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Fahrzeugtechnik

Kurvenwiderstand

Nachdem du bereits einige Widerstände kennengelernt hast, erläutern wir dir nun den Kurvenwiderstand, der bei Kurvenfahrten auftritt.

Kurvenfahrt
Kurvenfahrt

 

Beim Kurvenfahren wirkt eine Fliehkraft im Schwerpunkt des Fahrzeugs. Formal wird diese definiert mit:

Methode

Hier klicken zum AusklappenFliehkraft: $ F = m \cdot a_y = \frac{m \, \cdot \, v^2}{R} $

$ R $ = Kurvenradius

Die Reaktionskraft zu den Fliehkräften wird von den Seitenkräften aufgebracht, die zwischen Rädern und Fahrbahn wirken. Betrachte hierzu die nächste Abbildung.

Bei einer Kurvenfahrt wirkende Kräfte
Bei einer Kurvenfahrt wirkende Kräfte

 

Die Seitenkräfte erzeugen pro Rad einen Schräglaufwinkel, infolgedessen die Fahrtrichtung nicht in die Richtung der Radmittelebene zeigt.

Merke

Hier klicken zum AusklappenÄhnlich wie beim Vorspurwiderstand liegen auch hier Teilkräfte der wirkenden Seitenkräfte vor, die entgegen der Fahrtrichtung weisen. Das führt zur Entstehung eines weiteren Fahrwiderstandes, des Kurvenwiderstands $ F_{WRK} $.

In unserer Betrachtung liegen die Fliehkräfte auf Schwerpunkthöhe $ h_S \neq 0 $ und erzeugen somit einen Wankwinkel. Bei den dynamischen Radlasten sind zwei Szenarien zu beobachten, denn die Radlasten nehmen kurvenaußen zu und kurveninnen ab.

Ab jetzt wird es äußerst kompliziert und sehr analytisch.

Ein-Spur-Modell

Aus diesem Grund wählen wir ab jetzt ein Ersatzmodell für die weitere Betrachtung. Es handelt sich um das Ein-Spur-Modell aus dem Jahre 1940, entwickelt von Riekert und Schunk. Es ist die einfachste Modellvorstellung zur Erklärung von stationärer und instationärer Querdynamik von zweispurigen Kraftfahrzeugen. 

Welche Annahmen trifft denn das Modell, damit es einfacher wird?

  1. Gedanklich werden die Räder einer Achse zu einem Rad zusammengefasst. 
  2. Die Schwerpunkthöhe wird auf den Wert hs = 0 gesetzt.
  3. Obwohl die Antriebskräfte die Seitenkräfte ein wenig beeinflussen, werden diese im Modell vernachlässigt. 

Fasst man diese Annahmen zusammen, so liegt der Schwerpunkt auf Fahrbahnhöhe. Das Fahrzeug kann nicht kippen, weil durch die fehlende Schwerpunkthöhe das Wankmoment, welches infolge der Fliehkraft entsteht, entfällt. $\rightarrow $ Für beide Räder wird eine stationäre Radlast angenommen.

Daraus resultiert die Seitenkraftsteifigkeit Cα der zu einem Rad zusammengefassten Achse:

Methode

Hier klicken zum AusklappenSeitenkraftsteifigkeit [Achse]: $ C_{\alpha} \approx 2 \cdot C_s $

Merke

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Zum Thema Seitenkraftsteifigkeit Cs lese den vorigen Kurstext "Vorspurwiderstand".

Die wirkenden Kräfte und Winkel des Ein-Spur-Modells bei einer stationären Kurvenfahrt sind nachfolgend eingezeichnet.

Ein-Spur-Fahrzeugmodell
Ein-Spur-Fahrzeugmodell

 

Zwei-Spur-Modell

Beim Zwei-Spur-Modell mit Schwerpunkthöhe hs = 0  befinden sich diese Kräfte direkt im Zentrum der Reifenaufstandsfläche.

Wir unterteilen die Masse des Fahrzeugs in zwei Teilmassen wie in der folgenden Abbildung dargestellt.

Aufteilen der Fahrzeugmasse
Aufteilen der Fahrzeugmasse

 

Momentengleichgewicht

Die Momentengleichgewichte um die Aufstandsgerade von Vorder- und Hinterachse betragen bei unseren Annahmen: 

Methode

Hier klicken zum AusklappenMomentengleichgewichte: $ m_h = m \cdot \frac{l_v}{l} $  sowie  $ m_v = m \cdot \frac{l_h}{l} $

Den Trägheitsmomenten schenken wir hier keine Beachtung, da keine dynamischen Vorgänge vorliegen. 

Kräfte an der Vorderachse und Schräglaufwinkel

Durch die Kurvenfahrt wirkt die Fliehkraft auf die Masse an der Vorderachse mv vom Kurvenmittelpunkt ausgehend nach außen hin. Formal ausgedrückt heißt das:

Methode

Hier klicken zum AusklappenFliehkraft: $ F_{Zv} = m_v \cdot a_{yv} = m \frac{l_h}{l} \cdot a_{yv} = m \cdot \frac{l_h}{l} \cdot \frac{v^2_v}{R_V} $

Für die Fliehkraft benötigen wir die Seitenkraft FSv am Vorderrad als Reaktionskraft. Dies setzt voraus, dass ein Schräglaufwinkel $ \alpha_v $ existiert, welcher sich aus der Achssteifigkeit Cα ergibt:

Methode

Hier klicken zum AusklappenSchräglaufwinkel: $\alpha_V = \frac{F_{Sv}}{C_{\alpha v}} \approx \frac{F_{Sv}}{2 \, \cdot \, C_{Sv}} $

Der Schräglaufwinkel bewirkt eine Änderung der Wirkrichtung der Seitenkraft gegenüber der Wirkrichtung der Fliehkraft. Somit stimmen beide nicht mehr überein und es besteht ebenfalls ein Winkel $ \delta_v $ zwischen beiden Wirkrichtungen, denn

  • Die Seitenkraft am Rad wirkt senkrecht zur Radmittelebene.
  • Die Fliehkraft wirkt senkrecht zur Fahrtrichtung.

