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In den bisherigen Betrachtungen wurden Spannungszustände stets an Zugstäben untersucht. Dabei handelte es sich um einachsige Spannungszustände, bei denen die Spannungen nur in Richtung der Belastung $F$ aufgetreten sind. Das bedeutet also, dass nur Normalspannungen $\sigma$ und keine Schubspannungen $\tau$ aufgetreten sind.
Allgemeine Annahmen
Da in der Realität jedoch viel kompliziertere Spannungszustände auftreten, gilt es einige allgemeine Annahmen zu treffen. Es wird zunächst wieder die bereits bekannte Grafik aus dem Abschnitt Allgemeine Definition der Spannungen herangezogen:
In der obigen Grafik greifen die Kräfte beliebig am Körper an. Die Kräfte greifen nun also nicht mehr nur in Richtung der Längsachse des Körpers (wie bei Zugstäben/Druckstäben) an. Bei einem Zug-/Druckstab war es so, dass nur Kräfte in einer Achsenrichtung aufgetreten sind:
Bei einem Schnitt und dem Abtragen der Schnittkräfte $N$ (senkrecht) auf der Schnittfläche, also in $x$-Richtung und $T$ tangential zur Schnittfläche, wird bei Anwendung der vertikalen Gleichgewichtsbedingung $T = 0$ und damit $\tau = \frac{T}{A} = 0$.
Im allgemeinen Spannungszustand treten aber nicht nur Kräfte in eine Richtung auf, sondern die Kräfte greifen beliebig am ganzen Körper an, in die drei $x$-, $y$- und $z$-Richtungen.
Das bedeutet, dass hier nicht nur Normalspannungen $\sigma$ auftreten, sondern ebenfalls Schubspannungen $\tau$. Für die Normalspannung (senkrecht zum Schnitt) in $x$-Richtung ergeben sich demnach Schubspannungen (tangential zum Schnitt) in $y$- und $z$-Richtung:
Im Gegensatz zum bisherigen Vorgehen (siehe Abschnitt Definition der Spannung) wird die Schubspannung $\tau$ in die beiden Richtungen, die die Tangentialebene aufspannen (parallel zur Querschnittsfläche), zerlegt. Diese Richtungen sind die $y$- und $z$-Richtung. Es treten also die Schubspannungen $\tau_{xy}$ und $\tau_{xz}$ auf. Der Normalenvektor, und damit die Normalspannung $\sigma$, ist deckungsgleich mit der x-Richtung. In einem nächsten Schritt werden die Spannungskomponenten indiziert:
Spannungsvektor $ t = t_x\cdot e_x + t_y\cdot e_y + t_z\cdot e_z $
In der obigen Gleichung wird der Spannungsvektor durch seine Komponenten und den Einheitsvektoren in $x$-, $y$- und $z$-Richtung ausgedrückt. Da der Einheitsvektor $ e_x $ mit dem Normalenvektor $ n $ identisch ist, ist auch die Normalspannung $\sigma_{xx} $ mit der Komponente $ t_x $ identisch. Analog dazu gilt für die Schubspannungskomponenten:
$\ t_y = \tau_{xy} $ und $ t_z = \tau_{xz}$.
Fasst man nun alle Annahmen zusammen, erhält man für den Spannungsvektor die Gleichung:
Spannungsvektor $ t = \sigma_{xx}e_x + \tau_{xy}e_y + \tau_{xz}e_z$
Merke
Fällt der Normalenvektor hingegen mit dem Einheitsvektor $ e_y $ oder $ e_z $ zusammen, so ändert sich der Spannungsvektor entsprechend:
Methode
Spannungsvektoren
X-Richtung: $t = \sigma_{xx}e_x + \tau_{xy}e_y + \tau_{xz}e_z$
Y-Richtung: $ t = \tau_{yx}e_x + \sigma_{yy}e_y + \tau_{yz}e_z $
Z-Richtung: $ t = \tau_{zx}e_x + \tau_{zy}e_y + \sigma{zz}e_z $
Insgesamt sind nun neun Spannungskomponenten beschrieben, davon drei Normalspannungen und sechs Schubspannungen. Zur Veranschaulichung dient die nächste Abbildung:
Der obige freigeschnittene Würfel zeigt alle Spannungskomponenten. Bei Betrachtung z.B. der $y$-Richtung, besagen die Indizes der Normalspannung $\sigma_{yy}$, dass die Querschnittsfläche in $y$-Richtung zeigt und der Vektor ebenfalls in $y$-Richtung zeigt.
