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Nachdem das geometrisch bestimmte Grundsystem, die Stabendmomente des 0-Systems und die Festhaltekräfte bestimmt sind, müssen wir die Einheitssysteme aufstellen. Jede eingefügte Festhaltung bedeutet ein zusätzliches Einheitssystem. Am Grad der geometrischen Unbestimmtheit $n$ sehen wir also zum einen, wie viele Festhaltungen einzufügen sind und zum anderen wie viele Einheitssysteme wir aufstellen müssen.
Merke
Grad der geometrischen Unbestimmtheit = Anzahl der einzufügenden Festhaltungen = Anzahl der aufzustellenden Einheitssysteme.
Bei den Einheitssystemen wird nun so vorgegangen, dass in jedem System eine Festhaltung gelöst wird und an dessen stelle die unbekannte Weggröße (Knotendrehwinkel/Stabdrehwinkel) abgetragen wird. Zusätzlich dazu treten an den Festhaltungen gegen Verschieben noch die Festhaltekräfte auf, die ebenfalls in jedem Einheitssystem berücksichtigt werden müssen.
Eigenschaften der Einheitssysteme
Die Einheitssysteme erfüllen - wie das 0-System - alle Verformungsbedingungen an den Übergängen zu den benachbarten Stäben. Hier treten also keine Knicke und Sprünge auf. Zwischen den Knoten sind die Biegelinien stetig und stetig differenzierbar.
Die Gleichgewichtsbedingungen sind in den Einheitssystemen an den Knoten verletzt, da an den Übergängen zu den benachbarten Stäben infolge der Festhaltungen Sprünge in der Momentenlinie auftreten.
Das Kräftegleichgewicht $\sum F_{ix} = 0$, $\sum F_{iy} = 0$ am gesamten System und an den Rahmenecken ist verletzt, da die Einzelstäbe voneinander abgeschottet sind.
Anwendung beim Drehwinkelverfahren
Es werden alle Einheitssysteme aufgestellt, wobei bei jedem Einheitssystem eine Festhaltung durch eine Weggröße ersetzt wird. Die Festhaltekräfte werden in jedes Einheitssystem übernommen und entsprechend mit dem hochgestellten Indizee $j$ versehen ($j$ -Einheitssysteme). Für das jeweilige Einheitssystem werden die Stabendmomente infolge Knotendrehung bzw. Knotenverschiebung abgelesen und eingetragen. Die äußeren Einwirkungen werden in den Einheitssystemen nicht berücksichtigt.
Wir betrachten dazu wieder das Beispiel aus dem vorherigen Abschnitt, bei welchem insgesamt drei Festhaltungen eingefügt werden mussten, um das System geometrisch bestimmt zu machen. Je eine Festhaltung gegen Verdrehen in den Knoten b und c sowie eine Festhaltung gegen Verschieben im Knoten b. Wir lösen in jedem Einheitssystem genau eine Festhaltung und tragen an dessen Stelle die Weggröße ab:
Im 1-System ist die Festhaltung gegen Verdrehen im Knoten b entfernt worden und an dessen Stelle tritt der unbekannte Knotendrehwinkel $\varphi_1$. Die Stabendmomente werden für die Knotendrehung $b$ aus der Tabelle (siehe Ordner Materialien Stabendmomente, zweite Seite).
Im 2-System ist die Festhaltung gegen Verdrehen im Knoten c entfernt worden und an dessen Stelle tritt der unbekannte Knotendrehwinkel $\varphi_2$. Hier muss bei Auswahl der Momentenlinie aus der Tabelle genau darauf geachtet werden, dass der Stab c-d im Knoten $d$ gelenkig gelagert ist.
Im 2-System ist die Festhaltung gegen Verschieben im Knoten b entfernt worden und an dessen Stelle tritt der unbekannte Stabdrehwinkel $\Psi_3$. Hier muss bei Auswahl der Momentenlinie aus der Tabelle genau darauf geachtet werden, dass der Stab c-d im Knoten $d$ gelenkig gelagert ist.
Merke
Die unbekannten Drehwinkel $\varphi$ und $\Psi$ werden mit $\frac{1}{EI_c}$ multipliziert, da so die spätere Zahlenrechnung einfacher ausfällt.
Festhaltekräfte
In jedem Einheitssystem treten die Festhaltekräfte $F^j$ infolge der Festhaltung gegen Verschieben auf. Diese können aus dem Knotengleichgewicht am Knoten $b$ berechnet werden.
$\sum H = -F_j - Q + N = 0$
mit $N = 0$:
$F_j = -Q$
Da keine Normalkräfte auftreten, entsprechen die Festhaltekräfte $F^j$ der Querkraft am Ende des Stabs a-b. Aus den Stabendmomenten und der Momentengleichgewichtsbedingung im Stab a-b können wir diese Querkraft berechnen und haben somit gleichzeitig auch die Festhaltekräfte bestimmt.
Wie die Querkräfte am Stabende aus den Stabendmomenten berechnet werden, schauen wir uns im nächsten Kurstext genauer an.
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