Inhaltsverzeichnis
Hier erklären wir dir anschaulich die allgemeine Bestimmung der RichtungsAbleitung sowie Bestimmung der Richtungsableitung mit dem Gradienten.
Merke
Die Richtungsableitung gibt an, wie sich die Funktionswerte einer gegebenen Stelle ändern, wenn man sich von dort in eine bestimmte Richtung bewegt.
Richtungsableitung - was ist das?
Haben wir zum Beispiel Funktionen mit nur einer Variablen (z.B. $f(x)$) gegeben, so gibt die Ableitung $f'(x_0)$ an der Stelle $x_0$ an, wie sich der Funktionswert verändert, wenn von der Stelle $x_0$ aus einen kleinen Schritt nach links oder nach rechts gehen. Wir bewegen uns also in Richtung der $x$-Achse.
Haben wir nun aber eine Funktion mit mehreren Variablen gegeben (z.B. $f(x,y)$), so gibt die partielle Ableitung $f'(x_0, y_0)$ an der Stelle $P = (x_0, y_0)$ an, wie sich der Funktionswert ändert, wenn von der Stelle $P$ aus ein kleiner Schritt in Richtung der $x$- und $y$-Achse gemacht wird. Wir können uns nicht mehr nur nach links oder rechts bewegen (also entlang der $x$-Achse), sondern in der Ebene (auch in $y$-Richtung).
Merke
Mithilfe der Richtungsableitung erfahren wir, wie sich unser Funktionswert an einer bestimmten Stelle $P$ in Richtung eines vorgegebenen Vektors für die gegebene Funktion ändert.
Voraussetzungen für die Richtungsableitung
Um die Richtungsableitung an einer gegebenen Stelle bestimmen zu können, benötigen wir:
- Eine Funktion $f(x_1, ..., x_n)$,
- einen Punkt (Stelle) $P(x_1, ..., x_n)$ und
- einen Vektor $\vec{r}$, welcher die Richtung angibt.
Sind die Voraussetzungen erfüllt, so kann die Richtungsableitung wie folgt berechnet werden:
Methode
Die Richtungsableitung $D_r f (P)$ von $ f $ an der Stelle $ P $ in Richtung des Vektors $\vec{r} \not= 0 $ ist durch den folgenden Grenzwert definiert:
$D_r f (P) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{f (P + t \cdot \vec{r}) - f (P)}{t} $
Die Richtungsableitung hängt nur von der Richtung des Vektors $\vec{r}$ ab, nicht von seiner Länge, aus diesem Grund ersetzt man den Vektor durch den Einheitsvektor $\vec{r_e}= \frac{1}{|\vec{r}|}\vec{r} $ in Richtung $\vec{r}$.
Hinweis
Jeder Einheitsvektor hat die Form $\vec{e}(\varphi) = (\cos (\varphi), \sin (\varphi)), 0 \le \varphi \le 2\pi $ (Einheitskreis = Länge $1$).
Anwendungsbeispiel
Beispiel
Wie sieht der Grenzwert zur Bestimmung von Richtungsableitungen im Punkt $(0,0)$ aus, wenn man ihn statt des Richtungsvektor nun mit dem Einheitsvektor bestimmt, und wie ist die Richtungsableitung?
1.Schritt:
Schauen, ob die Funktion an der Stelle $P(0,0)$ stetig ist.
Aus dem Kurstext Stetigkeit und Unstetigkeit wissen wir:
Man kann die Stetigkeitsuntersuchung im Nullpunkt $(0,0)$ mithilfe von Polarkoordinaten zeigen. Dies ist vor allem dann nützlich, wenn es sich um rationale Funktionen handelt. Man setzt dafür:
$x = r \cos (\varphi)$
$y = r \sin (\varphi)$
und lässt $r$ gegen Null laufen.
Einsetzen in die gegebene Funktion:
$ \lim\limits_{(x,y) \to (0,0)} f(x,y) = \lim\limits_{r \to 0} \frac{r^3 \cos^3 (\varphi) - r^3 \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi)}{r^2}$
$= \lim\limits_{r \to 0} \ r (\cos^2 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi)) = 0 = f(0,0) $
Die Funktion $f(x,y)$ ist an der Stelle $P(0,0)$ stetig.
