Kursangebot | Technische Mechanik 3: Dynamik | Drehimpuls / Drehimpulssatz

Technische Mechanik 3: Dynamik

Drehimpuls / Drehimpulssatz

In diesem Abschnitt wird der Drehimpuls und der Drehimpulssatz aufgezeigt. Es erfolgt ein ausführliches Beispiel zur Lösung von Aufgaben mittels des Drehimpulssatzes. 

Drehimpuls

Der Drehimpuls L(0) eines Massenpunktes in Bezug auf einen Bezugspunkt 0 (hier: Koordinatenursprung) ist definiert als das Moment des Impulses des Massenpunktes bezogen auf diesen Punkt 0. Der Drehimpuls wird auch als Impulsmoment bezeichnet. In Vektorschreibweise wird dieser geschrieben zu:

Methode

L(0)=r×p=r×mv           Drehimpuls

Dabei ist × das Kreuzprodukt. Der Drehimpuls L(0) steht senkrecht auf der Ebene, die vom Ortsvektor r und vom Geschwindigkeitsvektor v aufgespannt wird:

Drehimpuls

Es handelt sich hierbei also um den Drehimpuls um den Ursprung 0. Dabei stehen der Ortsvektor r und der Impuls mv senkrecht zueinander.

Drehimpulssatz

Die Summe der Momente M aller äußeren Kräfte auf den Massenpunkt um den Punkt 0 sollen mit dem Drehimpuls in Beziehung gesetzt werden. Hierzu betrachtet man zunächst das Newtonsche Grundgesetz:

F=ma


Für a=dvdt gilt dann:

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F=mdvdt

Das Newtonsche Grundgesetz wird nun vektoriell (Kreuzprodukt) mit dem Ortsvektor r multipliziert:

r×F=r×mdvdt

Dabei ist M(0)=r×F die Summe der Momente aller äußeren Kräfte F auf den Massenpunkt um den Bezugspunkt 0.

M(0)=r×F=r×mdvdt

Es gilt

L(0)=r×mv


und damit

dL(0)dt=drdt×mv+r×mdvdt

Da v=drdt ergibt sich:

dL(0)dt=drdt×mdrdt+r×mdvdt

Mit drdt×mdrdt=0. Das Kreuzprodukt eines Vektors mit sich selbst ergibt Null (Kreuzprodukt: r˙×r˙=0). Der erste Term der rechten Seite fällt also weg:

Methode

dL(0)dt=M(0)=r×mdvdt           Drehimpulssatz

Merke

Drehimpulssatz

Die Ableitung des Drehimpulses nach der Zeit t entspricht der Summe der Momente aller äußeren Kräfte die auf den Massenpunkt in Bezug auf den Punkt 0 wirken.


Wird das Moment M(0)=0, so ist der Drehimpuls konstant:

Methode

L(0)=r×mv=const.


Betrachtet man nun die x,y-Ebene, so kann man den Drehimpuls auch in Komponenten darstellen:

L(0)=r×mv:

Methode

L(0)=(xy)×m(vxvy)=m(xvyyvx)

Sonderfall: Kreisbewegung

Drehimpuls Kreisbewegung

Im Sonderfall der Kreisbewegung ist der Drehimpuls (hier: kein Kreuzprodukt):

Methode

L(0)=rmv         Drehimpuls


Es besteht wieder der Zusammenhang (mit r=const und m=const):

Methode

L(0)dt=M(0)=rmdvdt


Will man das ganze in Abhängigkeit vom Winkel ausdrücken, so ergibt sich mit v=rφ˙=rω:

Methode

L(0)=r2mω         Drehimpuls

mit

ω = Winkelgeschwindigkeit


Es besteht auch hier wieder der Zusammenhang:

L(0)dt=M(0)


Und damit:

Methode

M(0)=mr2ω˙=mr2φ¨     Drehimpulssatz

mit

φ¨ = Winkelbeschleunigung

Beispiel: Drehimpuls und Beschleunigung

Beispiel Drehimpuls Beschleunigung

Beispiel

Gegeben sei die obige Kiste, welche eine kreisförmig Rampe herunterrutscht. Die Reibung soll im vernachlässigt werden. Ist die Kiste beim Winkel α=30° zur Vertikalen angekommen, so erreicht diese die Geschwindigkeit v. Für diese Position soll die Beschleunigung at bestimmt werden. 

Es handelt sich hier um eine kreisförmige Rampe. Deswegen wird der Drehimpuls bestimmt durch:

L(A)=rmv

dL(A)dt=drmvdt=mrdvdt


Die Ableitung ist gleich der Summe der Momente die auf den Massenpunkt wirken:

dL(A)dt=M(A)

Das Freikörperbild sieht wie folgt aus:

Freikörperbild Drehimpuls

Das Freikörperbild zeigt die Kräfte, die an der Kiste angreifen. Dabei greift die Gewichtskraft G=mg an den Massenpunkt der Kiste an, sowie die Normalkraft N, welche die Kiste in der Rampe hält und verhindert, dass dieser in Richtung Erdmittelpunkt beschleunigt. Da die Reibung vernachlässigt werden soll, tritt keine Reibungskraft $R. auf. 

