Kursangebot | Technische Mechanik 3: Dynamik | Rotation um eine feste Achse

Technische Mechanik 3: Dynamik

Rotation um eine feste Achse

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In diesem Abschnitt wird zunächst die Rotation eines starren Körpers um eine feste Achse betrachtet. Als Veranschaulichung soll uns hierbei der nachfolgende Clip dienen. Hier dreht sich der Bohrer einer Standbohrmaschine:

Rotiert ein starrer Körper um eine feste Achse wie im obigen Clip [die leichte Unwucht des Bohrers sei vernachlässigt], so bewegt sich ein beliebiger Punkt $P$ im Körper auf einer Kreisbahn. 

Rotation um feste Achse
Rotation um eine feste Achse

Rotiert der starre Körper um eine feste Drehachse, so bewegen sich alle Punkte des starren Körpers auf einer Kreisbahn. Die Kreisbahnen alle Körper stehen dabei senkrecht zur Drehachse. Der Fahrstrahl $r$ stellt die Verbindung zwischen einem Punkt $P$ und dem Punkt $0$ auf der Drehachse dar. Die Fahrstrahlen aller Körperpunkte überstreichen in derselben Zeit den selben Drehwinkel $\varphi$. Das bedeutet, dass auch die Winkelgeschwindigkeit $\omega = \frac{\varphi}{dt}$ (Ableitung des Winkels nach der Zeit) und die Winkelbeschleunigungen $\alpha = \frac{d\omega}{dt} = \frac{d^2 \varphi}{dt^2}$ (Ableitung der Winkelgeschwindigkeit nach der Zeit) für alle Körperpunkte gleich sind. Es genügt also die Betrachtung eines Punktes auf dem starren Körper und die Bestimmung der Winkelgeschwindigkeiten und Winkelbeschleunigungen dieses einen Punktes, welcher dann den gesamten starren Körper repräsentiert. Man kann also die Gleichungen für die Kinematik eines Massenpunktes für den Sonderfall einer Kreisbwegung (siehe Abschnitt Sonderfall: Kreisbewegung) anwenden.

Winkelgeschwindigkeit

Die Lage von $r$ zur Zeit $t$ wird durch den Winkel $\varphi$ zwischen einer raumfesten Bezugslinie und $r$ angegeben. Die Winkeländerung wird angegeben durch $d\varphi$. Da es sich hierbei um die Drehung um eine feste Achse handelt, ist die Richtung der Winkeländerung immer entlang der festen Achse. Die Änderung des Winkels nach der Zeit $t$ wird auch als Winkelgeschwindigkeit bezeichnet:

Methode

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$\omega = \frac{d\varphi}{dt}$

Winkelbeschleunigung

Die zeitliche Änderung der Winkelgeschwindigkeit wird als Winkelbeschleunigung $\alpha$ bezeichnet:

Methode

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$\alpha = \frac{d^2 \varphi}{dt^2} = \frac{d\omega}{dt}$

Die Richtung von $\alpha$ ist davon abhängig, ob die Winkelgeschwindigkeit zu- oder abnimmt. Bei zunehmender Winkelgeschwindigkeit stimmt die Richtung von $\alpha$ mit der von $\omega$ überein (positive Winkelbeschleunigung), bei abnehmender Winkelgeschwindigkeit ist die Richtung von $\alpha$ der Richtung von $\omega$ entgegengesetzt (negative Winkelbeschleunigung). 

