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In den vorherigen Abschnitten wurde gezeigt, dass sich die ebene Bewegung eines starren Körpers aus der Translationsbewegung und Rotationsbewegung zusammensetzt. Es ist aber auch möglich, die ebene Bewegung eines starren Körpers als reine Drehnbewegung um einen momentanen Drehpunkt $M$ zu betrachten. Dieser Drehpunkt $M$ wird auch als Momentanpol bzw. Momentanzentrum bezeichnet.
Dabei existiert ein Momentanzentrum nur bei einer momentanen ebenen und nicht! rein translatorischen Bewegung. Das bedeutet, es muss eine Rotationsbewegung gegeben sein, wobei die Drehachse des rotatorischen Bewegungsanteils senkrecht zur Schwerpunktsgeschwindigkeit des Körpers ist. Liegt eine reine Rotation vor, so ist die Geschwindigkeit jedes Punktes senkrecht zur Drehachse. Das bedeutet, dass sich der Drehpunkt $M$ bzw. das Momentanzentrum bestimmen lässt, indem die Geschwindigkeiten von zwei Punkten des starren Körpers gegeben sind. Für die Geschwindigkeiten der beiden Körperpunkte $P$ und $Q$ gilt dann (Kreisbewegung, da Körper rotiert):
Methode
$v_P = r_P \; \omega$
$v_Q = r_Q \; \omega$
Ein Beispiel soll zeigen, wie genau das Momentanzentrum, also die Lage des Drehpunktes $M$ bestimmt wird. Hierzu ist eine Scheibe gegeben (kreisförmig), welche sich auf einer horizontalen Ebene bewegt (die Scheibe rutscht nicht, sondern rollt, so dass der Punkt $A$ eine kreisförmige Bewegung ausführt). Beim Rollen der Scheibe legt der Schwerpunkt $S$ den Weg $x$ zurück und der Punkt $A$ bewegt sich von $A$ nach $A'$. Die Scheibe dreht sich dabei um den Winkel $\varphi$.
Bei der Drehung der Scheibe wird die Bogenlänge $\varphi \cdot r$ abgerollt und diese ist gleich dem Weg $x$, welcher der Schwerpunkt zurücklegt:
Methode
$x = \varphi \cdot r$
Die Ableitung von $x$ nach der Zeit $t$ führt zu:
$\dot{x} = \dot{\varphi} \cdot r + \varphi \cdot \dot{r}$
Da $r = const$ gilt $\dot{r} = 0$:
$\dot{x} = \dot{\varphi} \cdot r = \omega \cdot r$
Dies entspricht der Geschwindigkeit $v_S$ des Schwerpunktes:
Methode
$\dot{x} = v_S = \omega \cdot r$
Es gilt weiter, dass der Körperpunkt auf der Scheibe, der die horizonatale Ebene berührt in diesem Moment die Geschwindigkeit Null besitzt. Dieser Punkt stellt das Momentanzentrum bzw. den Drehpunkt $M$ dar.
Betrachtet man nun die Geschwindigkeit eines bliebigen Körperpunktes $P$, so ergibt sich der Betrag der Geschwindigkeit zu:
$v_P = r_P \cdot \omega $
Auflösen von $v_S$ nach $\omega$ und einsetzen in $v_P$ ergibt dann:
Methode
$v_P = r_P \frac{v_S}{r}$
Diese Geschwindigkeit steht senkrecht auf der Geraden $\overline{MP}$. Dabei besitzt der Punkt $B$ die größte Geschwindigkeit mit:
$v_B = r_B \cdot \omega $
Es gilt $r_B = 2r$:
$v_B = 2r \cdot \omega $
Umstellen von $v_S$ nach $\omega$ und einsetzen in $v_B$:
Methode
$v_B = 2 \cdot v_S $
Grafische Lösung
Für die grafische Bestimmung des Momentanzentrums, werden die folgenden Fälle betrachtet:
Gegeben sei die Geschwindigkeitsrichtung $v_A$ eines Punktes und die Winkelgeschwindigkeit $\omega$ des Körpers. Sowie natürlich die Lage des Punktes $A$. Der Abstand zwischen $A$ und dem Momentanzentrum $M$ kann dann bestimmt werden durch: $r_A = \frac{v_A}{\omega}$. Dabei steht $r_A$ senkrecht auf der Geschwindigkeitsrichtung $v_A$:
Gegeben seien zwei Punkte, sowie ihre nicht-parallelen Geschwindigkeitsrichtungen. Die Beträge müssen hier nicht gegeben sein. Zur Bestimmung des Momentanzentrums, zeichnet man die Senkrechten $r_A$ und $r_B$ im Punkt $A$ und $B$ zu den Geschwindigkeitsvektoren. Dort wo diese sich schneiden, befindet sich das Momentanzentrum:
Die Geschwindigkeitsvektoren liegen parallel zueinander, weisen aber unterschiedliche Beträge auf (keine reine Translation), d.h. der Körper rotiert. Es kann eine Aussage über die Lage des Drehpunktes getroffen werden. Die Zeichnung erfolgt dann, indem eine senkrechte Gerade $r_A$ und $r_B$ am Fuß der Vektoren gezogen wird und eine Gerade, die durch beide Spitzen der Vektoren verläuft. Dort wo sich beide Geraden schneiden befindet sich der Drehpunkt $M$. Für diesem Fall muss die Richtung und der Betrag (also die Länge) der Geschwindigkeiten gegeben sein. Dabei reicht $r_A$ vom Momentanzentrum bis zum Punkt $A$ und $r_B$ vom Momentanzentrum zum Punkt $B$:
Die Geschwindigkeitsrichtungen und die Geschwindigkeitsbeträge sind für beide Punkte gleich -> Es kann keine Aussage über die Lage des Momentanzentrums getroffen werden. Da die Geschwindigkeitsvektoren in diesem Fall parallel zueinander liegen, werden die Senkrechten ebenfalls parallel zueinander stehen und sich nicht scheiden. Es liegt demnach eine reine Translationsbewegung (keine Rotation) vor, aus welcher man das Momentanzentrum nicht bestimmen kann:
Sind die Geschwindigkeitesrichtungen und die Beträge zweier paralleler Punkte gegeben, wobei die Richtungen der Geschwindigkeiten entgegengesetzt zueinander sind, so kann das Momentanzentrum bestimmt werden, indem die Verbindungsgerade zwischen den beiden Pfeilspitzen gezogen wird. Dort wo sich die Verbindungsgerade und die Senkrechte schneidet, liegt das Momentanzentrum $M$.
