Beispiel: Stabkräfte bestimmen
Beispiel
Gegeben sei die obige Kreisscheibe, die von drei Stäben gehalten wird. Die Kreisscheibe wird durch ein äußeres Moment $M$ belastet.
Gegeben: $m = 10 kg$, $r = 10 cm$, $M = 20 Nm$
Bestimme die Stabkräfte!
Wie groß wird das Moment $M$, wenn die Stabkraft $S_3$ Null wird?
Freischnitt
Zunächst wird die Kreisscheibe freigeschnitten:
Kräftezerlegung
Die $x$-Achse und die $y$-Achsen werden eingeführt und zunächst alle Kräfte, die weder in $x$- noch in $y$-Richtung zeigen in ihre Komponenten zerlegt. In diesem Beispiel muss die Stabkraft $S_1$ in ihre Komponenten zerlegt werden:
$S_1 \cdot \cos(45°)$ Stabkraft 1 in negative $x$-Richtung
$S_1 \cdot \sin(45°)$ Stabkraft 1 in positive $y$-Richtung
Gleichgewichtsbedingungen
Es können als nächstes die Gleichgewichtsbedingungen angewandt werden, um die Stabkräfte zu bestimmen:
Methode
(1) $\rightarrow: \; -S_2 - S_1 \cdot \cos(45°) + S_3 = 0$
(2) $\uparrow: \; -G + S_1 \cdot \sin(45°) = 0$
Die Momentengleichgewichtsbedingung wird als nächstes herangezogen und in den Punkt gelegt, wo sich die Stabkraft $S_1$ und $S_2$ treffen. Damit fallen die beiden Stabkräfte $S_1$ und $S_2$ bei der Momentenberechnung heraus, weil die Wirkungslinien den Bezugspunkt schneiden und damit kein Hebelarm existiert.
Methode
(3) $\curvearrowleft{B} : -G \cdot r + S_3 \cdot r + M = 0$
Aus (2) kann die Stabkraft $S_1$ bestimmt werden:
$S_1 = \frac{G}{\sin(45°)}$
mit $G = m \cdot g = 10 kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} = 98,1 N$ ergibt sich:
$S_1 = \frac{98,1 N}{\sin(45°)} = 138,73 N$
Aus (3) kann dann $S_3$ bestimmt werden:
$S_3 = G - \frac{M}{r} $
mit $G = m \cdot g = 10 kg \cdot 9,81 \frac{m}{s^2} = 98,1 N$
$S_3 = 98,1 N - \frac{20 Nm}{0,1m} = -101,9 N$
Aus (1) bestimmen wir die Stabkraft $S_2$:
$S_2 = - S_1 \cdot \cos(45°) + S_3$
$S_2 = -138,73 N \cdot cos(45°) - 101,9 N = -200 N$
Um herauszufinden, welchen Wert das Moment annimmt, wenn die Stabkraft $S_3$ Null wird, müssen wir die Gleichung (3) aufgelöst nach $S_3$ gleich Null setzen, also $S_3 = 0$:
$S_3 = G - \frac{M}{r} $ |$S_3 = 0$
$0 = G - \frac{M}{r} $
Auflösen nach $M$:
$M = G \cdot r$
$M =98,1 N \cdot 0,1 m = 9,81 Nm$
Die Stabkräfte $S_2$ und $S_3$ sind Druckkräfte, weil diese im Freikörperbild als Zugkräfte angenommen wurden und ein negatives Ergebnis resultiert ist!
Beispiel: Kräftepaar
Beispiel
Wie groß müssen die Kräfte $F_1$ und $F_2$ werden, damit das resultierende Moment den Wert Null annimmt?
Das resultierende Moment ist die Summe aller Momente in Bezug auf einen vorher festgelegten Punkt. Wir können die Summe aller Momente bilden, indem wir uns zunächst überlegen, wo wir unseren Bezugspunkt wählen. Dabei sollten die senkrechten Abmessungen von der Kraft zum Bezugspunkt gegeben sein. So können wir den Bezugspunkt nicht an die rechte Ecke setzen (dort wo der Balken einen Knick aufweist), weil wir hier den senkrechten Abstand von $F_1$ und $F_2$ zur Ecke nicht gegeben haben!
Wir wählen den Bezugspunkt am Anfang des Balkens bei $F_1$ und wählen die Vorzeichenkonvention, dass alle linksdrehenden Momente positiv berücksichtigt werden. Die Kraft $F_1$ schneidet den Bezugspunkt bereits, weist also keinen senkrechten Abstand zum Bezugspunkt auf und besitzt demnach keinen Hebelarm $M_1 = F \cdot 0 = 0$. Die Wirkungslinie der unteren Horizontalkraft (10 kN) schneidet den Bezugspunkt, weshalb das Moment auch zu Null wird. Wir müssen also nur die Kraft $F_2$ und die obere Horizontalkraft bei der Momentenberechnung berücksichtigen:
$\curvearrowleft: M_R = F_2 \cdot 10m - 10 kN \cdot 6m = 0$
$F_2 = \frac{10 kN \cdot 6m}{10m} = 6 kN$
Aus der vertikalen Gleichgewichtsbedingung ergibt sich dann:
$\uparrow: -F_1 + F_2 = 0$
$F_1 = F_2 = 6 kN$
Die Kräfte müssen also 6kN groß sein, damit das resultierende Moment den Wert Null annimmt.