2.Schritt: Anwendung der Formel
Nachdem der Grenzwert existiert wird nun die oben angebene Formel angewandt:
$D_r f (P) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{f (P + t \cdot \vec{r}) - f (P)}{t} $
Bei dieser Gleichung ist wichtig, dass der Vektor $\vec{r}$ als Einheitsvektor in die Berechnung eingeht. Da wir in diesem Beispiel aber keinen Vektor vorgegeben haben, substituieren wir $\vec{r}$ durch den allgemeinen Einheitsvektor
Methode
$\vec{e}(\varphi) = (\cos (\varphi), \sin (\varphi)), 0 \le \varphi \le 2\pi $
Es ergibt sich dann:
$D_r f (P) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{f (P + t \cdot \vec{e}(\varphi)) - f (P)}{t} $
Wir setzen nun also $ t \cdot \vec{e}(\varphi)$ in die Funktion ein:
$f(t \cdot \vec{e}(\varphi)) = \frac{ t^3 ( \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi))}{t^2 \cos^2 (\varphi) + t^2 \sin^2 (\varphi)}$
Und wenden die obige Formel an:
$D_r f (0,0) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{1}{t} \cdot ((0,0) + \frac{ t^3 ( \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi))}{t^2 \cos^2 (\varphi) + t^2 \sin^2 (\varphi)}) - (0,0) $
$D_r f (0,0) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{1}{t} \cdot ((0,0) + \frac{ t^3 ( \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi))}{t^2 \cos^2 (\varphi) + t^2 \sin^2 (\varphi)}) - (0,0) $
Da nach der Aufgabenstellung $f(0,0) = 0$ ergibt sich:
$D_r f (0,0) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{1}{t} \cdot (\frac{ t^3 ( \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi))}{t^2 \cos^2 (\varphi) + t^2 \sin^2 (\varphi)}) $
Merke
Trigonometrische Umformungen:
$\cos^2 (\varphi) + \sin^2 (\varphi) = 1$
$D_r f (0,0) = \lim\limits_{t \to 0} \frac{1}{t} \cdot (\frac{ t^3 ( \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi))}{t^2}) $
$= \lim\limits_{t \to 0} \frac{t^3}{t^3} \cdot \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi)$
$= \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi)$
Die Richtungsableitung von $\ f$ in Richtung $\vec{e} $ ist somit: $ \cos^3 (\varphi) - \cos (\varphi) \sin^2 (\varphi) $
und die Funktion ist im Nullpunkt in alle Richtungen differenzierbar:
$\varphi = 0° \; \; : \; \cos^3 (0) - \cos (0) \sin^2 (0) = 1$
$\varphi = 90° \; \; : \; \cos^3 (90) - \cos (90) \sin^2 (90) = 0$
...
Merke
Richtungsableitung und Gradient
Ist nun eine bestimmte Richtung vorgegeben, also der Vektor $\vec{a}$ und ist die Funktion partiell differenzierbar, dann ist es möglich die Richtungsableitung einer Funktion $f(x,y)$ in einem Punkt $(x_0, y_0)$ in Richtung des Vektors $\vec{a}$ (analog für $f(x,y,z)$) mithilfe des Gradienten zu bestimmen.
Die Richtungsableitung ergibt sich dann aus dem Skalarprodukt von $\text{grad} f(x_0, y_0)$ mit dem Einheitsvektor $\frac{\vec{a}}{|\vec{a}|}$ in Richtung $\vec{a}$.
Merke
Dies ist allerdings nur möglich, wenn die Funktion $f$ partiell differenzierbar ist.
Beispiel
Gegeben sei die Funktion: $f(x,y) = x^2 + y^3$. Bestimme die Richtungsableitung im Punkt $(2,4)$ in Richtung des Vektors $\vec{a} = (-3, 4)$.
1. Bestimmung des Gradienten:
$\text{grad} f(x,y) = (2x \ , \ 3y^2)$
2. Bestimmung des Gradienten im Punkt $(2,4)$:
$\text{grad} f(2,4) = (2 \cdot 2 \ , \ 3 \cdot 4^2) = (4 \ , \ 48)$
3. Normierung des Vektors $\vec{a}$ als Einheitsvektor:
$\frac{\vec{a}}{|\vec{a}|} = \frac{1}{\sqrt{(-3)^2 + 4^2}} (-3 \ , \ 4)$
4. Bestimmung der Richtungsableitung:
$\text{grad} f(2,4) \cdot \frac{\vec{a}}{|\vec{a}|} = (4 \ , \ 48) \cdot \frac{1}{\sqrt{(-3)^2 + 4^2}} (-3 \ , \ 4)$
$= (4 \ , \ 48) \frac{1}{5} (-3 \ , \ 4) = (4 \ , \ 48) \cdot \begin{pmatrix} -3/5 \\ 4/5 \end{pmatrix} = 36$
Gehen wir nun also an der Stelle $(2,4)$ einen Schritt der Länge |1| in Richtung des Vektors $\vec{a}$, so erhöht sich der Funktionswert um 36.
Beispiel
Gegeben sei die Funktion $f(x,y) = x^2 + 3 x y$. Bestimme die Richtungsableitung im Punkt $(3,2)$ in Richtung des Vektors $\vec{a} = (1, -2)$.
1. Bestimmung des Gradienten:
$\text{grad} f(x,y) = (2x + 3y \ , \ 3x)$
2. Bestimmung des Gradienten im Punkt $(3,2)$:
$\text{grad} f(3,2) = (12 \ , \ 9)$
3. Normierung des Vektors $\vec{a}$ als Einheitsvektor:
$\frac{\vec{a}}{|\vec{a}|} = \frac{1}{\sqrt{1^2 + (-2)^2}} (1 \ , \ -2)$
4. Bestimmung der Richtungsableitung:
$\text{grad} f(3,2) \cdot \frac{\vec{a}}{|\vec{a}|} = (12 \ , \ 9) \cdot \frac{1}{\sqrt{1^2 + (-2)^2}} (1 \ , \ -2)$
$= (12 \ , \ 9) \frac{1}{\sqrt{5}} (1 \ , \ -2) = (12 \ , \ 9) \cdot \begin{pmatrix} \frac{1}{\sqrt{5}} \\ \frac{-2}{\sqrt{5}} \end{pmatrix} = \frac{-6}{\sqrt{5}}$
Gehen wir nun also an der Stelle $(3,2)$ einen Schritt der Länge |1| in Richtung des Vektors $\vec{a}$, so verringert sich der Funktionswert um $\frac{-6}{\sqrt{5}}$.
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