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Baustatik 1 - Thermische Dehnung / Gesamtdehnung

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Baustatik 1

Thermische Dehnung / Gesamtdehnung

Ähnlich wie bei einer Belastung durch eine äußere Zugkraft, dehnt sich ein Körper unter Wärmeeinfluss aus. Alle Stoffe ändern ihr Volumen in Abhängigkeit von der Temperatur. Üblicherweise dehnt sich ein Körper beim Erwärmen in alle Richtungen gleich aus (es gibt Ausnahmen). Mittels Experimenten hat man herausgefunden, dass bei gleichförmiger Erwärmung von Stäben, die thermische Dehnung $\epsilon_{th}$ proportional zur Temperaturänderung $\triangle T$ steht:

Methode

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$\epsilon_{th} = \alpha_{th}\; \triangle T $                               Thermische Dehnung

mit

$\epsilon_{th} \rightarrow $ Thermische Dehnung

$\alpha_{th} \rightarrow $ Thermischer Ausdehnungskoeffizient [in $\frac{1}{K}$]

$\triangle T \rightarrow $ Temperaturdifferenz in Bezug auf die Ausgangstemperatur $ T_0 $ in K

Der thermische Ausdehnungskoeffizient $\alpha_{th}$ ist eine Werkstoffkonstante und wird in der Einheit $\frac{1}{K} $ angegeben. In der nachfolgenden Tabelle finden sich einige Wärmedehnungskoeffizienten für verschiedene Werkstoffe:

MaterialbezeichnungE-Modul in kN/mm²$\alpha_{th}$ [1/K]
Ferritischer Stahl21012 . 10-6
Kupfer13016 . 10-6
Blei1926 . 10-6
Glas700,1 . 10-6 - 9,0 . 10-6
Beton22-451 . 10-6

Thermische Dehnungen sind reversibel, d. h. nach Rückkehr zur Ausgangstemperatur verschwinden die thermischen Verformungen wieder. Ist allerdings der betrachtete Werkstoff beim Erwärmen behindert, z. B. durch Auflager, so können sich die thermischen Verformungen nicht ungehindert ausbreiten. Dies führt dazu, dass thermische Spannungen hervorgerufen werden. Diese Wärmespannungen bewirken mechanische Verformungen, d. h. elastische oder plastische Dehnungen.

Im Weiteren wird davon ausgegangen, dass es sich um rein-elastische (keine plastischen) Verformungen $\epsilon$ handelt, für die das Hookesche Gesetz gilt. Das bedeutet also, dass zusätzlich zu den Wärmedehnungen $\epsilon_{th}$ noch die bereits bekannten elastischen Dehnungen $\epsilon_N = \frac{\sigma}{E}$ auftreten, sobald der Werkstoff behindert wird.

Thermische Dehnungsbehinderung

Liegt nun eine Dehnungsbehinderung des Werkstoffes bei der Erwärmung vor, so muss neben der Wärmedehnung die elastische Dehnung berücksichtigt werden. Man kann dann die Gesamtdehnung durch Addition der beiden Anteile ermitteln:

$\epsilon =  \epsilon_N + \epsilon_{th}$   


Es ergibt sich mit

$\epsilon_{th} =  \alpha_{th} \cdot \triangle T$

$\epsilon_N =  \frac{\sigma}{E}$

 

die folgende Gesamtdehnung:

Methode

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$\epsilon = \frac{\sigma}{E} + \alpha_{th} \cdot \triangle T$           Gesamtdehnung

 

Setzen wir nun $\sigma = \frac{N}{A}$ ein, so erhalten wir:

Methode

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$\epsilon = \frac{N}{EA} + \alpha_{th} \cdot \triangle T$                 Gesamtdehnung

Hierbei ist $EA$ die Dehnsteifigkeit. Diese Formulierung gilt für die freie Querkontraktion des Querschnitts.


Es ist zudem möglich die Spannung $\sigma$ durch Umstellen und Auflösen zu ermitteln, wenn die anderen Faktoren gegeben sind. Es ergibt sich:

Methode

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$\sigma = E(\epsilon - \alpha_{th} \cdot \triangle T) $                    Spannung bei Wärmedehnungen


Aus der Gleichung wird deutlich, dass sich die Spannung um den thermischen Anteil vermindert.

 

Hinweis

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Unbehinderte Wärmedehnungen bestehen ausschließlich aus einem thermischen Anteil $\epsilon_{ges} = \epsilon_{th} = \alpha_{th} \cdot \triangle T$. Eine Spannung tritt infolgedessen nicht mehr auf.  Erst wenn der Werkstoff einer Behinderung unterliegt, muss die elastische Dehnung zusätzlich berücksichtigt werden $\epsilon_{ges} = \alpha_{th} \cdot \triangle T + \frac{\sigma}{E}$.