Beispiel: Seilkraft bestimmen
Beispiel
Gegeben sei der obige Balkenzug. Der Balkenzug ist bei $E$ drehbar gelagert und wird durch ein Seil bei $C$ und $D$ gehalten. Die Reibung zwischen Seil und Rollen sei reibungsfrei
Wie groß ist die Seilkraft, wenn die Kraft $F$ angreift?
Freischnitt
Der Freischnitt muss immer so erfolgen, dass die zu bestimmende Kraft (hier: Seilkraft) freigeschnitten wird. In diesem Fall muss also ein Schnitt durch das Seil gemacht werden, damit die Seilkraft abgetragen werden kann. Zusätzlich dazu lösen wir das System auch von den Auflagern (hier $E$) und tragen die Lagerkräfte ab.
Merke
Ein Seil überträgt nur Zugkräfte entlang der Seilachse. Beim Freischnitt muss also an dem Rahmen für das Seil eine Zugkraft angebracht werden.
Wir müssen beim Abtragen der Kräfte berücksichtigen, dass die Seilkräfte an beiden Seiten gleich groß sind.
Um aus den Gleichgewichtsbedingungen die unbekannten Stabkräfte sowie Lagerkräfte bestimmen zu können, müssen alle Kräfte die nicht in $x$- oder $y$-Richtung zeigen in ihre Komponenten zerlegt werden.
Kräftezerlegung
In dem obigen Beispiel muss die Seilkraft $S$ im Punkt $C$ in ihre $x$- und $y$-Komponente zerlegt werden. Wir kenne nicht den Winkel der Seilkraft zur Horizontalen bzw. Vertikalen, aber die Steigung ist gegeben. Aus der Steigung kann mittels Trigonometrie am rechtwinkligen Dreieck der Winkel berechnet werden:
Mittels Tangens können wir den Winkel $\alpha$ zur Horizontalen bestimmen. Auflösen nach $\alpha$ ergibt:
$tan(\alpha) = \frac{2}{5}$ |$\cdot arctan$
$\alpha = arctan(\frac{2}{5})$
$\alpha = 21,80°$
Als nächstes kann die Seilkraft im Punkt $C$ in ihre $x$- und $y$-Komponente zerlegt werden:
Gleichgewichtsbedingungen
Es werden als nächstes die drei Gleichgewichtsbedingungen der Ebene herangezogen, um die unbekannte Seilkraft $S$ und die unbekanten Lagerkräfte $E_h$ und $E_v$ zu bestimmen:
$\rightarrow: -E_h - S \cos(21,8°) = 0$
$\uparrow: E_v + S \sin(21,8°) + S - F = 0$
Aus den obigen Gleichgewichtsbedingungen kann keine der Unbekannten bestimmt werden. Wir benötigen noch die Momentengleichgewichtsbedingung. Um aus der Momentengleichgewichtsbedingung eine unbekannte Kraft bestimmen zu können, muss der Bezugspunkt sinnvoll gewählt werden. Legen wir den Bezugspunkt in das Lager $E$, so fallen bei der Momentenberechnung die Lagerkräfte $E_h$ und $E_v$ aus der Berechnung heraus:
$\curvearrowleft : -S \cdot a - S \cdot \sin(21,8°) \cdot a - S \cdot \cos(21,8°) \cdot a + F \cdot 3a = 0$
Wir haben alle rechtsdrehenden Momente negativ berücksichtigt und alle linksdrehenden Momente (hier: $F \cdot 3a$) positiv.
Wir können nun die Gleichung nach $S$ auflösen:
$-S \cdot a - S \cdot \sin(21,8°) \cdot a - S \cdot \cos(21,8°) \cdot a + F \cdot 3a = 0$ |$-S$ ausklammern
$-S[a + \sin(21,8°) \cdot a + cos(21,8°) \cdot a] + F \cdot 3a = 0$ |nach $S$ auflösen
$S = \frac{3 F \cdot a}{a + \sin(21,8°) \cdot a + cos(21,8°) \cdot a}$ |$a$ kürzen
$S = \frac{3F}{1 + \sin(21,8°) + cos(21,8°)}$
Methode
Trigonometrie am rechtwinkligen Dreieck
Wir können den obigen Ausdruck auch vereinfacht darstellen. