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Fahrzeugtechnik

Vorspurwiderstand

Vorspur und Nachspur

Die Räder einer Achse eines Fahrzeugs sind durch die Auslegung des Fahrwerks auf gute Geradeauslauf- und Kurvenfahrteigenschaften so eingestellt, dass sie von oben betrachtet nicht parallel zueinander stehen. Betrachten wir die Abstände der Felgeninnenkanten der Räder einer Achse in Höhe der Radmitte vorn und hinten und messen beide Werte. Wenn der Abstand der Radvorderseiten kleiner ist als der Abstand der Radhinterseiten, so liegt eine Vorspur vor. Im umgekehrten Fall, dass der Abstand der Radvorderseiten größer ist als der der Radhinterseiten, so spricht man von einer Nachspur.

Die Räder einer Achse werden mit einem Vorspur- oder Nachspurwinkel eingestellt, sodass kleine Seitenkräfte resultieren, die die Achse elastokinematisch vorspannen. Dies erzeugt ein unmittelbares Ansprechen der Lenkung und führt zu guter Spurtreue. Diese Vorteile werden durch den konstruktionsbedingten Vorspurwiderstand erkauft.

Schräglaufwinkel und Vorspurwinkel

Besteht ein Winkel zwischen der Fahrtrichtung eines Fahrzeugs und der Radmittelebene des betrachteten Rades, so wird dieser als Schräglaufwinkel $ \alpha $ bezeichnet. Ist dieser Winkel ungleich Null, so entsteht eine Seitenführungskraft FS, die senkrecht zur Radmittelebene steht. Diese zieht das Rad in eine Kurve und kompensiert auch die Fliehkraft, die in einer Kurvenfahrt entsteht. Für kleine Winkel (< 5 °) steigt diese Seitenkraft linear mit dem Schräglaufwinkel an. Wird der Schräglaufwinkel weiter vergrößert, so nimmt die Seitenführungskraft nur noch degressiv zu, erreicht ein Maximum und nimmt bei weiter zunehmendem Schräglaufwinkel wieder ab.

Der linear ansteigende Kurventeil der Seitenführungskraft wird als Seitenkraftsteifigkeit CS bezeichnet.

Wird bei gleich bleibendem Schräglaufwinkel die Radlast des betrachteten Rades erhöht, so ist auch die entstehende Seitenkraft FS höher. Der Zusammenhang zwischen Seitenkraft und Schräglaufwinkel für verschiedene Radlasten ist im folgenden Diagramm dargestellt.

Seitenkraftsteifigkeit
Seitenkraft

Werte für $ C_s $ können Tabellenblättern zur statischen Radlast entnommen werden.

Den mathematischen Zusammenhang von Schräglaufwinkel und Seitenkraft zeigt die folgende Formel:

Methode

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Seitenkraft [ein Rad]: $ F_S = C_S \cdot \alpha $

Diese Seitenkraft FS wirkt parallel zur Radachse und erzeugt einen der Bewegungsrichtung entgegengesetzten Fahrwiderstand, was du in der nächsten Abbildung sehen kannst.

Vorspurwiderstand
Auftreten eines Vorspurwiderstands

 

 Vorspurwiderstand und Vorspurwiderstandsbeiwert

Es resultiert also eine Kraftkomponente, die der Fahrtrichtung entgegen wirkt und dem Vorspurwiderstand FWRV am betrachteten Rad entspricht. Unter Hinzunahme der obigen Gleichung können wir für den Vorspurwiderstand nachfolgende Gleichung formulieren:

Methode

Hier klicken zum AusklappenVorspurwiderstand [ein Rad]: $ F_{WRV Rad} = F_S \cdot sin \alpha \approx F_S \cdot \alpha = C_S \cdot \alpha^2 $

In Bezug auf die Radlast erhält man dann den Vorspurwiderstandsbeiwert fV:

Methode

Hier klicken zum AusklappenVorspurwiderstandsbeiwert: $ f_V \approx \frac{C_S \cdot \alpha^2}{F_N} $

Bisher haben wir nur ein Rad betrachtet. Für das gesamte Fahrzeug ergibt sich folgende Gleichung:

Methode

Hier klicken zum AusklappenVorspurwiderstand [alle Räder]: $ F_{WRV} = \sum F_{WRV Rad} $ 

Beispiel:

Beispiel

Hier klicken zum AusklappenJetzt möchten wir einfach ein Beispiel auf dem Alltag betrachten um zu erfahren, welchen Anteil nun der Vorspurwiderstand am Rollwiderstand besitzt. Gehen wir von einer Radlast $ F_N $ von $ 4500 N $ aus. Beim betrachteten Reifen handelt es sich um einen 195/65 R15. Es wird eine Schräglaufsteifigkeit von 1100 N/° (° = Grad) und ein Vorspurwinkel von 20' an der Vorderachse. Unter Verwendung der Werte erhalten wir pro Rad einen Vorspurwiderstand von:

$ F_{WRV Rad} \approx C_S \cdot \alpha^2 = 1100 N/° \cdot \frac{180°}{\pi} \cdot ( \frac{20'}{60} \cdot \frac{\pi}{180°})^2 \approx 2,1 N $

Für den Vorspurwiderstandsbeiwert erhalten wir dann:

$ f_V \approx \frac{2,1 N}{4500 N} = 0,00046 \approx f_R \cdot 4,6 \% $

Fazit

Vorspurwinkel sollten sehr klein gewählt werden. Bereits bei einem Vorspurwinkel von 2 ° kann der Vorspurwiderstand solch große Werte erreichen wie der Rollwiderstand bei Geradeausfahrt!

Bei gut eingestellter Vorspur macht der Vorspurwiderstand 5 bis 10 % des gesamten Radwiderstand eines Rades aus.