Inhaltsverzeichnis
In diesem Abschnitt wird gezeigt wie sich die Flächenträgheitsmomente berechnen lassen, wenn das UrsprungsKoordinatensystem um einen mathematisch positiven Winkel $\alpha $ gedreht wird. Zunächst erfolgt die Herleitung der Formeln zur Bestimmung der Flächenträgheitsmomente für das gedrehte Koordinatensystem, danach erfolgt die Zusammenfassung der Formeln und zum Schluss ein Anwendungsbeispiel.
Die Koordinaten aus dem bisherigen ebenen Koordinatensystem $y, z$ werden nun in das Koordinatensystem $\xi \eta $ überführt. Die Lage der Koordinaten im neuen Koordinatensystem lässt sich hierbei in Abhängigkeit der ursprünglichen Koordinaten berechnen.
Die neuen Tensorkomponenten haben formal die Form:
$ I_{\xi \xi} = \int_A \; \eta^2 dA $
$ I_{\eta \eta} = \int_A \; \xi^2 dA $
sowie $ I_{\xi \ \eta} = I_{\eta \ \xi} = - \int_A \; \xi \; \eta \; dA $
Der Zusammenhang zwischen den "alten" und "neuen" Koordinaten ergibt sich durch:
$\xi = z \cos (\alpha) - y \sin (\alpha)$
$\eta_p = y \cos (\alpha) + z \sin (\alpha) $
Zusätzlich benötigt man die Additionstheoreme, die die folgende Form besitzen:
$ 2 \sin (\alpha) \cos (\alpha) = \sin (2\alpha) $
$\ \cos^2 (\alpha) = \frac{1}{2} (1 + \cos (2\alpha)) $
$\ \sin^2 (\alpha) = \frac{1}{2} (1 - \cos (2\alpha)) $
Jetzt sind alle notwendigen Bestandteile zur Koordinatentransformation vorhanden.
Koordinatentransformation
Exemplarisch wird hier auf $ I_{\eta\eta}$ eingegangen:
- Im ersten Schritt setzt man die zuvor aufgestellten Gleichungen bezüglich des Zusammenhangs in die Definitionsgleichungen der Tensorkomponenten ein.
$ I_{\eta\eta} = \int_A \; \xi^2_p \; dA \; \rightarrow \; I_{\eta\eta} = \int_A (z \cos (\alpha) - y \sin (\alpha))^2 dA$
Unter Berücksichtigung der binomischen Formel ergibt sich:
$\rightarrow I_{\eta \eta} = \int_A (z^2 \cos^2 (\alpha) - 2 zy \cos (\alpha) \sin (\alpha) + y^2 \sin^2 (\alpha)) \; dA $
$\rightarrow I_{\eta \eta} = \cos^2 (\alpha) \int_A z^2 \; dA - 2 \cos (\alpha) \sin (\alpha) \int_A zy \; dA + \sin^2 (\alpha) \int_A y^2 \; dA $
mit $I_y = \int_A z^2 dA$, $I_z = \int_A y^2 \; dA$ und $I_{yz} = -\int_A yz \; dA$ ergibt sich:
$\rightarrow I_{\eta \eta} = I_y \cos^2 (\alpha) + I_{xy} \; 2 \cos (\alpha) \sin (\alpha) + I_z \sin^2 (\alpha) $
- Im nächsten Schritt wird unter Verwendung der Additionstheoreme die Gleichung umgeschrieben zu:
$\ I_{\eta\eta} = \frac{1}{2} (I_y + I_z) + \frac{1}{2} (I_y - I_z) \cos (2\alpha) + I_{yz} \sin (2\alpha) $
Diese letzte Gleichung stellt eines der drei Transformationsgesetze für die Trägheitsmomente dar.
Dasselbe Vorgehen für die anderen beiden Gleichungen ergibt:
$\ I_{\xi\xi} = \frac{1}{2} (I_y + I_z) - \frac{1}{2} (I_y - I_z) \cos (2\alpha) - I_{yz} \sin (2\alpha) $
$\ I_{\xi\eta} = -\frac{1}{2} (I_y - I_z) \sin (2\alpha) + I_{xy} \cos (2\alpha) $
und können auch nach dem oben beschriebenen Schema berechnet werden.
