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Technische Mechanik 2: Elastostatik

Beispiel 2: Hauptspannungen

Hauptspannungen Beispiel
Beispiel: Normalspannung

 

Beispiel

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Gegeben sei die obige Scheibe, für welche die Normalspannungen und Schubspannungen für die dort angegebenen Schnittrichtungen 1-1 und 2-2 bekannt sind.

(a) Bestimmen Sie die Spannungen für den Schnitt 3-3!

(b) Bestimmen Sie den Winkel $\beta$ unter welchem bei einem Schnitt 4-4 die Normalspannung betragsmäßig am größten wird. Wie groß ist die Normalspannung dann?


Die obigen Schnitte sollen zunächst getrennt voneinander betrachtet werden, damit die Vorgehensweise verständlich wird. Es wird zunächst der Schnitt 1-1 betrachtet:

Beispiel Hauptspannungen unterschiedliche Schnittrichtungen

Aus der Aufgabenstellung wird deutlich, dass für die Schnittrichtung 1-1 die Normalspannung $\sigma_y$ (welche immer senkrecht auf dem Schnitt steht) gegeben ist und die dazugehörige Schubspannung $\tau_{yx}$. Die Normalspannung zeigt dabei auf den Schnitt, also in negative Richtung. Die Schubspannung hingegen zeigt in positive Richtung: $\sigma_y = -30 \frac{N}{mm^2}$ und $\tau_{yx} = 10 \frac{N}{mm^2}$.

Gegeben ist allerdings nicht die Normalspannung $\sigma_x$, welche in $x$-Richtung zeigt und für einen zu 1-1 senkrechten Schnitt gilt. Das bedeutet schon einmal, dass die Formeln aus dem vorherigen Abschnitt zur Koordinatentransformation so nicht angewandt werden können, um die Normal- und Schubspannungen für einen anderen Schnitt (hier 3-3) zu bestimmen, denn hier müsste auch $\sigma_x$ gegeben sein.

Merke

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Nicht vergessen: Die Schubspannungen, welche ein vertauschtes Indexpaar besitzen sind identisch, also $\tau_{yx} = \tau_{xy}$.


Es ist aber zusätzlich noch der Schnitt 2-2 gegeben:

Beispiel Hauptspannungen unterschiedliche Schnittrichtungen

Der Schnitt 2-2 ist im 120°-Winkel zur x-Achse gegeben. Bei der Koordinatentransformation legt man nun die neue gedrehte $y^*$-Achse durch diesen Schnitt. Die neue $x^*$-Achse liegt dabei senkrecht zur $y^*$-Achse. Bei einem Schnitt von 120° zur x-Achse liegt das neue $x^*, y^*$-Koordinatensystem im Gegensatz zum $x,y$-Koordinatensystem um 30° im Uhrzeigersinn gedreht vor. Da IM Uhrzeigersinn gedreht wird, ist $\alpha = -30°$. Die Formeln aus dem vorherigen Abschnitt gelten für ein positives $\alpha$, wenn GEGEN den Uhrzeigersinn gedreht wird und entsprechend muss $\alpha = -30°$ hier negativ berücksichtigt werden. Dreht man nun die Scheibe mit den in positive Richtung zeigenden Spannungen ebenfalls um 30° mit den Uhrzeigersinn, so hat man die positiven Spannungen ($\sigma_x^*$ und $\tau_{xy}^*$) für den Schnitt 2-2 gegeben. In der Aufgabenstellung ist die Normalspannung in entgegengesetzter Richtung zu den positiven Spannungen gegeben. Die Normalspannung wird demnach negativ berücksichtigt mit: $\sigma_x^* = -1,16 \frac{N}{mm^2}$. Die Schubspannung hingegen ist in positiver Richtung gegeben mit $\tau_{x^*y^*} = 26,65 \frac{N}{mm^2}$.


Es ist nun also so, dass zum einen die Normalspannung und Schubspannung für den Schnitt 1-1 und für den Schnitt 2-2 gegeben sind. Für die Anwendung der Formeln zur Koodinatentransformation müssten ebenfalls die Normalspannungen für die dazu senkrechten Schnitte gegeben sein, also $\sigma_x$ für den Schnitt senkrecht zu 1-1 und $\sigma_y^*$ für den Schnitt senkrecht zu 2-2. Alternativ kann man nun mittels der Invarianten diese Normalspannungen bestimmen.