Durch die Elimination von $dt$ aus den obigen beiden Gleichungen, indem mit $d\varphi$ ergänzt wird, erhält man einen differenzielle Beziehung zwischen Winkelbeschleunigung und Winkelgeschwindigkeit:

$\alpha = \frac{d\omega}{dt} \cdot \frac{d\varphi}{d\varphi}$


Umformen:

$\alpha = \frac{d\omega}{d\varphi} \cdot \frac{d\varphi}{dt}$

Einfügen von $\omega = \frac{d\varphi}{dt}$:

$\alpha = \frac{d\omega}{d\varphi} \cdot \omega$

Multiplikation mit $d\varphi$:

Methode

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$\alpha \; d\varphi = \omega \; d\omega$

Geschwindigkeit

Sind die Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung gegeben (welche für alle Punkte gleich ist), so lassen sich die Geschwindigkeiten und Beschleunigungen der einzelnen Punkte bestimmen. Diese sind nun nicht mehr gleich, denn Punkte, welche sich weiter weg von der Drehachse befinden, weisen eine höhere Geschwindigkeit und damit auch Beschleunigung auf, als Punkte, welche näher zur Drehachse liegen.

Der Geschwindigkeitsvektor für den Punkt $P$ ergibt sich zu:

Methode

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Geschwindigkeitsvektor

$\vec{v}_P = r \omega e_{\varphi}$

Skalare Komponente:

$v_{\varphi} =r \omega$  

Die gesamte Geschwindigkeit als Skalar lässt sich dann bestimmen zu:

Methode

Hier klicken zum Ausklappen$v_P = v_{\varphi} = r \omega$

Man sieht deutlich, dass sich die Geschwindigkeit von jedem Punkt unterschiedlich ist, aufgrund von $r$. Punkte die näher an der Drehachse liegen weisen eine geringere Geschwindigkeit auf.

Beschleunigung

Der Beschleunigungsvektor ergibt sich zu:

Methode

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Beschleunigungsvektor

$\vec{a}_P =  r \dot{\omega} e_{\varphi} - r \omega^2  e_r$

Skalare Komponenten:

Radialbeschleunigung    $a_r = - r \omega^2$   (Senkrecht zur Kreisbahn)

Umfangsbeschleunigung   $a_{\varphi} = r \dot{\omega} = r \; \alpha $    (Tangential zur Kreisbahn)

Die gesamte Beschleunigung als Skalar lässt sich somit berechnen zu:

Methode

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$a_P = \sqrt{a_r^2 + a_{\varphi}^2}$


Ist die Winkelgeschwindigkeit $\omega$ konstant, so ergibt die Ableitung dieser den Wert null. Die Umfangsbeschleunigung ist dann null. Das bedeutet es ändert sich nur die Bewegungsrichtung, die Geschwindigkeit bleibt dabei konstant. 

Methode

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$a = a_r$    Beschleunigung bei konstanter Winkelgeschwindigkeit

Zusammenfassung

  • Alle Punkte eines Körpers, welche um eine feste Drehachse rotieren beschreiben Kreisbahnen. 
  • Sind Winkelgeschwindigkeit und Winkelbeschleunigung bekannt, so kann die Geschwindigkeit und Beschleunigung jedes Körperpunktes bestimmt werden. Wichtig: Die Winkelbescheunigung und Winkelgeschwindigkeit sind bei der Drehung um eine feste Drehachse für alle Punkte gleich. Die Geschwindigkeit und Beschleunigung allerdings nicht, da Punkte weiter weg von der Drehachse eine höhere Geschwindigkeit aufweisen, als Punkte nahe zur Drehachse.

Beispiel: Rotation um eine feste Achse

Beispiel: Rotation um eine feste Achse (starrer Körper)

Beispiel

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In der obigen Grafik beginnt die mit dem Motor verbundene Scheibe $S$ sich aus der Ruhelage mit konstanter Winkelbeschleunigung $\alpha_S = 2 rad / s^2$ zu drehen. Der Riemen führt dazu, dass sich das untere Rad $R$ dreht. Bestimmen Sie den Geschwindigkeitsbetrag und den Beschleunigungsbetrag für den Punkt $P$ auf dem Rad $R$, nachdem sich das Rad $R$ einmal gedreht hat. Der undehnbare Riemen soll nicht rutschen, sondern fest haften. Es gilt:

$r_S = 0,25 m$, $r_R = 0,55 m$.