Die Beschleunigung a=dvdt kann nun bestimmt werden:

dL(A)dt=M(A)

mrdvdt=M(A)


Die Summe der Momente M(A) aller Kräfte, die an die Kiste angreifen für den Bezugspunkt A sind zunächst zu bestimmen. Es existieren die beiden Kräfte G und N. Allerdings besitzt N keinen Hebelarm, d.h. die Wirkungslinie von N schneidet bereits den Bezugspunkt. Für die Momentenberechnung fällt N also raus. G hingegen besitzt den Hebelarm, welcher im obigen Freikörperbild rot markiert ist. Ein Hebelarm ist immer der senkrechte Abstand der Kraft zum Bezugspunkt oder:

Merke

Die Kraft wird solange parallel zu sich selbst verschoben, bis die Wirkungslinie der Kraft den Bezugspunkt schneidet. Diese Parallelverschiebung ist der senkrechte Abstand und damit der Hebelarm.

Die Kraft G wird also solange parallel zu sich selbst verschoben (rote Linie), bis die Wirkungslinie der Kraft G den Bezugspunkt A schneidet. Mittels Winkelberechnungen im rechtwinkligen Dreieck kann man die rote Linie bestimmen. r ist gegeben und α ist gegeben. r stellt die Hypotenuse dar, die rote Linie stellt die Gegenkathete h dar:

sin(α)=GegenkatheteHypotenuse=hr

Beispiel

h=rsin(α)                  Hebelarm von G


Es ist also:

M(A)=Grsin(α)

Es gilt G=mg:

M(A)=mgrsin(α)

Mit dL(A)dt=M(A) ergibt sich demnach:

mrdvdt=mgrsin(α)

Auflösen nach a=dvdt

a=mgrsin(α)mr

a=gsin(α)

a=9,81ms2sin(30°)=4,91ms2.

Steht die Kiste in diesem Winkel α=30°, so ist die Beschleunigung bei 4,91ms2.

Beispiel: Pendel

Beispiel Drehimpuls Pendel

Beispiel

Gegeben sei die obige Kugel, welche an einem Seil S mit der Länge l=30cm hängt. Es soll der Drehimpuls in Abhängigkeit von der Lage der Kugel bestimmt werden. 

Zunächst wird das Freikörperbild gezeichnet. Es wird der Winkel φ mit positiver Drehrichtung eingeführt. Der Drehimpuls soll bezüglich des Punkes A bestimmt werden.

Freikörperbild Drehimpuls Pendel

Da es sich hierbei um eine Kreisbewegung des Pendels handelt, gilt:

L(A)=rmv

Dabei ist r=l:

L(A)=lmv


Der Drehimpuls soll in Abhängigkeit von der Lage bestimmt werden. D.h. also in Abhängigkeit vom Winkel φ:

Methode

L(0)=l2mω

mit

ω=φ˙


Es besteht auch hier wieder der Zusammenhang:

L(0)dt=M(0)

Es gilt:

L(0)dt=ml2ω˙=ml2φ¨

Es werden nun zunächst die Summe der Momente aller Kräfte die auf die Kugel wirken in Bezug auf den Punkt A bestimmt:

M(0)=Glsin(φ)

Mit G=mg ergibt sich:

M(0)=mglsin(φ)

Das Minuszeichen resultiert, weil die Gewichtskraft G das Pendel entgegen der positiven Drehrichtung nach unten zieht.

Gleichsetzen von L(0)dt=M(0):

ml2φ¨=mglsin(φ)

ml2φ¨+mglsin(φ)=0     / :m

l2φ¨+glsin(φ)=0     / :l²

φ¨+glsin(φ)=0 

Schlägt das Pendel nun um 30° aus, so ergibt sich die Winkelbeschleunigung φ¨ zu:

φ¨+9,81ms20,3msin(30°)=0 

φ¨=9,81ms20,3msin(30°)

φ¨=16,35s2

Das negative Vorzeichen bei der Winkelbeschleunigung gibt an, dass sich mit jedem Pendelschlag die Winkelgeschwindigkeit verringert. Die hier angegebene Winkelbeschleunigung gilt nur für den Ausschlag des Pendels um 30° zur Vertikalen. Betrachtet man nun einen Winkel von 45°, so muss die Winkelbeschleunigung größer sein:

φ¨=9,81ms20,3msin(45°)=23,12s2

Bei einem Winkel unter 30° entsprechend geringer:

φ¨=9,81ms20,3msin(20°)=11,18s2

Alternativ kann man auch bei gegebener Winkelbeschleunigung den Winkel φ bestimmen:

φ=sin1(φ¨0,3m9,81ms2)


Bei einer Winkelbeschleunigung von φ¨=16,35s2 ergibt sich demnach der Winkel:

φ=sin1(16,35s20,3m9,81ms2)=30°
 

Beispiel: Konstaner Drehimpuls

Beispiel Drehimpuls Kreisbahn

Beispiel

Gegeben sei die obige Kugel, welche sich auf einer reibungsfreien Kreisbahn bewegt (Draufsicht von oben). Das Seil, an welchem die Kugel hängt, habe die Länge r0=10cm. Die Kugel hat eine Drehzahl von n0=1.000min1 (Umdrehungen pro Minute). 

