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Technische Mechanik 2: Elastostatik - Torsion von dünnwandigen, geschlossenen Profile

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Technische Mechanik 2: Elastostatik

Torsion von dünnwandigen, geschlossenen Profile

In diesem Abschnitt sollen die Spannungen und Verformungen infolge von Torsion für dünnwandige, geschlossene, nicht-kreisförmige (!) Profile ermittelt werden. Hierzu werden zwei Annahmen getroffen:

1. Die Wanddicke des Profils ist im Längsverlauf veränderlich, daher $ h = h(s) $.

2. Die Form des Querschnitts ist hingegen im Längsverlauf (längs der $x$-Achse) unveränderlich. 

Schubspannungen

Im ersten Schritt sollen die Schubspannungen im Querschnitt berechnet werden, die infolge des Torsionsmoments auftreten. Da im Gegensatz zu bisherigen Annahmen auch Wölbungen im Querschnitt auftreten, sind diese zu berücksichtigen. Die Wölbung muss ohne Behinderung auftreten können, da ansonsten neben den Schubspannungen auch Normalspannungen in Richtung der Zylinderachse auftreten [hier x-Achse]. Diese würden als Reaktion auf die Behinderung der Wölbung auftreten.

Merke

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Auch in dieser Betrachtung gilt, dass sich der Unterschied zwischen der minimalen und maximalen Schubspannung reduziert, wenn die Wandstärke abnimmt und der mittlere Radius zeitgleich zunimmt.

Hierzu trifft man folgende zusätzliche Annahmen:

3. Die Schubspannung $\tau $ wird über die Wanddicke $h$ als konstant angenommen und,

4. wie bereits erwähnt, ist eine freie Verwölbung (ohne Behinderung) des Querschnitts gegeben (dadurch treten keine Normalspannungen auf).

Wie schon in anderen Fällen wird ein infinitesimales Element aus dem Torsionsstab herausgeschnitten und die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt. Dies ist die Voraussetzung, um überhaupt die Schubspannungen ermitteln zu können. 

Spannungen im dünnwandingen geschlossenen Profil
Spannungen im dünnwandingen geschlossenen Profi

Gleichgewichtsbedingung in $x$-Richtung:

$\rightarrow:  - \tau \; h(s) \; dx + (\tau + \frac{\partial \tau}{\partial s}) \; h(s + ds) \; dx = 0 $ 

Da sich die Wanddicke [$h$] ändert, wird in diesem Fall auf eine Taylor-Reihe zurückgegriffen:

$ - \tau (x,s) h(s) dx + (\tau (x,s) + \frac{\partial r}{\partial s})(h(s) + \frac{\partial h}{\partial s} ds)dx = 0 $ 

$ dx $ kommt in allen Termen vor und wird daher gestrichen:

$\rightarrow - \tau (x,s) h(s) + (\tau (x,s) + \frac{\partial r}{\partial s})(h(s) + \frac{\partial h}{\partial s} ds) = 0 $

Vereinfachen durch Multiplizieren:

$ - \tau (x,s)h(s) + \tau(x,s)h(s) + \frac{\partial tau}{\partial s} ds h(s) + \tau(x,s) \frac{\partial h}{\partial s} ds + \frac{\partial \tau}{\partial s} ds \frac{\partial h}{\partial s} ds = 0 $

So weit wie möglich kürzen:

$\frac{\partial \tau}{\partial s} h + \tau \frac{\partial h}{\partial s} = 0 $

Abschließendes Zusammenfassen:

$\frac{\partial (\tau h )}{\partial s} = 0 \rightarrow \tau \cdot h = \text{konstant} $

$\tau \cdot h = $ Schubfluss [$t$].

Der besagte Schubfluss $t$ ist über die Bogenlänge $s$ hinweg konstant.

Wichtige Formeln

Im Weiteren wird auf die Herleitung der Formeln verzichtet. Es werden die wichtigen Formeln zur Berechnung des Schubflusses und der Schubspannung bei dünnwandingen geschlossenen Profilen aufgeführt:

Die Schubfluss ist gegeben durch [auf die Herleitung wird verzichtet]:

Methode

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$t = \frac{M_T}{2 A_m}$                                                                   Schubfluss 

Die Fläche $A_m$ ist die Fläche, die von der Profilmittellinie umschlossen wird. Das bedeutet also bei einem dünnwandingen geschlossenen Rohr ist $A_m = \pi r_m^2$ mit $r_m$ = mittlerer Radius.

