Kursangebot | Baustatik 2 | Lagerarten und Freiheitsgrade

Baustatik 2

Lagerarten und Freiheitsgrade

Wir betrachten in diesem Kurs Stabtragwerken, d.h. Tragwerke die aus eindimensionalen Strukturen (Stäben) bestehen. Um die Tragwerke mit ihrer Umgebund zu verbinden, benötigt man sogenannte Lager.

Merke

Hier klicken zum Ausklappen

Lager sind Verbindungen zwischen einem Tragwerk und seiner Umgebung. Lager können die Bewegungsmöglichkeit eines Tragwerks verhindern oder einschränken.

Freiheitsgrade

Jedes ebene Tragwerk weist genau drei Bewegungsmöglichkeiten (=Freiheitsgrade) auf:

  • die horizontale Verschiebung,
  • die vertikale Verschiebung,
  • die Drehung in der Ebene.

Ziel von Lagerungen ist es nun, diese drei Bewegungsmöglichkeiten (=Freiheitsgrade) einzuschränken oder sogar ganz zu unterbinden.

Wie viele Freiheitsgrade unterbunden werden, zeigt die Wertigkeit eines Lager auf. Wir unterscheiden 

  • einwertige Lager,
  • zweiwertige Lager und
  • dreiwertige Lager

voneinander. So unterdrückt ein zweiwertiges Lager zwei Freiheitsgrade, d.h. das Tragwerk weist an dieser Stelle nur noch eine Bewegungsmöglichkeit auf. 

Merke

Hier klicken zum Ausklappen

Die Wertigkeit der Lager gibt die Anzahl der eingeschränkten Bewegungsmöglichkeiten (=Freiheitsgrade) an. 

Lagerreaktionen

Die Wertigkeit der Lager gibt uns zum einen an, wie viele Bewegungsmöglichkeiten an einer bestimmten Stelle des Tragwerks unterbunden werden und zum anderen die Anzahl der dafür notwendigen Lagerreaktionen (=Lagerkräfte). Ein zweiwertiges Lager weist somit genau zwei Lagerreaktionen auf, um genau zwei Freiheitsgrade zu unterbinden.

Je nach Lagerart treten also entweder eine, zwei oder drei Lagerreaktionen auf. Wir unterscheiden grundsätzlich die folgenden drei Lagerarten voneinander:

Feste Einspannung

Die feste Einspannung ist ein dreiwertiges Lager, überträgt demnach drei Lagerreaktionen und unterbindet damit alle drei Freiheitsgrade. Das Tragwerk ist an dieser Stelle also weder horizontal und vertikal verschieblich noch erfolgt eine Drehung des dort eingespannten Stabes. 

Feste Einspannung, Lager, Auflager, dreiwertiges Lager
Lagerarten - Feste Einspannung

 

Die horziontale Lagerkraft verhindert die horizontale Verschiebung, die vertikale Lagerkraft verhindert die vertikale Verschiebung und das Moment verhindert die Drehung des Stabes. Der Stab ist im Punkt $A$ also weder horizontal noch vertikal verschieblich und lässt sich ebenfalls nicht um den Punkt $A$ drehen. Es sind keine Freiheitsgrade mehr im Punkt $A$ vorhanden.

Festlager

Das Festlager ist ein zweiwertiges Lager, überträgt demnach zwei Lagerreaktionen und unterbindet damit nur zwei von drei Freiheitsgraden. Das Tragwerk ist an dieser Stelle weder horizontal und vertikal verschieblich, jedoch ist eine Drehung im Punkt $A$ des dort eingespannten Stabes möglich.

Festlager, zweiwertiges Lager, Lagerarten
Festlager


In der obigen Grafik sind die drei Darstellungsmöglichkeiten eines Festlagers aufgezeigt. Häufig wird die mittlere Darstellungsform für das Festlager gewählt, also mit Gelenk, um aufzuzeigen, dass der Stab an dieser Stelle drehbar gelagert ist (= es werden keine Momente vom Lager übertragen). Die anderen beiden Darstellungsformen treten aber ebenfalls in der Literatur auf. Alle drei Darstellungsformen führen beim Abtragen der Lagerkräfte zu einer horizontalen $A_h$ und einer vertikalen $A_v$ Lagerkraft. Es verbleibt also ein Freiheitsgrad und zwar die Drehung im Punkt $A$.

Loslager

Loslager
Loslager

 

Das Loslager ist ein einwertiges Lager, überträgt demnach eine Lagerreaktion und unterbindet damit nur eine von drei Freiheitsgraden. Je nach Anordnung des Loslagers unterbindet dieses eine Verschiebung senkrecht zu seiner Bewegungsmöglichkeit:

Loslager, einwertiges Lager
Lagerarten - Loslager

In a. sind zwei mögliche Darstellungsformen des Loslagers gegeben, welches sich durch den unteren Strich vom Festlager abgrenzt. Hier ist die zweite Darstellungsform mit dem Gelenk die Gängige. Das Loslager in a. ist horizontal verschieblich, demnach überträgt es (senkrecht zu seiner Verschiebung) eine vertikale Kraft $A_v$. Damit ist der Stab an dieser Stelle nicht vertikal verschieblich.