Beispiel: Wärmedehnungen

Wärmedehnungen am Zugstab Beispiel

 

Beispiel

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Gegeben sei der oben abgebildete Stab aus ferritischem Stahl, welcher durch die Kraft $F$ und die Temperaturänderung $T_0$ belastet wird.

Gegeben: $L = 2m$, $A = 10 cm^2$, $E = 210.000 \frac{N}{mm^2}$, $\alpha_{th} = 12 \cdot 10^{-6} \frac{1}{K}$, $F = 2.000 N$, $\triangle T_0 = 25 K$.

Wie groß ist die Längenänderung $\triangle l$ des Stabes?

Die Längenänderung $\triangle l$ des Stabes bestimmt sich aus der Gleichung:

$\epsilon = \frac{\triangle l}{l_0}$  

 

Umstellen nach $\triangle l$ ((Hier: $L = l_0$):

$\triangle l = \epsilon \cdot L$ 

 

Um die Längenänderung zu bestimmen, muss die Dehnung zunächst berechnet werden. Diese ergibt sich zu:

$\epsilon_{ges} = \frac{\sigma}{E} + \alpha_{th}\cdot \triangle T$ 

 

Die Temperatur steigt mit zunehmendem $x$ linear an, bis sie ihr Maximum bei $x = L$ erreicht hat. Um den Temperaturverlauf zu bestimmen, muss die Gerade (blau) bestimmt werden:

Wärmedehnungen Beispiel

 


Die Steigung $m$ ist: $L$ nach rechts und $\triangle T_0$ nach oben

$m = \frac{\triangle T_0}{L}$

 

Die allgemeine Geradengleichung ergibt sich zu:

$f(x) = mx + b$    wobei $m$ die Steigung und $b$ den Beginn auf der Ordinate darstellt.

 

In diesem Fall:

$\triangle T(x) = \frac{T_0}{L} \cdot x + 0$

Methode

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$\triangle T(x) = \frac{T_0}{L} \cdot x$


Da nun der Temperaturverlauf gegeben ist, kann dieser in die Gleichung für die Gesamtdehnung eingesetzt werden:

$\epsilon_{ges} = \frac{\sigma}{E} + \alpha_{th} \cdot \frac{T_0}{L} \cdot x$

 

Als Nächstes wird die Normalspannung $\sigma = \frac{N}{A}$ bestimmt, indem der Stab geschnitten wird:

Wärmedehnungen Schnittgrößen Normalkraft
Normalkraft


Die Normalkraft $N$ kann entweder anhand des rechten oder des linken Stabelements berechnet werden. Da die Auflagergrößen für die Einspannung nicht bekannt sind, wird die rechte Seite zur Berechnung verwendet:

$\rightarrow: -N + F = 0 \; N = F$

Die Spannung bestimmt sich also zu:

$\sigma = \frac{N}{A} = \frac{F}{A} = \frac{2.000 N}{0,001 m^2} = 2.000.000 N/m^2$

 

Eingesetzt in die Gleichung für die Gesamtdehnung:

$\epsilon_{ges} = \frac{2.000.000 N/m^2}{E} + \alpha_{th} \cdot \frac{T_0}{L} \cdot x$

 

Alle übrigen bekannten Werte einsetzen (Achtung: Umrechnung von $N/mm^2$ in $N/m^2$):

$\epsilon_{ges} = \frac{2.000.000 N/m^2}{\frac{210.000 N/m^2}{1,0 \cdot 10^{-6}}} + 12 \cdot 10^{-6} \frac{1}{K} \cdot \frac{25 K}{2 m} \cdot x$

$\epsilon_{ges} = 9,524 \cdot 10^{-6} + 0,00015 \frac{1}{m} \cdot x$.

 

Es ergibt sich also eine Dehnung, welche abhängig von $x$ ist (örtliche Dehnung):

Methode

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$\triangle l = u(l) - u(0) = \int_0^l \epsilon(x) \; dx$

Einsetzen der Dehnung in die Formel:

$\triangle l = \int_0^l (9,524 \cdot 10^{-6} + 0,00015 \frac{1}{m} \cdot x) \; dx$

 

Integration:

$\triangle l = [9,524 \cdot 10^{-6} x + 0,00015 \frac{1}{m} \frac{1}{2} x^2]_0^L$

 

$\triangle l = 9,524 \cdot 10^{-6} \cdot L + 0,00015 \frac{1}{m} \frac{1}{2} L^2$

 

Einsetzen von $L = 2m$:

$\triangle l = 9,524 \cdot 10^{-6} \cdot 2m + 0,00015 \frac{1}{m} \frac{1}{2} (2m)^2$

$\triangle l = 0,000319 m$

 

Die Verlängerung des Stabes beträgt 0,000319 m.