Das Rad $R$ soll sich einmal gedreht haben. Eine Umdrehung hat $360°$ oder $2 \pi \; rad$. Das bedeutet, das Rad $R$ übestreicht einen Winkel von:

$\varphi_R = 360°$.  bwz. in Radiant: $\varphi_R = 2 \pi \; rad$

Der Riemen denht sich nicht und rutscht nicht. Das bedeutet, dass immer die gleiche Länge von der SCheibe $S$ des Riemens abgewickelt wird, wie von dem Rad $R$. Man kann die Länge des Riemens mittels der Formel für doe Länge eines Kreisbogens bestimmen, da sowohl Rad als auch SCheibe einen Kreis darstellen und der Riemen um beide gewickelt ist. Die Länge eines Kreisbogens bestimmt sich durch:

Merke

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Länge Kreisbogen:

$L = r \cdot \varphi$   (in Radiant)

$L = \frac{2 \pi \; r}{360°} \cdot \varphi$.

Es gilt, dass die Länge des Riemens, welche von Scheibe und Rad abgewickelt wird immer gleich lang ist:

$L = r_R \cdot \varphi_R = r_S \cdot \varphi_S $     (in Radiant)

$L = \frac{2 \pi \; r_R}{360°} \cdot \varphi_R = \frac{2 \pi \; r_S}{360°} \cdot \varphi_S$.

Beide Gleichungen können nun nach $\varphi_S$ aufgelöst und die Werte eingesetzt werden:

 $\varphi_S = \frac{r_R \cdot \varphi_R}{r_S} = \frac{0,55 m \cdot 2\pi \; rad}{0,25m} = 13,823 rad$

$\varphi_S =\frac{r_R \cdot \varphi_R}{r_S} = \frac{0,55m \cdot 360°}{0,25} = 792°$

Die beiden obigen Winkel sind dieselben, nur einmal in Rad und einmal in Grad. Das bedeutet also, dass wenn das Rad $R$ sich einmal dreht (=360°), dann dreht sich die Scheibe $S$ 2,2 mal (= 792° / 360° = 2,2). 

Es wird als nächstes die Winkelbeschleunigung der Scheibe $S$ bestimmt. Die Beschleunigung ist konstant $\alpha_S = \dot{\omega}_S = const$ ist (siehe Aufgabenstellung) und bestimmt sich allgemein aus:

$\alpha = \frac{d\omega}{dt}$

Allerdings ist hier keine Abhängigkeit mit der Zeit gegeben, weshalb man den folgenden Zusammenhang verwendet (siehe obigen Text):

$\alpha \; d\varphi = \omega \; d\omega$

Da die Winkelbeschleunigung $\alpha_S$ konstant ist gilt nach Integration:

$\int_{\varphi_0}^{\varphi} \alpha_S \; d\varphi = \int_{\omega_0}^{\omega} \omega_S \; d\omega$

$\alpha_S (\varphi_S - \varphi_{S0}) =\frac{1}{2} \omega_S^2 - \frac{1}{2} \omega_{S0}$


Drehung aus der Ruhelage bedeutet $\omega_0 = 0$ und $\varphi_0 = 0$:

$\alpha_S \cdot \varphi_S =\frac{1}{2} \omega_S^2$

Auflösen nach $\omega_S$:

$\omega_S = \sqrt{2 \cdot \alpha_S \cdot \varphi_S}$

Einsetzen der Werte:

$\omega_S = \sqrt{2 \cdot 2 \frac{rad}{s^2} \cdot 13,823 \; rad}$

Methode

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$\omega_S = 7,44 \frac{rad}{s}$