Die Schubspannung lässt sich ermitteln aus $t = \tau \cdot h$ eingesetzt in die obige Formel und dann nach $\tau$ aufgelöst:

Methode

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$\tau(s) = \frac{M_T}{2 A_m h(s)}$                                                  Schubspannung  (1. Bredtsche Formel)

mit

$M_T$ Torsionsmoment

$A_m$ von der Profilmittellinie eingeschlossene Fläche

$h(s)$ Wanddicke in Abhängigkeit vom Weg

Die maximale Schubspannung tritt bei minimaler Wanddicke $h_{min}$ auf:

Methode

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$\tau_{max} = \frac{M_T}{2 A_m h_{min}}$                                    maximale Schubspannung

Führt man ein Widerstandsmoment mit $W_T = 2 A_m h_{min}$ ein, so gilt für die maximale Schubspannung:

Methode

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$\tau_{max} = \frac{M_T}{W_T}$

Verformung

Es muss noch die Verformung eines dünnwandigen, geschlossenen Profils betrachtet werden. Die obigen Annahmen gelten weiterhin und eine zusätzliche ist zu treffen:

5. Die Querschnittsgestalt bleibt nach der Verwölbung erhalten.

Die Verdrillung ergibt sich [auf die Herleitung wird verzichtet] mit (2. Bredtsche Formel):

Methode

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$\vartheta = \frac{M_T}{G I_T}$                                                  Verdrillung bzw. spezifischer Drehwinkel

mit

$\vartheta = \frac{d\varphi}{dx}$

 

$I_T = \frac{4A^2_m}{\oint_C \frac{1}{h(s)} ds}$

$\oint$ ist das Umlaufintegral längs der Kurve $C$, welche der Profilmittellinie entspricht. Es wird also über den gesamten Weg $s$ der Profilmittellinie integriert.


Ist die Verdrillung überall konstant, so gilt:

$d\varphi = \vartheta \cdot dx$

$\int_0^l d \varphi = \int_0^l \vartheta \cdot dx$

$\varphi_l - \varphi_0 = vartheta \cdot l$

Und damit:

Methode

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$\triangle \varphi = \frac{M_T \cdot l}{G \cdot I_T} \; \;$ Endverdrehung bei konstanter Verdrillung


Ist die Wanddicke $h$ überall gleich groß, so folgt:

$\oint_C \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{h} \oint ds = \frac{1}{h} U_m$ 


und damit für $I_T$:

Methode

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$I_T =  \frac{4 A_m^2 h}{U_m}$                                              konstante Wanddicke

Beispiel: Dünnwandiges geschlossenes Profil

Trapezoidal thin-walled cross-section
Trapezförmiger dünnwandiger Querschnitt

Beispiel

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Gegeben sei der obige dünnwandige Träger, welcher einen trapezförmigen Querschnitt besitzt.

Es ist die maximale Schubspannung und die Endverdrehung zu bestimmen!

Es ist im Voraus der Flächeninhalt des Trapezes zu bestimmen:

$A = A_m = \frac{1}{2} (2a + a) \cdot a =  \frac{1}{2} a^2 + a^2 = \frac{3}{2}a^2$

Hinweis

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Die obige Fläche entspricht - bei einem dünnwandigen Trägern - der von der Profilmittellinie eingeschlossenen Fläche $A_m$. Sind keine dünnwandigen Träger gegeben, so muss die Fläche von der äußeren Linie ($A_a$) ausgehend berechnet werden und die Fläche von der inneren Linie ($A_i$) ausgehend von dieser abgezogen werden: $A_m = A_a - A_i$.

Bestimmung der maximalen Schubspannung

Es kann nun die maximale Schubspannung ermittelt werden. Diese liegt vor, wenn die Dicke minimal ist, also bei $h_{min}$. In diesem Beispiel ist die Dicke minimal bei $h_{min} = h$.