Die Indizes der Schubspannungen $\tau_{yz}$ und $\tau_{yx}$ bedeuten, dass der Schnitt in $y$-Richtung durchgeführt wurde und somit die Normalspannung in $y$-Richtung wirkt. Da die Schubspannung immer tangential (parallel) zur Querschnittsfläche liegt, zeigt der eine Vektor in $z$-Richtung und der andere in $x$-Richtung. Das erste Indize gibt also immer die Richtung des Normalenvektors bzw. der Normalspannung an, der bzw. die senkrecht auf dem Schnitt steht. Das zweite Indize zeigt die Richtung des Vektors selbst an.
Merke
$\sigma_{xx} = \sigma_x $
$\sigma_{yy} = \sigma_y $
$\sigma_{zz} = \sigma_z $
Momentengleichgewicht
Um das Momentengleichgewicht aufzustellen, werden als nächstes die Spannungskomponenten in der Ebene ($y$-$z$-Richtung) betrachtet.
Es wird nun das Momentengleichgewicht um den Elementmittelpunkt betrachtet. Da sich dieser in der Mitte des Quadrats befindet, sind die Abstände (also der Hebelarm) der Schubspannungen alle $\frac{dy}{2}$ bzw. $\frac{dz}{2}$. Die Normalspannungen werden null, da diese keinen Hebelarm besitzen (Wirkungslinien schneiden den betrachteten Mittelpunkt). Zusätzlich zum Hebelarm muss noch die Fläche $dA$ berücksichtigt werden, welche sich z.B. bei der Querschnittsfläche in $y$-Richtung ergibt aus $dx \cdot dz$:
Momentengleichgewichtsbedingung:
$\curvearrowleft M = \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz + \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz - \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy - \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy = 0$
$\rightarrow : 2 \frac{dy}{2} \tau_{yz} dxdz = 2 \frac{dz}{2} \tau_{zy} dxdy$
Aus dieser Gleichung wird deutlich, dass sich $\tau_{yz} $ analog zu $\tau_{zy} $ verhält.
Gleiches gilt für die Gleichgewichtsbetrachtung in den anderen Ebenen:
$\tau_{yx} = \tau_{xy} $
$\tau_{xz} = \tau_{zx} $
Die Quintessenz aus diesen Zusammenhängen ist, dass eine Abhängigkeit zwischen Schubspannungen besteht und dass immer jene, die ein vertauschtes Indexpaar besitzen identisch sind. So sind also Schubspannungen in zwei senkrecht aufeinander stehenden Ebenen gleich. Diese sogenannten zugeordneten Schubspannungen zeigen immer entweder beide auf eine Kante hin oder von einer Kante weg. Die unabhängigen Schubspannungen reduzieren sich somit auf drei und die Anzahl der unabhängigen Spannungskomponenten auf sechs.
Hieraus kann nun ein symmetrischer Spannungstensor gebildet werden:
$\ S = \left(\begin{array}{c} \sigma_x \ \tau_{xy}\ \tau_{xz}\\ \tau_{yx}\ \sigma_y\ \tau_{yz} \\ \tau_{zx}\ \tau_{zy}\ \sigma_z \end{array}\right) = \left(\begin{array}{c} \sigma_x \ \tau_{xy}\ \tau_{xz}\\ \tau_{xy}\ \sigma_y\ \tau_{yz} \\ \tau_{xz}\ \tau_{yz}\ \sigma_z \end{array}\right) $
Die Diagonalen bilden die Normalspannungen. Die übrigen Elemente sind Schubspannungen. Beide Spannungstensoren sind symmetrisch aufgrund der Gleichheit der Schubspannung bei identischen Indizes.
Merke
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