Inhaltsverzeichnis
Soll eine Berechnung der Flächenträgheitsmomente in Bezug auf die Koordinatenachsen erfolgen, so ist die Ausgangssituation oft so beschaffen, dass die Koordinatenachsen auch durch den entsprechenden Flächenschwerpunkt verlaufen. Im Folgenden wird nun der Fall betrachtet in welchem diese Ausgangssituation nicht mehr vorliegt, d.h. also, die Achsen nicht mehr durch den Flächenschwerpunkt verlaufen. Um dieses Problem dennoch mathematisch zu lösen, lassen sich zwei Lösungswege einschlagen:
Methode
1. Direkte Lösung der Integrale im $ y^* - z^* $ - Koordinatensystem.
2. Parallelverschiebung der Koordinatenachsen und Nutzung der Flächenträgheitsmomente, welche sich auf das Schwerpunktkoordinatensystem beziehen (Steinersche Sätze). Die Formeln für letztere können Tabellenwerken entnommen werden.
Im Folgenden wird der 2. Punkt ausführlich behandelt und die Steinerschen Sätze hergeleitet. Zum Schluss wird dies anhand eines ausführlichen Beispiels dargestellt.
Merke
Angewendet werden die Steinerschen Sätze für Profile die aus zusammengesetzten Teilflächen bestehen. Hier kann für jede Teilfläche zunächst das Flächenträgheitsmoment in Bezug auf die Schwerpunktachsen bestimmt werden (siehe vorherige Abschnitte) und danach mittels Steinersche Sätze das Flächenträgheitsmoment für die Schwerpunktachsen des Gesamtprofils.
In diesem Abschnitt werden zunächst die Steinerschen Sätze hergeleitet und danach ein Beispiel mit ausführlichen Berechnungschritten durchgeführt. Das Beispiel wird zunächst an einem Profil aufgezeigt, welches aus einer einzigen Fläche besteht. Im darauffolgenden Abschnitt wird dann auf den Satz von Steiner bei zusammengesetzten Flächen eingegangen und ebenfalls ein ausführliches Beispiel aufgeführt.
Flächenträgheitsmoment bei Parallelverschiebung der Achsen
Legt man nun das $y-z$-Koordinatensystem in den entsprechenden Flächenschwerpunkt und beschreibt die Lage des Flächenelements $ dA $ durch die Koordinaten $ y,z$, so lauten die neuen Koordinaten $ y^* $ und $ z^* $:
$ y^* = y_s^* + y $ sowie $ z^* = z_s^* + z $ .
Analog dazu lauten die neuen Koordinaten $y^{**}$ und $x^{**}$:
$ y^{**} = y_s^{**} + y $ sowie $ z^{**} = -z_s^{**} + z $ .
Die Koordinatenbestandteile $ y_s^* $ und $ z_s^* $ beschreiben die Parallelverschiebung des $ y-z $-Koordinatensystems hin zum $ y^*-z^* $- Koordinatensystem.
Überträgt man nun die bisherigen Erkenntnisse auf die Flächenträgheitsmomente in Bezug auf die $y^* - z^*$ -Achsen, so werden die Flächenträgheitsmomente:
$ I_{y^*} = \int_A z^{*2} dA \rightarrow I_{y^*} = \int_A (z_s^* + z)^2 dA $
- Auflösen der binomischen Formel führt zu
$\rightarrow = \int_A (z_s^{*2} + 2z \cdot z_s^* + z^2) dA $
$\rightarrow = \int_A z_s^{*2} dA + 2 \int_A z \cdot z_s^* dA + \int_A z^2 dA$
- Der letzte Term entspricht $ I_{y} $ und somit wird die gesamte Gleichung zu
$\rightarrow = \int_A z_s^{*2} dA + 2 \int_A z \cdot z_s^* dA + I_{y} $
- Zudem gilt, dass $\int_A dA = A $ entspricht und $\int_A z \; dA = z_s \cdot A = 0 $ wird, womit sich die gesamte Gleichung zu
$\rightarrow I_{y^*} = z_s^{*2} A + I_{y} $
- verkürzt. Der mittlere Term entfällt, da die Schwerpunktkoordinate $ z_s $ im y-z-Koordinatensystem den Wert null annimmt.
Merke
Merke
Im Folgenden sind diese Umrechnungsformeln und die Umrechnungsformeln für $ I_{z^*} $ und $ I_{y^*z^*}$, also die Steinerschen Sätze, nochmals aufgelistet:
$\rightarrow I_{y^*} = I_{y} + z_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{z^*} = I_{z} + y_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{y^*z^*} = I_{yz} - z_s^*y_s^* \cdot A $
Merke
Im letzten Schritt dieses Abschnitts wird erneut das polare Flächenträgheitsmoment bestimmt, welches im Gegensatz zum vorangegangen Abschnitt nun die Form
$\ I_{p^*} = I_p + r_s^{*2} A $
$\rightarrow I_{p^*} = I_{y} + I_{z} + (z_s^{*2} + y_s^{*2}) A $
besitzt.