Alle Punkte auf der Scheibe $S$ drehen sich mit derselben Winkelgeschwindigkeit $\omega_S = 7,44 \frac{rad}{s}$. Allerdings soll jetzt die Geschwindigkeit des Punktes $P$ auf dem Rad $R$ bestimmt werden. Hier ist die Winkelgeschwindigkeit natürlich eine andere, da das Rad viel größer ist. Es existiert dennoch ein Zusammenhang zwischen der Bewegung von der Scheibe $S$ und dem Rad $R$. Und zwar besitzen alle Punkte auf dem Riemen dieselbe Geschwindigkeit $v$ und dieselbe tangentiale Beschleunigung $a_{\varphi}$. Nicht alle Punkte auf der Scheibe $S$ oder dem Rad $R$ besitzen dieselbe Geschwindigkeit (bzw. Beschleunigung), sondern nur die Punkte auf dem Riemen (also alle äußeren Punkte). Zu diesen Punkten gehört auch der Punkt $P$, welcher sich am äußeren Rand befindet und demnach dieselbe Geschwindigkeit und dieselbe tangentiale Beschleunigung wie alle anderen Punkte auf dem Riemen aufweist. Die Geschwindigkeit lässt sich allgemein bestimmen durch:

$v = \omega \cdot r$


Da nun alle Punkte am äußeren Rand der Scheibe $S$ und des Rades $R$ dieselbe Geschwindigkeit besitzen, gilt (die Radien gehen bis zum Rand):

Merke

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$v = \omega_S \cdot r_S = \omega_R \cdot r_R$

Die Geschwindigkeit des Punktes $P$ wird normalerweise mittels des Rades $R$ bestimmt, auf welchem sich der Punkt befindet:

$v_P = \omega_R \cdot r_R$

Allerdings kann die Gesschwindigkeit hier auch bestimmt werden, indem man die Geschwindigkeit der äußeren Punkte auf der Scheibe $S$ bestimmt, da diese gleich der äußeren Punkte auf dem Rad $R$ ist (und $P$ liegt außen): 

Methode

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$v_P = \omega_S \cdot r_S = 7,44 \frac{rad}{s} \cdot 0,25m = 1,86 \frac{m}{s}$

Die Beschleunigung des Punktes $P$ ergibt sich durch die zwei Komponenten:

$a_r = - r_R \; \omega_R^2$  

$a_{\varphi} = r_R \; \alpha_R$ 

Wie bereits oben erwähnt ist die tangentiale Beschleunigung $a_{\varphi}$ für alle Punkte auf dem Riemen gleich. Die gesamte Beschleunigung ergibt sich durch die beiden Komponenten:

$a_r = - r_R \cdot \omega_R^2 $

$a_{\varphi} = r_R \; \alpha_R $


Beispiel: Rotation um eine feste Achse

Da die tangentiale Beschleunigung für alle äußeren Punkte gleich ist, kann man diese auch bestimmen aus der Scheibe $S$:

$a_{\varphi} =  r_S \; \alpha_S = 0,25m \cdot 2 \frac{rad}{s^2} = 0,5 \frac{m}{s^2}$


Die Normalkomponente der Beschleunigung $a_r$ ist für jeden Punkt unterschiedlich, weshalb:

$a_r = -r_R \cdot \omega_R^2 $

Es fehlt noch die Winkelgeschwindigkeit $\omega_R$. Diese kann man aus dem Zusammenhang der Geschwindigkeit bestimmen:

Merke

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$v = \omega_S \cdot r_S = \omega_R \cdot r_R$

Auflösen nach $\omega_R$:

$\omega_R = \frac{\omega_S \cdot r_S}{r_R} = \frac{7,44 \frac{rad}{s} \cdot 0,25m}{0,55 m} = 3,38 \frac{rad}{s}$

Die Normalkomponente der Beschleunigung ist:

$a_r =  -r_R \cdot \omega_R^2 = -0,55m \cdot (3,38 \frac{rad}{s})^2 = -6,28 \frac{m}{s^2}$

Die gesamte Beschleunigung ergibt sich dann zu:

Methode

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$a = \sqrt{a_r^2 + a_{\varphi}^2} = \sqrt{(-6,28 \frac{m}{s^2})^2 + (0,5 \frac{m}{s^2})^2} = 6,3 \frac{m}{s^2}$