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Soll nun ein Wälzlager ausgelegt werden, so orientiert man sich in erster Linie nicht an der statischen, sondern an der dynamischen Belastung.
Hauptuntersuchungsgegenstand ist dabei die Zahl der zulässigen Überrollungen. Letzteres meint die Beanspruchung des umlaufenden Lagers. Ein weiteres Untersuchungskriterium ist die Ermüdungsrechnung, die jedoch in Versuchen gezeigt hat, dass eine starke Streuung der Lebensdauer bei Wälzlagern auftritt. Die Ursache findet sich im Gitterbau der Werkstoffe, wo Anrisse bei kleinsten Werkstofffehlern auftreten können.
Ähnlich wie in anderen Teilbereichen des Maschinenbaus nutzt man bei dynamischen Beanspruchungen Berechnungen, die auf empirisch ermittelten Werten beruhen.
Merke
Methode
Dynamische Tragzahl $ C $
Wie bereits im statischen Fall geschehen, definieren wir nun auch eine Tragzahl für den dynamsichen Beanspruchungsfall.
Merke
Die Werte für $ C $ eines Wälzlagers findet ihr ebenfalls in den entsprechenden Herstellerkatalogen.
Leider ist die Tragzahl kein Garant für die tatsächliche Beständigkeit des Lagers, da es sich nicht um Grenzwerte, sondern eigentlich um statistische Werte handelt und je nach Streuung der Werte auch schon mit einem früheren Versagen gerechnet werden sollte.
Dennoch eignet sich die Tragzahl $ C $, um Ansätze zur Berechnung der Lebensdauer eines Wälzlagers aufzustellen.
Besonders die Wöhlerlinie für Wälzlager kann dazu genutzt werden. Nachfolgend siehst du eine solche Linie für ein Wälzlager ganz allegemein:
Auf der vertikalen Achse ist die Kraft $ F $ aufgetragen und auf der horizontalen Achse die Anzahl der Umdrehungen $ N $. Die dynamische Tragzahl $ C $ kann bei einer Umdrehungsanzahl von $ N = 10^6 $ abgelesen werden.
Beispiel
Nominelle Lebensdauer
nominelle Lebensdauer in $ 10^6 $ Umdrehungen $ L_{10} $
Aus den Werten aus der Wöhlerkurve lässt sich folgender Ansatz für die Berechnung einer nominellen Lebenssdauer ermitteln.
Methode
- $ L_{10} $ = nominelle Lebensdauer in $ 10^6 $ Umdrehungen
- $ C $ = dynamische Tragzahl des eingesetzten Lagers
- $ P $ = dynamisch äquivalente Lagerbelastung in kN
Das Ergebnis dieser Berechnung ist jedoch etwas schwer nachvollziehbar, wer rechnet schon in $ 10^6 $ Umdrehungen bzw. wann sind $ {10^6} $ tatsächlich erreicht.
Deshalb ist es sinnvoll diese Berechnung so umzuwandeln, dass man ein Ergebnis in Betriebsstunden (h) erhält, indem man auch die Drehzahl n mit berücksichtigt. Dies ist sicherlich viel besser verständlich.
Durch eine erforderlich Einheitenumrechnung müssen dabei aber die in die Formel einzusetzenden Werte genau den in entsprechenden Einheiten entsprechen.
nominelle Lebensdauer in $ 10^6 $ Umdrehungen $ L_{10h} $
Methode
$ L_{10h} $ = $ \frac{{10^6} \cdot L_{10}}{60 \cdot n} \cdot (\frac{C}{P})^p $
- $ L_{10h} $ = nominelle Lebensdauer in Betriebsstunden (h)
- $ C $ = dynamische Tragzahl des eingesetzten Lagers in kN
- $ P $ = dynamisch äquivalente Lagerbelastung in kN
- $ n $ = Drehzahl des Lagers in $ {min^{-1}} $
- $ p $ = Exponent der Lagerart (siehe nachfolgenden Hinweis)
Der Exponent $ p $ beschreibt die Steigung der Geraden, die im Falle eines Kugellagers anders ausfällt als bei einem Rollenlager.
- Kuggellager: $\rightarrow $ Punktberührung $ \rightarrow p = 3 $
- Rollenlager: $\rightarrow $ Linienberührung $ \rightarrow p = 3,3\overline{3} = \frac{10}3 $
Bestimmung von P zur Berechnung der Lagerlebensdauer
$ P $, also die dynamisch äquivalente Lagerbelastung muss unbedingt vor der Berechnung der Lagerlebensdauer ermittelt werden, wobei die tatsächlichen Kraftverhältnisse in einem Lager zu bertücksichtigen sind.
Zur Bestimmung der dynamischen äquivalenten Belastung $ P $ eines Lagers gilt allgemein (Pendelrollenlager ausgenommen):
Methode
$ P = X \cdot F_r + Y \cdot F_a $
- $ X $ = Radialfaktor, der die Höhe der im Lager wirkenden radialen Kraft $ F_r $ berücksichtigt
- $ Y $ = Axialfaktor, der die Höhe der im Lager wirkenden axialen axialen Kraft $ F_a $ berücksichtigt
- $ F_r $ = radiale Kraft, die im Lager wirkt
- $ F_a $ = axiale Kraft, die im Lager wirkt.
Bestimmung des Radialfaktors $ X $ für einzelne Lagerarten
Rillenkugellager
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= {0,44} $
$ X = {0,56} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > {0,44} $
Schrägkugellager
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= {1,14} $
$ X = {0,35} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > {1,14} $
Schrägkugellager, paarweise in X- oder O-Anordnung
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= {1,14} $
$ X = {0,57} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > {1,14} $
Pendelkugellager
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= e $
$ X = {0,65} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > e $
Der Wert $ e $ ist ein Grenzwert, der für jedes Lager in den entsprechendenn Herstellerkatalogen zu finden ist. Für einzelne Lagerarten ist er auch in der nachfolgenden Tabelle beispielhaft mit angegeben.
Pendelrollenlager
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= e $
$ X = {0,67} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > e $
Kegelrollenlager
$ X = 1 $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} <= e $
$ X = {0,40} $ , wenn $ \frac{F_a}{F_r} > e $
Für Lagerarten, die ausschließlich für die Aufnahme von Radialkräften geeignet sind (Rollenlager, Nadellager) ist $ X = 1 $.
Für Lagerarten, die ausschließlich für die Aufnahme von Axiallasten geeignet sind (Axialrollenlager) ist $ X = 0 $.
Bestimmung des Radialfaktors $ Y $ für einzelne Lagerarten
Für einzelne Rillenkugellager, Schrägkugellager sowie einreihige Pendelrollenlager findet Ihr einigeb Richtwerte für den Axialfaktor $ Y $ in der nachfolgenden Tabelle:
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