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Technische Mechanik 2: Elastostatik - Allgemeine Annahmen

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Technische Mechanik 2: Elastostatik

Allgemeine Annahmen

In den bisherigen Betrachtungen wurden Spannungszustände stets an Zugstäben untersucht. Dabei handelte es sich um einachsige Spannungszustände, bei denen die Spannungen nur in Richtung der Belastung $F$ aufgetreten sind. Das bedeutet also, dass nur Normalspannungen $\sigma$ und keine Schubspannungen $\tau$ aufgetreten sind. 

Allgemeine Annahmen

Da in der Realität jedoch viel kompliziertere Spannungszustände auftreten, gilt es einige allgemeine Annahmen zu treffen. Es wird zunächst wieder die bereits bekannte Grafik aus dem Abschnitt Allgemeine Definition der Spannungen herangezogen:

Lokaler Spannungsvektor
Lokaler Spannungsvektor

 

In der obigen Grafik greifen die Kräfte beliebig am Körper an. Die Kräfte greifen nun also nicht mehr nur in Richtung der Längsachse des Körpers (wie bei Zugstäben/Druckstäben) an. Bei einem Zug-/Druckstab war es so, dass nur Kräfte in einer Achsenrichtung aufgetreten sind:

Beanspruchung eines Zugstabs
Beanspruchung eines Zugstabs

 

Bei einem Schnitt und dem Abtragen der Schnittkräfte $N$ (senkrecht) auf der Schnittfläche, also in $x$-Richtung und $T$ tangential zur Schnittfläche, wird bei Anwendung der vertikalen Gleichgewichtsbedingung $T = 0$ und damit $\tau = \frac{T}{A} = 0$. 

Im allgemeinen Spannungszustand treten aber nicht nur Kräfte in eine Richtung auf, sondern die Kräfte greifen beliebig am ganzen Körper an, in die drei $x$-, $y$- und $z$-Richtungen. 

Das bedeutet, dass hier nicht nur Normalspannungen $\sigma$ auftreten, sondern ebenfalls Schubspannungen $\tau$. Für die Normalspannung (senkrecht zum Schnitt) in $x$-Richtung ergeben sich demnach Schubspannungen (tangential zum Schnitt) in $y$- und $z$-Richtung:

Schubspannungen
Schubspannungen

 

Im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen (siehe Abschnitt Definition der Spannung) wird die Schubspannung $\tau$ in die beiden Richtungen, die die Tangentialebene aufspannen (parallel zur Querschnittsfläche), zerlegt. Diese Richtungen sind die $y$- und $z$-Richtung. Es treten also die Schubspannungen $\tau_{xy}$ und $\tau_{xz}$ auf. Der Normalenvektor, und damit die Normalspannung $\sigma$, ist deckungsgleich mit der x-Richtung. In einem nächsten Schritt werden die Spannungskomponenten indiziert:

Spannungsvektor $ t = t_x\cdot e_x + t_y\cdot e_y + t_z\cdot e_z $

In der obigen Gleichung wird der Spannungsvektor durch seine Komponenten und den Einheitsvektoren in $x$-, $y$- und $z$-Richtung ausgedrückt. Da der Einheitsvektor $ e_x $ mit dem Normalenvektor $ n $ identisch ist, ist auch die Normalspannung $\sigma_{xx} $ mit der Komponente $ t_x $ identisch. Analog dazu gilt für die Schubspannungskomponenten:

$\ t_y = \tau_{xy} $ und $ t_z = \tau_{xz}$.


Fasst man nun alle Annahmen zusammen, erhält man für den Spannungsvektor die Gleichung:

Spannungsvektor $ t = \sigma_{xx}e_x + \tau_{xy}e_y + \tau_{xz}e_z$

Merke

Hier klicken zum AusklappenDie Doppelindizierung der Komponenten ist nicht willkürlich gewählt, sondern beschreibt mit dem ersten Index die Orientierung der Schnittfläche über dem Normalenvektor $n$ und mit dem zweiten Index die Richtung der Spannung (also die Richtung des Vektors). 

Fällt der Normalenvektor hingegen mit dem Einheitsvektor $ e_y $ oder $ e_z $ zusammen, so ändert sich der Spannungsvektor entsprechend:

Methode

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Spannungsvektoren

X-Richtung: $t = \sigma_{xx}e_x + \tau_{xy}e_y + \tau_{xz}e_z$

Y-Richtung: $ t = \tau_{yx}e_x + \sigma_{yy}e_y + \tau_{yz}e_z $

Z-Richtung: $ t = \tau_{zx}e_x + \tau_{zy}e_y + \sigma{zz}e_z $


Insgesamt sind nun neun Spannungskomponenten beschrieben, davon drei Normalspannungen und sechs Schubspannungen. Zur Veranschaulichung dient die nächste Abbildung:

Spannungskomponenten
Spannungskomponenten

 

Der obige freigeschnittene Würfel zeigt alle Spannungskomponenten. Bei Betrachtung z.B. der $y$-Richtung, besagen die Indizes der Normalspannung $\sigma_{yy}$, dass die Querschnittsfläche in $y$-Richtung zeigt und der Vektor ebenfalls in $y$-Richtung zeigt.