(a) Wie groß ist die Winkelschwindigkeit w1, wenn das Seil auf r1=15cm verlängert wird?
(b) Wie ändert sich in dieser Situation die Seilkraft S?

Das Freikörperbild sieht wie folgt aus:

Beispiel Freikörperbild Drehimpuls Kreisbahn

(a) Winkelgeschwindigkeit bestimmen

Es existiert hier nur die Seilkraft S in der betrachteten Ebene. Die Draufsicht auf die Kreisbahn ist hier von oben. Die Gewichtskraft wirkt nach unten, wird aber durch die Kreisbahn selber aufgehoben. Das bedeutet N=G. Es muss also nur die Seilkraft S betrachtet werden.

Es wird zunächst die Summe der Momente aller Kräfte die auf die Kugel wirken in Bezug zum Punkt A betrachtet. Da die Seilkraft die einzige Kraft ist, die berücksichtigt werden muss und die Wirkungslinie dieser den Bezugspunkt A bereits schneidet, existiert kein Hebelarm und damit ist:

M(A)=0.

Das wiederrum bedeutet, dass der Drehimpuls konstant ist:

dL(A)dt=0    und damit    L(A)=const.

Was bedeutet das?

Es gilt für den Drehimpuls:

L0(A)=mrv

Mit v=rφ˙=rω:

L0(A)=mr2ω

Es wird nun zunächst der Drehimpuls L0(A) bestimmt:

L0(A)=mr02ω0

Und dann der Drehimpuls L1(A):

L1(A)=mr12ω1

Da der Drehimpuls konstant ist gilt:

L0(A)=L1(A)

mr02ω0=mr12ω1

Auflösen nach ω1:

ω1=mr02ω0mr12

ω1=r02ω0r12

Es muss als nächstes die Winkelgeschwindigkeit ω0 bestimmt werden. Diese kann aus der Drehzahl n0 bestimmt werden. Die Kugel dreht sich 1.000 mal in einer Minute um die Kreisbahn. Das bedeutet bei einer Drehzahl n0 wird in einer Minute ein Winkel von n02π überstrichen. Die Winkelgeschwindigkeit ergibt sich dann in Sekunden:

Methode

ω0=n02π=1.00060s12π=104,72s1

Es können nun aller Werte eingesetzt werden, um ω1 zu bestimmen:

ω1=(10cm)2104,72s1(15cm)2

Methode

ω1=46,54s1

Die Winkelgeschwindigkeit ω1 ist geringer als ω0. Grund dafür ist, dass das Seil länger ist und damit auch der Weg, den die Kugel für die Umrundung der Kreisbahn benötigt.

Die Drehzahl liegt nun bei:

ω=n02π

n1=ω12π=46,54s12π=7,41s1=444min1

(b) Seilkraft bestimmen

Es soll noch bestimmt werden, wie sich die Seilkraft ändert, d.h. also S1S0. Dazu benötigt man das Newtonsche Grundgesetz, um die Seilkraft S0 zu bestimmen:

F=ma

S0=ma0


Damit S0 bestimmt werden kann, muss a gegeben sein. Es handelt sich hierbei um eine ebene Kreisbewegung (siehe Abschnitt: Sonderfall Kreisbewegung). Die Beschleunigung lässt sich hier ermitteln durch die beiden skalaren Komponenten:

a=ar2+aφ2

Da es sich um eine konstante Winkelbeschleunigung ω=const handelt, fällt die Umfangsbeschleunigung weg (Ableitung von ω gleich Null):

a=ar=rω2  

Einsetzen:

S0=mr0ω02

S0=m0,1m(104,72s1)2

Es gilt nun S1 zu bestimmen durch:

S1=mr1ω12

S1=m0,15m(46,54s1)2

Es wird nun S1 in Abhängigkeit von S0 bestimmt, indem S0 nach m aufgelöst und in S1 eingesetzt wird:

S1=S010,1m(104,72s1)20,15m(46,54s1)2

Methode

S1=0,2963S0


Die Seilkraft S1 ist also das 0,2963-Fache der Seilkraft S0. Beträgt nun z.B. die Masse m=10kg, so ergeben sich die Kräfte:

$S_0 =10 kg \cdot  0,1 m \cdot (104,72 s^{-1})^2  = 10.966,28 N

S1=0,3S0=3.248,96N

Berechnet man die Seilkraft S1 direkt aus der Formel ergibt sich:

S1=10kg0,15m(46,54s1)2=3.248,96N

Die Seilkraft verringert sich also mit zunehmender Länge.