlich, dass die maximale Normalspannung $\sigma_{max}$ 37-Fach höher liegt als die maximale Schubspannung $\tau_{max}$.
Merke
Deswegen werden bei schlanken langen Balken, bei denen die Querschnittsabmessungen sehr viel kleiner sind als die Längsabmessungen, die Schubspannungen bei der Berechnung vernachlässigt.
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