Um dieses Problem zu vereinfachen, zerlegen wir die Seitenkraft in eine Komponente senkrecht zur Radmittelebene und in eine Komponente gegen die Fahrtrichtung. Die Komponente senkrecht zur Radmittelebene muss die Fliehkraft aufbringen.

Methode

Hier klicken zum AusklappenSeitenkraft: $ F_{Sv} = \frac{F_{Zv}}{cos( \alpha_v)} $

Kurvenwiderstand Vorderachse und Hinterachse

Jetzt haben wir die Komponente formuliert, die für den Anteil der Vorderachse am Kurvenwiderstand steht:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstand [Vorderachse]: $ F_{WRKv} = F_{Sv} \cdot sin \alpha_v $

Jetzt wird es ein wenig kompliziert oder zumindest umfangreich.

Da der Schräglaufwinkel bei einer normalen Kurvenfahrt nur ca. 1-2° beträgt, können wir vereinfachen:

$ sin \alpha_v \approx \alpha_v $  sowie  $ cos \alpha_v \approx 1 $.

Dies vereinfacht unsere Gleichungen für die Seitenkraft und den Kurvenwiderstand. Es gilt, dass $ F_{Zv} \approx F_{Sv} $. Somit ändert sich die Gleichung zum Kurvenwiderstand der Vorderachse zu:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstand [Vorderachse (angepasst)]: $ F_{WRKv} \approx F_{Zv} \cdot \alpha \approx \frac{F_{Zv} \, \cdot \, F_{Sv}}{2 \, \cdot \, C_{Sv}} \approx \frac{F_{Zv}^2}{2 \, \cdot \, C_{Sv}} $ 

Setzen wir nun alle oben ermittelten/bestimmten Werte/Variablen ein, so erhalten wir final für den Kurvenwiderstand der Vorderachse:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstand [Vorderachse (final)]: $ F_{WRKv} = \frac{ (m \, \cdot \, \frac{l_h}{l} \, \cdot \, a_{yv})^2}{2 \, \cdot \, C_{Sv}} = \frac{(m \, \cdot \, \frac{l_h}{l})^2 \, \cdot \, v_v^4}{R^2_v \, \cdot \, 2 \, \cdot \, C_{Sv}} $ 

Nach dem gleichen Schema verfahren wir beim Kurvenwiderstand an der Hinterachse und erhalten final:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstand [Hinterachse (final)]: $ F_{WRKh} = \frac{ ( m \, \cdot \, \frac{l_v}{l} \, \cdot \, a_{yh})^2}{2 \, \cdot \, C_{Sh}} = \frac{(m \, \cdot \, \frac{l_v}{l})^2 \, \cdot \, v_h^4}{R^2_h \, \cdot \, 2 \, \cdot \, C_{Sh}} $

Gesamtkurvenwiderstand  und Kurvenwiderstandsbeiwert

An dieser Stelle sei festgehalten, dass es eher unwahrscheinlich ist, dass die obigen Herleitungen Gegenstand deiner bevorstehenden Klausur sein werden, aber der Vollständigkeit halber mussten wir so ausführlich verfahren. In den beiden letzten Schritten müssen wir nur noch die beiden Teilkurvenwiderstände zu einem Gesamtkurvenwiderstand zusammenfassen und anschließend den Kurvenwiderstandsbeiwert bestimmen. 

Methode

Hier klicken zum Ausklappen

Kurvenwiderstand [gesamt]: $ F_{WRK} \approx \frac{(m \, \cdot \, \frac{l_h}{l})^2 \, \cdot \, v_v^4}{R^2_v \, \cdot \, 2 \, \cdot \, C_{Sv}} + \frac{(m \, \cdot \, \frac{l_v}{l})^2 \, \cdot \, v_h^4}{R^2_h \, \cdot \, 2 \, \cdot \, C_{Sh}} $

In den meisten Fällen werden jedoch folgende Annahmen getroffen:

1. $ R_v \approx R_h \rightarrow $ Große Kurvenradien liegen vor. (gilt auch für 2. und 3.)

2. $ a_{yv} \approx a_{yh} \approx a_y $

3. $ v_v \approx v_h \approx v_x $ 

4. $ C_{Sv} \approx C_{Sh} \approx \frac {C_S}{2} \rightarrow $ Schräglaufsteifigkeiten sind hinten und vorne gleich groß.

5. $ l_v \approx l_h \approx \frac{l}{2} \rightarrow $ Schwerpunkt liegt mittig.

Das verkürzt unsere Gleichung für den Kurvenwiderstand zu:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstand [verkürzt]: $ F_{WRK} \approx \frac{(m \, \cdot \, a_y)^2}{4 \, \cdot \, C_S} = \frac{ m^2 \, \cdot \, v^4_x}{R^2 \, \cdot \, 4 \, \cdot \, C_S} $

Die letzte Gleichung geht dann in den Bestimmung des Kurvenwiderstandsbeiwertes ein:

Methode

Hier klicken zum AusklappenKurvenwiderstandsbeiwert: $ f_k = \frac{F_{WRK}}{\sum F_N} \approx \frac{F_{WRK}}{m \cdot g} \approx \frac{ m \, \cdot \, a_y^2}{4 \, \cdot \, g \, \cdot \, C_S} = \frac{m \, \cdot \, v_x^4}{R^2 \, \cdot \, 4 \, \cdot \, g \, \cdot \, C_S} $