Die Indizes der Schubspannungen $\tau_{yz}$ und $\tau_{yx}$ bedeuten, dass der Schnitt in $y$-Richtung durchgeführt wurde und somit die Normalspannung in $y$-Richtung wirkt. Da die Schubspannung immer tangential (parallel) zur Querschnittsfläche liegt, zeigt der eine Vektor in $z$-Richtung und der andere in $x$-Richtung. Das erste Indize gibt also immer die Richtung des Normalenvektors bzw. der Normalspannung an, der bzw. die senkrecht auf dem Schnitt steht. Das zweite Indize zeigt die Richtung des Vektors selbst an.

Merke

Hier klicken zum AusklappenDa die Indizes der Normalspannungen immer identisch sind, ist für ihre eindeutige Beschreibung lediglich ein Index notwendig:

$\sigma_{xx} = \sigma_x $

$\sigma_{yy} = \sigma_y $

$\sigma_{zz} = \sigma_z $

Momentengleichgewicht

Um das Momentengleichgewicht aufzustellen, werden als nächstes die Spannungskomponenten in der Ebene ($y$-$z$-Richtung) betrachtet.

Spannungskomponenten in der Ebene
Spannungskomponenten in der Ebene

 

Es wird nun das Momentengleichgewicht um den Elementmittelpunkt betrachtet. Da sich dieser in der Mitte des Quadrats befindet, sind die Abstände (also der Hebelarm) der Schubspannungen alle $\frac{dy}{2}$ bzw. $\frac{dz}{2}$. Die Normalspannungen werden null, da diese keinen Hebelarm besitzen (Wirkungslinien schneiden den betrachteten Mittelpunkt). Zusätzlich zum Hebelarm muss noch die Fläche $dA$ berücksichtigt werden, welche sich z.B. bei der Querschnittsfläche in $y$-Richtung ergibt aus $dx \cdot dz$:

Spannungskomponenten in der Ebene
Spannungskomponenten in der Ebene

 

Momentengleichgewichtsbedingung:

$\curvearrowleft M = \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz + \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz - \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy - \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy = 0$

$\rightarrow : 2 \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz = 2 \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy$

Aus dieser Gleichung wird deutlich, dass sich $\tau_{yz} $ analog zu $\tau_{zy} $ verhält.

Gleiches gilt für die Gleichgewichtsbetrachtung in den anderen Ebenen:

$\tau_{yx} = \tau_{xy} $

$\tau_{xz} = \tau_{zx} $ 

Die Quintessenz aus diesen Zusammenhängen ist, dass eine Abhängigkeit zwischen Schubspannungen besteht und dass immer jene, die ein vertauschtes Indexpaar besitzen identisch sind. So sind also Schubspannungen in zwei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen gleich. Diese sogenannten zugeordneten Schubspannungen zeigen immer entweder beide auf eine Kante hin oder von einer Kante weg. Die unabhängigen Schubspannungen reduzieren sich somit auf drei und die Anzahl der unabhängigen Spannungskomponenten auf sechs.

Hieraus kann nun ein symmetrischer Spannungstensor gebildet werden:

$\ S = \left(\begin{array}{c} \sigma_x \ \tau_{xy}\ \tau_{xz}\\ \tau_{yx}\ \sigma_y\ \tau_{yz} \\ \tau_{zx}\ \tau_{zy}\ \sigma_z \end{array}\right) = \left(\begin{array}{c} \sigma_x \ \tau_{xy}\ \tau_{xz}\\ \tau_{xy}\ \sigma_y\ \tau_{yz} \\ \tau_{xz}\ \tau_{yz}\ \sigma_z \end{array}\right) $

Die Diagonalen bilden die Normalspannungen. Die übrigen Elemente sind Schubspannungen. Beide Spannungstensoren sind symmetrisch aufgrund der Gleichheit der Schubspannung bei identischen Indizes.

Merke

Hier klicken zum AusklappenEin Spannungstensor ist ein Tensor zweiter Stufe, der mechanische Spannungen an einem bestimmten Punkt in einem Körper beschreibt.