Ist ein Punkt gegeben mit $v = 0$, so stellt dieser Punkt das Momentanzentrum dar. Es gilt nämlich für die Geschwindigkeit des Momentanzentrums $v_M = 0$.
Zusammenfassung
- Die Geschwindigkeit steht immer senkrecht auf den Verbindungsgeraden zum Momentanzentrum.
- Das Momentanzentrum kann außerhalb des Körpers liegen.
- Das Momentanzentrum kann während der Bewegung seine Position veränder, $M$ ist also kein fester Punkt.
- Das Momentanzentrum besitzt die momentane Geschwindigkeit $v_M = 0$.
- Ist die momentane Geschwindigkeit eines Körpers Null, so ist dieser Punkt das Momentanzentrum $M$.
- Sind die Geschwindigkeitsrichtungen zweier Punkte bekannt sind, so lässt sich die Lage von $M$ bestimmen: Schnittpunkt der Senkrechten zu den beiden Geschwindigkeiten = Momentanzentrum!
Anwwendungsbeispiel: Momentanzentrum grafisch bestimmen
Beispiel
Gegeben sei die obige Grafik. Bestimmen Sie das Momentanzentrum $M$ für die Pleuestange $BC$.
Es müssen hier die Punkte $B$ und $C$ und deren Geschwindigkeiten betrachtet werden um das Momentanzentrum zu bestimmen. Dazu müssen zunächst die Geschwindigkeitsrichtungen eingezeichnet werden. Es kann dann das Momentanzentrum bestimmt werden, indem der Schnittpunkt der Senkrechten zu den beiden Geschwindigkeiten gezeichnet wird. Zunächst einmal werden die Geschwindigkeitsrichtungen bestimmt. Für $C$ ist diese ganz einfach zu bestimmen. Der Kolben kann sich nur horizontal bewegen, demnach bewegt sich auch der Punkt $C$ horizontal. Der Punkt $B$ hingegen führt aufgrund der Stange $AB$ eine Kreisbewegung aus. Der Punkt $A$ bewegt sich mit der Winkelgeschwindigkeit $\omega$ und stellt dabei den Kreismittelpunkt dar. Die Stange $AB$ kann als Radius aufgefasst werden und der Punkt $B$ befindet sich am Rand des Kreises. Der Geschwindigkeitsvektor liegt tangential zur Kreisbahn und damit steht dieser senkrecht auf $AB$. Dies entspricht dem Winkel $\varphi$:
Nachdem nun die Geschwindigkeitsrichtungen bestimmt worden sind, kann mittels der Senkrechten von $v_B$ und $v_C$ das Momentanzentrum $M$ bestimmt werden:
Anwendungsbeispiel: Momentanzentrum grafische Lösung
Beispiel
Gegeben sei die obige Grafik. Bestimmen Sie das Momentanzentrum für die Koppelstange $BC$ im hellblauen Zustand.
In der Grafik ist gut zu erkennen, dass sich die Punkte $B$ und $C$ auf Kreisbahnen bewegen (gestrichelte Linie), weil die Punkte $A$ und $D$ sich um eine feste Achse drehen. DAs bedeutet wiedrum, dass die Geschwindigkeit $v_C$ senkrecht auf $DC$ steht und die Geschwindigkeit $v_C$ senkrecht auf $AB$. Man kann sich also $DC$ und $AB$ als Radien vorstellen. Die Geschwindigkeiten liegen zudem immer tangential auf der Kreisbahn. Das alles ist in der nachfolgenden Grafik veranschaulicht:
Da die beiden Stangen $DC$ und $AB$ senkrecht auf den Geschwindigkeiten stehen, muss man nun um das Momentanzentrum zu finden nur noch diese Stangen verlängern, bis diese sich irgendwann schneiden. Dort befindet sich dann das Momentanzentrum. In der folgenden Grafik wird dies nun angedeutet, da der Schnittpunkt sehr weit entfernt liegt:
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