Methode

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$I_{\sigma} = \sigma_x + \sigma_y = \sigma_x^* + \sigma_y^*$

$II_{\sigma} = \sigma_x \cdot \sigma_y - \tau_{xy}^2 = \sigma_x^* \cdot \sigma_y^* - \tau_{xy^*}^2$

Das bedeutet also, dass die Summe aus den Normalspannungen für den Schnitt 1-1 und einen senkrechten Schnitt dazu plus die Normalspannungen für den Schnitt 2-2 und einen senkrechten Schnitt dazu gleich sein muss. Man setzt nun die gegebenen Werte ein:

$\sigma_x + \sigma_y = \sigma_x^* + \sigma_y^*$:

$\sigma_x - 30 \frac{N}{mm^2} = -1,16 \frac{N}{mm^2} + \sigma_y^*$


Auflösen nach $\sigma_x$:

$\sigma_x = 28,84 \frac{N}{mm^2} + \sigma_y^*$

Einsetzen in $II_{\sigma}$:

$(28,84 \frac{N}{mm^2} + \sigma_y^*) \cdot -30 \frac{N}{mm^2} - (10 \frac{N}{mm})^2 = -1,16 \frac{N}{mm^2} \cdot \sigma_y^* - (26,65 \frac{N}{mm^2})^2$


Auflösen nach $\sigma_y^*$:

Methode

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$\sigma_y^* = -8,84 \frac{N}{mm^2}$


Einsetzen in $I_{\sigma}$ um $\sigma_x$ zu bestimmen:

$\sigma_x - 30 \frac{N}{mm^2} = -1,16 \frac{N}{mm^2} - 8,84 \frac{N}{mm^2}$

Methode

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$\sigma_x = 20 \frac{N}{mm^2}$

(a1) Bestimmung der Spannungen für den Schnitt 3-3 mittels 1-1

Da nun die fehlenden Normalspannungen bekannt sind, können als nächstes für den Schnitt 3-3 die Spannungen bestimmt werden. Der Schnitt 3-3 wird in einem Winkel von 30° zur x-Achse durchgeführt (siehe Aufgabenstellung). Dies entspricht der Drehung des Koordinatensystems um 60° gegen den Uhrzeigersinn. Es liegt demnach eine positive Drehrichtung und damit ein positiver Winkel $\alpha$ vor:

Die Formeln für die Koordinatentransformation sind:

$ \sigma_{x^*} = \frac{1}{2} (\sigma_x + \sigma_y) + \frac{1}{2} ( \sigma_x - \sigma_y) \cos (2 \alpha) + \tau_{xy}\sin (2 \alpha) $

$ \sigma_{y^*}= \frac{1}{2} (\sigma_x + \sigma_y) + \frac{1}{2} ( -\sigma_x + \sigma_y) \cos (2 \alpha) - \tau_{xy}\sin (2 \alpha) $

$\tau_{x^*y^*} = \tau_{y^*x^*} = \frac{1}{2}(-\sigma_x + \sigma_y) \sin (2 \alpha) + \tau_{xy} \cos (2 \alpha)$


Es wird vom Schnitt 1-1 ausgegangen und dem Schnitt senkrecht dazu. Die Normalspannung für den Schnitt 1-1 beträgt $\sigma_y = -30 \frac{N}{mm^2}$ und für den dazu senkrechten Schnitt $\sigma_x = 20 \frac{N}{mm^2}$. Die Schubspannung ist gegeben mit $\tau_{xy} = \tau_{yx} = 10 \frac{N}{mm^2}$. Für den Schnitt 3-3 wird das Koordinatensystem dann um 60° in positive Drehrichtung gedreht ($\alpha = 60°)$. Es können nun die Spannungen für den Schnitt 3-3 bestimmt werden:

$ \sigma_{x^*} = -8,84 \frac{N}{mm^2}$

$ \sigma_{y^*}= -1,16 \frac{N}{mm^2}$

$\tau_{x^*y^*} = \tau_{y^*x^*} = -26,65 \frac{N}{mm^2}$.

Merke

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Für den Schnitt 3-3 wäre die Berechnung der Spannung $\sigma_x^*$ und $\tau_{x^*y^*}$ ausreichend gewesen, da diese die zum diesem Schnitt zugehörige Spannungen darstellen. Die Normalspannung $\sigma_y^*$ ist demnach die Normalspannung senkrecht zum Schnitt 3-3.