Merke
Vielleicht mag Ihnen aufgefallen sein, dass eine starke Ähnlichkeit zu den Transformationsgleichungen für Spannungen besteht! Grund dafür ist, dass Tensorkomponenten stets denselben Transformationsgesetzen gehorchen, unabhängig von deren physikalischer Bedeutung.
Die Summe der Flächenträgheitsmomente ist unabhängig vom Drehwinkel gleich:
$I_y + I_z = I_{\eta} + I_{\xi} = I_p$ (1. Invariante)
Methode
Zusammenfassung der Transformationsgesetze für Flächenträgheitsmomente:
$\ I_{\eta\eta} = \frac{1}{2} (I_y + I_z) + \frac{1}{2} (I_y - I_z) \cos (2\alpha) + I_{yz} \sin (2\alpha) $
$\ I_{\xi\xi} = \frac{1}{2} (I_y + I_z) - \frac{1}{2} (I_y - I_z) \cos (2\alpha) - I_{yz} \sin (2\alpha) $
$\ I_{\xi\eta} = -\frac{1}{2} (I_y - I_z) \sin (2\alpha) + I_{yz} \cos (2\alpha) $
Invariante:
$I_y + I_z = I_{\eta} + I_{\xi} = I_p$
$\\$
Merke
Bei Drehung des Koordinatensystems entgegen dem Uhrzeigersinn (Linksdrehung) geht der Winkel $\alpha$ positiv in die Rechnung ein, bei Drehung mit dem Uhrzeigersinn (Rechtsdrehung) geht der Winkel $\alpha$ negativ in die Rechnung ein.
Beispiel: Flächenträgheitsmomente bei Drehung des Koordinatensystems
Beispiel
Gegeben sei das obige Rechteck mit den Seitenlängen $a = 6 cm$ und $b = 24 cm$. Berechne die Flächenträgheitsmomente für eine Drehung des Koordinatensystems um 30°.
Wie bereits im vorherigen Abschnitt gezeigt und wie aus der Tabelle im Abschnitt Flächenträgheitsmomente in Abhängigkeit vom Koordinatensystem zu entnehmen, besitzt das Rechteck die folgenden Flächenträgheitsmomente:
$I_y =\frac{a^3b}{12} = 432 cm^4$
$I_z = \frac{b^3a}{12} = 6912 cm^4$
$I_{yz} = 0$
Es sollen nun die Flächenträgheitsmomente $I_{\eta}$, $I_{\zeta}$ und $I_{\eta\zeta}$ bei einer Drehung des Koordinatensystems um 30° berechnet werden. Dazu werden die obigen Formeln verwendet und die Flächenträgheitsmomente $I_y$, $I_z$ und $I_{xy}$ eingesetzt:
$\ I_{\eta\eta} = \frac{1}{2} (432 + 6912) + \frac{1}{2} (432 - 6912) \cos (2 \cdot 30°) + 0 \cdot \sin (2 \cdot 30°) $
$I_{\eta\eta} = 2052 cm^4$
$\ I_{\xi\xi} = \frac{1}{2} (432 + 6912) - \frac{1}{2} (432 - 6912) \cos (2 \cdot 30°) - 0 \cdot \sin (2 \cdot 30°) $
$\ I_{\xi\xi} = 5292 cm^4$
$\ I_{\xi\eta} = -\frac{1}{2} (432 - 6912) \sin (2 \cdot 30°) + 0 \cdot \cos (2 \cdot 30°)$
$\ I_{\xi\eta} = 2806 cm^4$
Die 1. Invariante besagt $I_y + I_z = I_{\eta} + I_{\xi}$. Ist die Summe aus den Flächenträgheitsmomenten des ungedrehten Koordinatensystems gleich der Summe aus den Flächenträgheitsmomenten des gedrehten Koordinatensystems, dann ist das Ergebnis korrekt:
$432 + 6912 = 7344 cm^4$
$2052 + 5292 = 7344 cm^4$
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