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Technische Mechanik 2: Elastostatik

Schiefe bzw. zweiachsige Biegung

In den vorherigen Abschnitten wurde gezeigt, wie die Normalspannungen und die Biegelinie für die einachsige Biegung bestimmt werden können. Bei der einachsigen Biegung wirkt die resultierende äußere Kraft in Richtung einer der Hauptachsen des Querschnittes, d.h. es lag ein Moment um eine der Hauptachse vor (=einachsige Biegung). 

In den folgenden Abschnitten wird nun die zweiachsige bzw. schiefe Biegung betrachtet (ohne Zug-/Druckkraft). Hierbei wirkt das Moment nicht mehr nur um eine Hauptachse, sondern um beide Hauptachsen.

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Eine zweiachsige Biegung liegt vor, wenn Momente um beide Hauptachsen auftreten. Dies ist der Fall, wenn die Summe aller auf einen Balken wirkenden Kräfte nicht in Richtung einer der Hauptachsen zeigt.

Eine einachsige Biegung liegt vor, wenn das Moment um eine Hauptachse vorliegt. Dies ist der Fall, wenn die Summe aller auf einen Balken wirkenden Kräfte in Richtung einer der Hauptachsen zeigt.

Für die folgenden Betrachtungen werden hierzu Balken mit symmetrischen und asymmetrischen Querschnittsprofilen betrachtet. Dabei sei auf die Herleitung der Formeln verzichtet.

Symmetrische Querschnittsprofile

Für symmetrische Querschnittsprofile bezüglich der $y,z$-Achsen stellen diese Achsen auch gleichzeitig die Hauptachsen dar. Eine schiefe Biegung liegt also dann vor, wenn Momente um die beiden $y,z$-Hauptachsen vorliegen. Dies ist der Fall, wenn Kräfte gegeben sind, die sowohl in $y$-Richtung als auch in $z$-Richtung wirken. Fasst man diese Kräfte zu einer einzigen Kraft zusammen (Resultierende), so erhält man eine Kraft die in keine der beiden Achsen wirkt. Die Definition für schiefe Biegung im Abschnitt Arten der Biegung ist dann also erfüllt: "Dies ist der Fall, wenn die Summe aller äußeren Kräfte nicht in Richtung einer der Hauptachsen wirkt."

Schiefe vs gerade Biegung
Vergleich zwischen schiefer und gerader Biegung

In der obigen Grafik ist ein einfach symmetrischer Querschnitt abgebildet. Die $z$-Achse stellt die Symmetrieachse dar und damit auch gleichzeitig die Hauptachse. Die dazu senkrechte $y$-Achse stellt dann ebenfalls die Hauptachse dar.  Die resultierende äußere Belastung zeigt in der ersten Grafik nicht in Richtung einer der Hauptachsen. Das bedeutet, dass Momente um beide Hauptachsen vorliegen. Die äußere Kraft kann nämlich in die $y$-und $z$-Richtung zerlegt werden und damit treten Momente um beide Hauptachsen auf. Es liegt also schiefe Biegung vor. In der rechten Grafik hingegen zeigt die resultierende äußere Kraft bereits in $z$-Richtung. Diese kann also nicht mehr in ihre $y$- und $z$-Komponenten zerlegt werden. Es liegt also nur eine Kraft in Richtung der $z$-Achse vor (=Hauptachse) und damit tritt auch nur ein Moment um die $y$-Achse auf (einachsige Biegung). 

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Liegen doppelt symmetrische Querschnitte vor (z.B. Rechteck, Kreis), so sind die Hauptachsen mit den Symmetrieachsen identisch. Bei einfach symmetrischen Querschnitten (z.B. Trapez, T-Träger) ist die eine Symmetrieachse eine Hauptachse und die dazu senkrecht stehende durch den Schwerpunkt verlaufende Achse ebenfalls eine Hauptachse. 

Asymmetrische Querschnittsprofile

Für asymmetrische Querschnittsprofile bezüglich der $y,z$-Achsen gilt, dass die $y,z$-Achsen, die durch den Schwerpunkt des Querschnittes verlaufen nicht gleichzeitig die Hauptachsen des Querschnittes darstellen, weil diese Achsen keine Symmetrieachsen darstellen.  Hier müssen zunächst die Hauptachsen bestimmt werden. Zeigt die resultierende Kraft nicht in Richtung der Hauptachsen, so liegt auch hier schiefe Biegung vor.

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Bei asymmetrischen Querschnittsprofilen kann auch gerade Biegung auftreten. Dies ist der Fall, wenn die Summe aller äußeren Kräfte in Richtung einer der Hauptachsen des Querschnittes wirkt. Da dies aber eher selten ist, wird dieser Fall nicht betrachtet. 