(a2) Bestimmung der Spannungen für den Schnitt 3-3 mittels 2-2

Alternativ hätte man auch als Ausgangsschnitt den Schnitt 2-2 wählen können, um die Spannungen für den Schnitt 3-3 zu bestimmen. Der Schnitt 2-2 weist eine Drehung mit dem Uhrzeigersinn von 30° auf, der Schnitt 3-3 eine Drehung gegen den Uhrzeigersinn um 60°. Wenn man nun von 2-2 ausgeht, so muss man das Koordinatensystem also um 90° gegen den Uhrzeigersinn drehen (positives $\alpha$), um die Richtung von 3-3 zu erhalten:

Koordinatentransformation, Hauptspannungen, Normalspannung, Beispiel
Koordinatentransformation: Schnitt 3-3

 

Es wird dann die Normalspannung von Schnitt 2-2 benötigt mit $\sigma_x = -1,16 \frac{N}{mm^2}$, sowie die Normalspannung für den dazu senkrechten Schnitt mit $\sigma_y = -8,84 \frac{N}{mm^2}$. Die Schubspannung ist gegeben mit $\tau_{xy} = \tau_{yx} = 26,65 \frac{N}{mm^2}$ und der Winkel beträgt $\alpha = 60°$:

$\sigma_x^* = -8,84 \frac{N}{mm^2}$

$\sigma_y^* = -1,16 \frac{N}{mm^2}$

$\tau_{xy} = \tau_{yx} = -26,65 \frac{N}{mm^2}$.

(b) Bestimmung des Winkels für die Hauptnormalspannung unter dem Schnitt 4-4

In diesem Abschnitt wird nun der Winkel $\beta$ bestimmt, so dass die Normalspannungen unter diesem Schnittwinkel ihre Extremwerte annehmen. Der Winkel unter dem der Schnitt 4-4 durchgeführt werden soll damit die Hauptnormalspannungen auftreten ist also zu bestimmen.

Zunächst wird der Drehwinkel bestimmt unter welchen die Hauptnormalspannungen auftreten, also derjenige Winkel, um welchen das Ausgangskoordinatensystem gedreht werden muss, damit die Normalspannungen ihren maximalen Wert annehmen:

Methode

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$\tan (2 \alpha^*) = \frac{2 \tau_{xy}}{\sigma_x - \sigma_{y}}$     

Bestimmung mit dem Schnitt 1-1 und dem dazu Senkrechten:

Die Normalspannung für den Schnitt 1-1 beträgt $\sigma_y = -30 \frac{N}{mm^2}$ und dem dazu senkrechten Schnitt (oben berechnet) $\sigma_x = 20 \frac{N}{mm^2}$. Die Schubspannung beträgt $\tau_{xy} = \tau_{yx} = 10 \frac{N}{mm^2}$.


Es werden nun diese Werte in die Gleichung eingesetzt:

$\tan (2 \alpha^*) = \frac{2 \cdot 10 \frac{N}{mm^2}}{20 \frac{N}{mm^2} + 30 \frac{N}{mm^2}}$     

$\tan (2 \alpha^*) = 0,4$.

 $2 \alpha^* = \tan^{-1} (0,4) = 21,8$.

Methode

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$\alpha^* = 10,9°$.

Das Ausgangskoordinatensystem für welchen der Schnitt 1-1 und der dazu senkrechte Schnitt vorliegen, muss nun um 10,9° gegen den Uhrzeigersinn (da positives $\alpha$) gedreht werden, damit die Normalspannungen auftreten:

Beispiel Hauptspannungen unterschiedliche Schnittrichtungen

Es ist nun zunächst der Winkel bestimmt worden, unter welchem das Ausgangskoordinatensystem gedreht werden muss, damit die Hauptnormalspannung auftritt. Gefragt wurde hier allerdings nach dem Winkel, unter welchem der Schnitt durchgeführt werden muss. Die neue $y^*$-Sternchen Achse verläuft durch den Schnitt. Man kann nun also mittels Geodreieck den Schnittwinkel ganz einfach ermitteln. Dieser beträgt demnach 79,1° bei Abmessung zur unteren x-Achse bzw. 110 ° bei Abmessung zur oberen x-Achse. Da hier nach dem Winkel für die untere $x$-Achse gefragt wird, beträgt $\beta = 79,1°$:

Beispiel Hauptspannungen

Es soll als nächstes die für diesen Schnitt 4-4 zugehörige Normalspannung bzw. Hauptnormalspannung bestimmt werden. Die Normalspannung steht immer senkrecht auf dem Schnitt:

Beispiel Hauptspannungen

Die oben eingezeichnete Normalspannung soll nun also bestimmt werden. Es kann jetzt die Formel

$ \sigma_{x^*} = \frac{1}{2} (\sigma_x + \sigma_y) + \frac{1}{2} ( \sigma_x - \sigma_y) \cos (2 \alpha) + \tau_{xy}\sin (2 \alpha) $

angewandt werden, um die obige Hauptnormalspannung zu bestimmen (der Winkel $\alpha = 10,9°$ gilt für $\sigma_x^*$ und stellt ja den Winkel dar, bei welcher die Normalspannung ihren Extremwert annimmt). Hingegen gilt der Winkel $\alpha + 90° = 100,9°$ für $\sigma_y^*$ und stellt die Hauptnormalspannung für den Schnitt senkrecht zu 4-4 dar:

Beispiel Hauptspannungen

Nach dieser Hauptnormalspannung ist aber nicht gefragt, sondern nach der für den Schnitt 4-4. Mit der folgenden Formel kann diese nun also bestimmt werden:

$ \sigma_{x^*} = \frac{1}{2} (\sigma_x + \sigma_y) + \frac{1}{2} ( \sigma_x - \sigma_y) \cos (2 \alpha) + \tau_{xy}\sin (2 \alpha) $

Da als Ausgangssituation der Schnitt 1-1 und der dazu senkrechte verwendet worden sind, um den Winkel für die Hauptnormalspannungen zu bestimmen, müssen auch diese Werte wieder hier eingesetzt werden, also $\sigma_x = 20 \frac{N}{mm^2}$, $\sigma_y = -30 \frac{N}{mm^2}$, $\tau_{xy} = 10 \frac{N}{mm^2}$ und der Winkel $\alpha = 10,9°$:

$ \sigma_{x^*} = 21,93 \frac{N}{mm^2}$.

Handelt es sich hierbei um die Hauptnormalspannung $\sigma_1$ oder $\sigma_2$? Dies kann mittels der Formel für die Hauptnormalspannung berechnet werden:

$ \sigma_{1,2} = \frac{(\sigma_x + \sigma_y)}{2} \pm \sqrt{(\frac{\sigma_x - \sigma_y}{2})^2 +\tau^2_{xy}} $

$\sigma_1 = \sigma_x^* = 21,93 \frac{N}{mm^2}$.

Bestimmung mit dem Schnitt 2-2 und dem dazu Senkrechten:

Es kann natürlich auch die Bestimmung des Winkels $\beta$ mit den anderen Schnitten durchgeführt werden. Es soll hier nochmals die Vorgehensweise anhand des Schnittes 2-2 kurz dargestellt werden. Das Koordinatensystem für den Schnitt 2-2 ist eins um 30° mit dem Uhrzeigersinn gedrehtes. Es werden nun die Normalspannungen für den Schnitt 2-2 und den dazu senkrechten, sowie die dazugehörige Schubspannung in die Formel für die Berechnung des Winkels eingesetzt:

$\tan (2 \alpha^*) = \frac{2 \cdot 26,65 \frac{N}{mm^2}}{-1,16 \frac{N}{mm^2} + 8,84 \frac{N}{mm^2}}$     

$\alpha = 40,9°$.

Das Ausgangskoordinatensystem für den Schnitt 2-2 (um 30° gegen den Uhrzeigersinn gedrehtes) muss nun um 40,9° gegen den Uhrzeigersinn gedreht werden (da positives $\alpha$), damit die Hauptnormalspannungen auftreten:

Beispiel Hauptspannungen unterschiedliche Schnittrichtungen

Es entsteht wieder dasselbe Koordinatensystem wie beim Schnitt 1-1 als Ausgang. Es werden nun die Spannungen  $\sigma_x = -1,16 \frac{N}{mm^2}$, $\sigma_y = -8,84 \frac{N}{mm^2}$, $\tau_{xy} = 26,65 \frac{N}{mm^2}$ und der Winkel $\alpha = -39,7°$ in die folgende Formel eingesetzt:

$ \sigma_{x^*} = \frac{1}{2} (\sigma_x + \sigma_y) + \frac{1}{2} ( \sigma_x - \sigma_y) \cos (2 \alpha) + \tau_{xy}\sin (2 \alpha) $

$ \sigma_{x^*}= 21,93 \frac{N}{mm^2}$.