Methode
Zusammenfassung Steinersche Sätze
$\rightarrow I_{y^*} = I_{y} + z_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{z^*} = I_{z} + y_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{y^*z^*} = I_{yz} - z_s^*y_s^* \cdot A $
Anwendungsbeispiel: Steinersche Sätze / Parallelverschiebung der Achsen
Es soll anhand eines einfachen Beispiels dargestellt werden, wie man mittels der Steinerschen Sätze die Flächenträgheitsmomente bestimmt oder durch die direkte Lösung der Integrale. Dies soll anhand des bereits bekannten Rechtecks durchgeführt werden. Später wird dies dann auch anhand von zusammengesetzten Flächen gezeigt.
Es sollen die Flächenträgheitsmomente für folgendes Rechteck bezüglich der $y^*$,$z^*$-Achse berechnet werden:
Berechnung mittels der Steinerschen Sätze
Bei den Steinerschen Sätzen nimmt man Flächen bei denen die Achsen durch den Schwerpunkt verlaufen und bestimmt hierfür die Flächenträgheitsmomente (für viele Flächen kann man diese aus Tabellen ablesen). Danach wendet man die Steinerschen Sätze an, um die Flächenträgheitsmomente für die verschobenen Achsen, also die Achsen die nicht durch den Schwerpunkt verlaufen, zu berechnen.
Die Flächenträgheitsmomente für die obige Grafik ($y-z$-Achsen gehen durch den Schwerpunkt) sind entweder Tabellenwerken zu entnehmen oder den vorherigen Abschnitten:
$I_y = \frac{a^3b}{12}$
$I_z = \frac{b^3a}{12}$
$I_{yz} = 0$
Die Steinerschen Sätze sind definiert als:
$\rightarrow I_{y^*} = I_{y} + z_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{z^*} = I_{z} + y_s^{*2} \cdot A $
$\rightarrow I_{y^*z^*} = I_{yz} - z_s^*y_s^* \cdot A $
Es muss nun der Abstand von der Schwerpunktlage hin zu dem Bezugskoordinatensystem ($y^*$,$z^*$) betrachtet werden. Wichtig ist hierbei, dass für das Deviationsmoment auch die Vorzeichen des Abstandes berücksichtigt werden müssen, für die Flächenträgheitsmomente hingegen nicht, da diese innerhalb der Formel quadriert werden und damit positiv werden. Zur Bestimmung von $z_s^*$ wird nun der Abstand von der $y^*$-Achse zum Schwerpunkt betrachtet. Dabei gehen wir in positive $z$-Richtung.
Merke
Einfach gesagt: Die Parallelverschiebung der $y$-Achse in z-Richtung zum Schwerpunkt erfolgt in positive Richtung der $z$-Achse. Der Abstand in $z_s^*$ ist also positiv.
Analog gilt das Vorgehen für $y_s^*$.
$z_s^* = \frac{a}{2}$
$y_s^* = \frac{b}{2}$
Beide Werte werden positiv berücksichtigt.
Außerdem wird die Fläche $A$ des Rechtecks benötigt, die sich ergibt aus:
$A = a \cdot b$
Anwendung der Steinerschen Sätze führt zu:
$I_{y^*} = \frac{a^3b}{12} + (\frac{a}{2})^2 \cdot a \cdot b $
$I_{y^*} = \frac{a^3b}{3}$
$I_{z^*} = \frac{b^3a}{12} + (\frac{b}{2})^2 \cdot a \cdot b $
$I_{z^*} = \frac{b^3a}{3}$
$I_{y^*z^*} = 0 - [\frac{a}{2} \cdot \frac{b}{2} \cdot a \cdot b] $
$I_{y^*z^*} = -\frac{a^2b^2}{4}$
Berechnung durch direkte Lösung der Integrale
Man kann stattdessen auch eine direkte Lösung vornehmen. Hierzu verwendet man die bereits bekannten Formeln für die Flächenträgheitsmomente:
$I_y = \int z^2 \; dA$
$I_z = \int y^2 \; dA$
$I_{yz} = \int yz \; dA$
und erhält genau das obige Ergebnis. Diese Berechnung wurde bereits im Abschnitt Hauptträgheitsmomente unter Anwendungsbeispiel: Hauptträgheitsmomente 2 durchgeführt.
Video: Satz von Steiner für ein Rechteck
Weitere interessante Inhalte zum Thema
-
Wellen und Achsen
Vielleicht ist für Sie auch das Thema Wellen und Achsen aus unserem Online-Kurs Maschinenelemente 2 interessant.
-
Flächenträgheitsmomente: Definition
Vielleicht ist für Sie auch das Thema Flächenträgheitsmomente: Definition (Balkenbiegung) aus unserem Online-Kurs Technische Mechanik 2: Elastostatik interessant.