$\tau_{max} = \frac{M_T}{2 A_m h_{min}}$  

$\tau_{max} = \frac{M_T}{3 a^2 h}$  

Das Torsionsmoment $M_T$ berechnet sich durch (siehe Querschnitt):

$\curvearrowleft: M_T - F \cdot \frac{a}{2} = 0$

$M_T = F \frac{a}{2}$

Insgesamt ergibt sich für die maximale Schubspannung also:

Methode

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$\tau_{max} = \frac{F \frac{a}{2}}{3a^2 h} = \frac{F}{6ah}$                 Maximale Schubspannung

Bestimmung der Endverdrehung

Um die Verdrehung am Endquerschnitt zu ermitteln, wird die folgende Formel herangezogen:

$\triangle \varphi = \frac{M_T}{G I_T} l$     

Es fehlt zur Berechnung der Verdrehung noch $I_T$:

$I_T = \frac{4A^2_m}{\oint_C \frac{1}{h(s)} ds}$

Merke

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Das Intergal $\oint_C$ bedeutet, dass das Intergal über einen vollen Umlauf der Profilmittellinie zu erstrecken ist.

Wir beginnen an einem beliebigen Punkt am trapezförmigen Querschnitt. Wir beginnen an der Ecke links unten und integrieren zunächst die untere Seite ($0 \le s \le 2a$):

$\oint_0^{2a} \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{h(s)} \cdot 2a$

Mit $h(s) = h$ als die Dicke über die untere Länge 2a:

$\oint_0^{2a} \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{h} \cdot 2a$

Wir müssen mit dem Umlaufintergal einen vollen Umlauf (Weg der Profilmittellinie) bis zurück zum Ausgangspunkt vornehmen. Als nächstes betrachten wir die rechte Seite, müssen hier aber noch die Seitenlänge berechnen, da wir nur die vertikale Höhe $a$ kennen, die Seite aber schräg ist:

$S = \sqrt{a^2 + (a - \frac{a}{2})^2} = \sqrt{a^2 + (\frac{a}{2})^2}$

$S = \sqrt{\frac{5}{4} a^2} = \frac{1}{2} \sqrt{5} a$

Einsetzen in das Umlaufintergal:

$\oint_0^{\frac{1}{2} \sqrt{5} a} \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{h} \cdot \frac{1}{2} \sqrt{5} a$        |mit $h(s) = h$.

 

Danach gehen wir zur oberen Seite über. Diese ist $a$ lang:

$\oint_0^{a} \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{2h} \cdot a$               |mit $h(s) = 2h$

 

Es fehlt noch die linke Seite, welche dieselbe Länge wie die rechte Seite aufweist:

$\oint_0^{\frac{1}{2} \sqrt{5} a} \frac{1}{h(s)} ds = \frac{1}{h} \cdot \frac{1}{2} \sqrt{5} a$        |mit $h(s) = h$

 

Insgesamt ergibt sich also das Kurvenintergal $U_m$ zu:

Methode

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$U_m =  \frac{1}{h} \cdot 2a + \frac{1}{h} \cdot \frac{1}{2} \sqrt{5} a + \frac{1}{2h} \cdot a + \frac{1}{h} \cdot \frac{1}{2} \sqrt{5} a  = \frac{a}{h} (\frac{5}{2} + \sqrt{5})$


Es kann nun $I_T$ berechnet werden:

$I_T =  \frac{4 A_m^2 h}{U_m}$      

Einsetzen von $A_m$ und $U_m$:

$I_T = \frac{4 \frac{9}{4} a^4}{\frac{a}{h} (\frac{5}{2} + \sqrt{5})}$

Methode

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$I_T = \frac{9a^3h}{\frac{5}{2} + \sqrt{5}}$


Es kann nun die Endverdrehung bestimmt werden mit:

$\triangle \varphi = \frac{M_T}{G I_T} l$     

$\triangle \varphi = \frac{F \frac{a}{2}}{G \frac{9a^3h}{\frac{5}{2} + \sqrt{5}}} l$     

Methode

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$\triangle \varphi = \frac{F}{Ga^2h} \frac{\frac{5}{2} +  \sqrt{5}}{ 18} l$