In b. ist das Loslager vertikal verschieblich, damit überträgt es eine horizontale Lagerkraft $A_h$. Der Stab ist an dieser Stelle also nicht horizontal verschieblich. Würde nun an den Stab eine äußere vertikale Kraft $F$ wirken, so könnte sich der Stab mit dem Lager vertikal verschieben. Greift hingegen eine äußere horizontale Kraft an den Stab an, so ist die horizontale Verschiebung nicht möglich, da die Lagerkraft $A_h$ dieser Verschiebung entgegenwirkt.

Gleichgewichtsbedingungen

Lagerkräfte können aus den Gleichgewichtsbedingungen berechnet werden. In der Ebene stehen drei Gleichgewichtsbedingungen zur Verfügung:

$\sum F_{ix} = 0$          Summe aller Kräfte in x-Richtung

$\sum F_{iy} = 0$          Summe aller Kräfte in y-Richtung

$\sum M_i^X = 0$          Summe aller Momente in Bezug auf einen beliebigen Punkt X

Die Summen müssen gleich Null ergeben, damit sich das Tragwerk im Gleichgewicht befindet, d.h. ruht. Ist zum Beispiel die erste Gleichgewichtsbedingung nicht erfüllt, so bewegt sich der Körper in x-Richtung.

 

Beispiel: Berechnung von Lagerreaktionen

Auflagerreaktionen berechnen
Auflagerreaktionen berechnen

 

Beispiel

Hier klicken zum Ausklappen

Gegeben sei das obige statisch bestimmte Tragwerk, welches durch die rechteckige Streckenlast sowie durch die Einzellast $F$ belastet wird. Bestimme die Auflagerreaktionen!

Gegeben: $ F = 19 kN$, $q_0 = 5 kN/m$ 


Wir beginnen damit das obige Tragwerk freizuschneiden:

Auflagerreaktionen berechnen, Freischnitt
Freischnitt


In der obigen Grafik ist das Festlager mit zwei Lagerreaktionen $B_h$ und $B_v$ gegeben sowie das Loslager mit einer Lagerreaktion $A_v$. Für die Streckenlast muss zur Berechnung der Lagerreaktionen die Resultierende gebildet werden. Dieser ergibt sich, indem der Flächeninhalt der rechteckigen Streckenlast berechnet wird mit Höhe $q_0$ und Länge $l = 4m$. Es ergibt sich:

$R_q = q_0 \cdot l = 5 kN/m \cdot 4m = 20 kN$

Die Resultierende der Streckenlast greift immer im Schwerpunkt der Fläche an. Wir haben hier eine rechteckige Streckenlast gegeben. Der Schwerpunkt eines Rechtecks liegt in der Mitte. $R_q$ greift demnach mittig bei 2m vom Lager $A$ bzw. $B$ ausgehend an.

Als nächstes werden die Gleichgewichtsbedingungen aufgestellt, um die Auflagerreaktionen zu berechnen.

Horizontale Gleichgewichtsbedingung:

$\rightarrow: - B_h - F = 0$

$B_h = -F = -19 kN$

Das negative Vorzeichen gibt an, dass die Lagerkraft $B_h$ nicht wie angenommen nach links wirkt, sondern nach rechts. Da die Kraft $F$ das Tragwerk nach links drückt, muss die Lagerkraft $B_h$ - um es im Gleichgewicht zu halten - nach rechts gerichtet sein.

Vertikale Gleichgewichtsbedingung:

$\uparrow:  A_v + B_v - R_q = 0$


Hier sind zwei unbekannte gegeben. Wir betrachten zunächst die Momentengleichgewichtsbedingung und legen den Bezugspunkt entweder in Lager $A$ oder $B$, um eine Unbekannte zu eliminieren.

Momentengleichgewichtsbedingung:

Wir wählen das Lager $B$:

$\curvearrowleft : - A_v \cdot 4m + R_q \cdot 2m + F \cdot 1,5 m = 0$

$A_v =  \frac{R_q \cdot 2m + F \cdot 1,5 m}{4m} $

Einfügen von $R_q = 20 kN$ und $F = 19 kN$ ergibt:

$A_v = \frac{20 kN \cdot 2m + 19 kN \cdot 1,5 m}{4m} = 17,125 kN$

Danach kann die vertikale Gleichgewichtsbedingung angwendet werden, um $B_v$ zu bestimmen:

$A_v + B_v - R_q = 0$

$B_v = R_q - A_v = 20 kN - 17,125 kN = 2,875 kN$.