Um dies zu zeigen, wird der folgende Balken mit asymmetrischer Querschnittsfläche betrachtet:

Schiefe Biegung symmetrischer Querschnitt
Schiefe Biegung bei einem asymmetrischen Querschnitt

In der obigen Grafik ist ein asymmterischer Querschnitt bezüglich der $y,z$-Achsen gegeben. Das bedeutet, dass die $y$- und $z$-Achse nicht die Hauptachsen des Querschnitts darstellen. Die Hauptachsen für das obige Profil sind in der ersten Grafik eingezeichnet. Schiefe Biegung liegt vor, wenn die resultierende äußere Kraft nicht in Richtung einer der Hauptachsen angreift, weil dann Momente um beide Hauptachsen vorliegen. In der zweiten Grafik zeigt die äußere resultierende Kraft in Richtung der $z$-Achse, in der dritten Grafik in Richtung der $y$-Achse. Hier liegt schieße Biegung vor, weil beide äußeren Kräfte nicht in Richtung einer der Hauptachsen zeigen und damit jeweils Momente um beide Hauptachsen auftreten.

Vorgehensweise zur Bestimmung der geraden bzw. schiefen Biegung

Diese Vorgehensweise ist sinnvoll, wenn mehrere Kräfte auf einen Balken wirken und die Richtung der Resultierenden nicht sofort ersichtlich ist. Wirken also zum Beispiel Kräfte in y-Richtung und in z-Richtung, so muss zunächst die Richtung der Resultierenden bestimmt werden, um herauszufinden, ob diese in Richtung einer der Hauptachsen wirkt (=gerade Biegung) oder nicht (=schiefe Biegung).

1. Hauptachsen bestimmen

Die Symmetrieachsen des Querschnittes stellen die Hauptachsen dar. Alle zu den Symmetrieachsen senkrechten Achsen sind ebenfalls Hauptachsen. Sind die y,z-Achsen des Querschnitts Symmetrieachsen (es reicht aus, wenn eine der Achsen eine Symmetrieachse darstellt), dann sind diese Achse gleichzeitig die Hauptachsen des Querschnitts. Sind die y,z-Achsen keine Symmetrieachsen, so sind diese auch keine Hauptachsen.

Soll die Lage der Hauptachsen berechnet werden, so kann dies über die folgende Gleichung geschehen:

Methode

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$\tan(2 \alpha_Y^*) = \frac{2 I_{yz}}{I_y - I_z}$

mit

$I_{yz}$  Deviationsmoment

$I_z$ Flächenträgheitsmoment in Bezug auf die z-Achse

$I_y$ Flächenträgheitsmoment in Bezug auf die y-Achse

$\alpha_Y^*$ ist die Drehung der y-Achse. Ist der Winkel positiv, so erfolgt eine Linksdrehung, bei einem negativen Winkel eine Rechtsdrehung. Nach der Drehung um den Winkel resultiert die Lage einer der Hauptachsen. Die andere Hauptachse liegt senkrecht dazu. 

 2. Resultierende äußere Kraft bestimmen

Greift nur eine Kraft auf den Balken bzw. zeigen alle Kräfte in dieselbe Richtung, so zeigt auch die Resultierende in diese Richtung. Wir kennen dann bereits die Richtung der Resultierenden. Zeigt diese in Richtung einer der Hauptachsen (=Gerade Biegung) oder nicht (=schiefe Biegung).

Sind Kräfte gegeben, die in unterschiedliche Richtungen angreifen, so müssen diese zu einer resultierenden Kraft zusammengefasst werden.

Methode

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$R_y = \sum F_{iy}$         Summe aller Kräfte in $y$-Richtung

$R_z = \sum F_{iz}$         Summe aller Kräfte in $z$-Richtung

 

Mittels Satz des Pythagoras lässt sich dann die Resultierende bestimmen:

$R = \sqrt{R_y^2 + R_z^2}$

3. Richtung der Resultierenden bestimmen

Die Richtung der Resultierenden ist dann ausschlaggebend dafür, ob es sich um eine schiefe oder gerade Biegung handelt. Die Richtung der resultierenden Kraft kann bestimmt werden zu:

Methode

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$\tan(\alpha) = \frac{R_y}{R_z}$          Winkel zwischen $R$ und $R_z$

Zeigt die Resultierende in Richtung einer der Hauptachsen -> Gerade Biegung

Zeigt die Resultierende nicht in Richtung einer der Hauptachsen -> Schiefe Biegung

Normalspannungen bei schiefer Biegung ohne Zug-/Druckkraft

Die Normalspannung bei schiefer Biegung ohne Zug- / Druckkraft ($N = 0$) ergibt sich zu:

Normalspannung bei asymmetrischem Querschnitt (y,z-Achsen sind keine Hauptachsen):

Methode

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$\sigma_x = \frac{(M_y \cdot I_z - M_z \cdot I_{yz}) z - (M_z \cdot I_y - M_y \cdot I_{yz}) y}{I_y \cdot I_z - I_{yz}^2}$   

Diese Gleichung kann als Ausgangsgleichung zur Bestimmung der Normalspannung (ohne Zug/Druck) herangezogen werden. Mit dieser Ausgangsgleichung kann sowohl für die schiefe als auch für die gerade Biegung die Normalspannung berechnet werden.

