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Wir haben im vorherigen Abschnitt die Arbeit eingeführt und sind davon ausgegangen, dass sich der Kraftangriffspunkt einer Kraft tatsächlich verschiebt. Da wir innerhalb der Statik aber ruhende Körper betrachten, tritt dieser Fall nicht ein. Es ist aber möglich den Arbeitsbegriff auch innerhalb der Statik zu berücksichtigen, um z.B. unbekannte Kräfte zu berechnen. Dazu führen wir gedachte Verschiebungen ein, die auch als virtuelle Verschiebungen bezeichnet werden. Diese virtuellen Verschiebungen sind in Wirklichkeit nicht vorhanden, differentiell klein und mit den Bindungen des Systems verträglich.
Zur Unterscheidung zwischen tatsächlichen Verschiebungen $dr$ werden die virtuellen Verschiebungen mit dem $\delta$- Symbol angegeben:
Methode
$dW = \sum F \cdot \delta r$
$dW = \sum M \cdot \delta \varphi$
Es wird wieder der beidseitige Hebel aus dem vorherigen Abschnitt betrachtet:
In der obigen Grafik sind die virtuellen Verschiebungen aufgezeigt. Dabei können zwei Varianten gewählt werden.
Variante 1
Wir betrachten zunächst die Variante 1 links in der Grafik. Die Drehung um das Lager $A$ (=gelenkiges Lager) ist mit dem System vereinbar (Festlager übertägt keine Momente, Balken ist demnach drehbar in diesem Lager).
Merke
Hierbei sind die Kräfte $F_1$ und $F_2$ eingeprägte Kräfte und die Lagerkraft $A$ eine Reaktionskraft.
Wir führen die virtuelle Drehung $\delta \varphi$ ein und erhalten damit:
$dW = F_1 \cdot a \cdot \delta \varphi - F_2 \cdot b \cdot \delta \varphi$
Das Minuszeichen gibt an, dass die Kraft $F_2$ genau entgegengesetzt zum Weg gerichtet ist.
Wir behandeln in der Statik nur Körper, die sich im Gleichgewicht befinden. In der Gleichgewichtslage wird die obige Gleichung zu Null, weil dann gilt:
$F_1 \cdot a = F_2 \cdot b$
Das bedeutet also, dass in der Gleichgewichtslage die Arbeit zu Null wird: $dW = 0$ und damit:
$dW = F_1 \cdot a \cdot \delta \varphi - F_2 \cdot b \cdot \delta \varphi = 0$
Merke
Ein Körper befindet sich im Gleichgewicht, wenn die Arbeit der eingeprägten Kräfte bei einer virtuellen Verschiebung verschwindet.
Variante 2
Bei der zweiten Variante wird die Lagerkraft $A$ als eingeprägte Kraft behandelt, indem der Balken von dem Lager freigeschnitten wird und dafür die Lagerkräfte angetragen werden.
Hinweis
Die horizontale Lagerkraft wird gleich Null und wurde demnach nicht mit eingezeichnet.
Die Lagerkraft $A$ wirkt nun als eingeprägte Kraft auf den Balken ein und es ergibt sich eine Verschiebung und keine Verdrehung mehr. Die virtuelle Arbeit ergibt sich dann zu:
$\delta W = A \delta z - F_1 \delta z - F_2 \delta z = 0$
Aus der obigen Gleichung kann dann die unbekannte Lagerkraft $A$ berechnet werden:
$A = F_1 + F_2$
Merke
Es ist nun möglich mit dem Prinzip der virtuellen Arbeit bei gegebenen Gleichgewicht unbekannte Kräfte zu berechnen oder bei gegebenen Kräften die Gleichgewichtslage zu bestimmen.
Zusammenfassung
Zur Anwendung des Prinzips der virtuellen Arbeit werden virtuelle (gedachte) Verschiebungen eingeführt. Diese virtuellen Verschiebungen sind in Wirklichkeit nicht vorhanden, differentiell klein und mit den Bindungen des Systems verträglich. Die virtuelle Arbeit wird dann berechnet zu:
Methode
$dW = \sum F_i \cdot \delta r_i = 0$
$\delta W = \sum M_i \delta \varphi = 0$
Die Kraft wird mit ihrer virtuellen Verschiebung multipliziert. Es müssen alle eingeprägten Kräfte berücksichtigt werden. Um den Arbeitssatz aufstellen zu können, müssen zunächst bestimmte Schritte durchgeführt werden. Dies soll im Folgenden aufgezeigt werden.
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