Für einen symmetrischen Querschnitt bezüglich der y,z-Achsen, sind diese gleichzeitig die Hauptachsen des Querschnitts. Damit ergibt sich das Deviationsmoment $I_{yz} = 0$:

Methode

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$\sigma_x = \frac{M_y \cdot I_z \cdot z - M_z \cdot I_y \cdot y}{I_y \cdot I_z}$   


Wirkt die Resultierende nur in $z$-Richtung, so entsteht nur ein Moment um die y-Achse ($M_z = 0$). Wirkt die Resultierende nur in $y$-Richtung, so entsteht nur ein Moment um die z-Achse ($M_y = 0$). 

Liegt nun also eine Belastung in z-Richtung ($M_z = 0$) vor und sind die y,z-Achsen des Querschnitts gleichzeitig Hauptachsen ($I_{yz} = 0$), so ergibt sich eine gerade Biegung mit der Gleichung:

$\sigma_x = \frac{M_y \cdot z}{I_y}z$

Liegt eine Belastung in y-Richtung ($M_y = 0$) vor und sind die y,z-Achsen des Querschnitts gleichzeitig Hauptachsen ($I_{yz} = 0$), so ergibt sich eine gerade Biegung:

$\sigma_x = \frac{ - M_z}{I_z} y $

Differentialgleichung der Biegelinie

Für asymmetrische Querschnitte ergibt sich:

Methode

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$Ew'' = \frac{M_z \cdot I_{yz} - M_y \cdot I_z}{I_y \cdot I_z - I_{yz}^2}$   Verbiegung in $z$-Richtung

Methode

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$Ev'' = \frac{M_z \cdot I_y - M_y \cdot I_{yz}}{I_y \cdot I_z - I_{yz}^2}$   Verbiegung in $y$-Richtung


Für symmetrische Querschnitte gilt ($I_{yz} = 0$):

Methode

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$Ew'' = -\frac{M_y}{I_y}$   Verbiegung in $z$-Richtung

Methode

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$Ev'' = \frac{M_z}{I_z}$   Verbiegung in $y$-Richtung

Erfolgt die Belastung nur in $z$-Richtung, wird $M_z = 0$. Bei Belastung nur in $y$-Richtung ergibt sich $M_y = 0$. Für symmetrische Querschnitte wird gleich sichtbar, dass die einachsige Biegung vorliegt, wenn die Belastung nur in eine Richtung erfolgt. Für asymmetrische Querschnitte wird sichtbar, dass die Balkenbiegung sowohl in $y$- als auch in $z$-Richtung erfolgt, auch wenn die Belastung nur in eine Richtung stattfindet.

Die Vorgehensweise zur Bestimmung der Biegelinie ist identisch mit der Berechnung für die einachsige Biegung. Die Differentialgleichung muss zweimal integriert werden. Die anfallenden Integrationskonstanten können dann aus den Rand- und Übergangsbedingungen entnommen werden. 

Spannungsnulllinie

Als Spannungsnulllinie (auch: Neutrale Faser), bezeichnet man diejenige Faser eines Balkenquerschnitts, deren Länge sich bei Verdrehen bzw. Biegen nicht ändert. Dort verursacht die Beanspruchung keine Zug- oder Druck-Spannung (Normalspannung gleich Null). Dort wo der betragsmäßig senkrechte Abstand von der Nulllinie maximal ist, ergeben sich die maximalen Normalspannungen.

Die Lage der Nulllinie bei schiefer Biegung ergibt sich wie folgt ($\sigma = 0$):

Methode

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$tan (\beta) = z over y = \frac{M_z I_y - M_y I_{yz}}{M_y I_z - M_z I_{yz}}$

Hierbei ist $\beta$ der Winkel zwischen der y-Achse und der Nulllinie. Ein positiver Winkel bedeutet, die Abtragung erfolgt entgegen dem Uhrzeigersinn (Linksdrehung) von der y-Achse ausgehend.

Hinweis

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Ist die Spannungsnulllinie eingezeichnet, so kann mittels Geodreieck von der Nulllinie ausgehend (Nullpunkt des Geodreiecks in die Nulllinie legen) der betragsmäßig maximale Abstand bestimmt werden.

Auch diese Gleichung kann für sämtliche Belastungfälle als Ausgangsgleichung herangezogen werden. Wirkt z.B. nur eine Kraft in z-Richtung, so resultiert ein Moment um die y-Achse, womit $M_z = 0$. Sind die y,z-Achse dann noch Hauptachsen des Querschnitts, so folgt $I_{yz} = 0$. Es liegt dann gerade Biegung vor und die Spannungsnulllinie ergibt sich zu:

$tan (\beta) = 0$

Das bedeutet, dass die Nulllinie mit der y-Achse zusammenfällt.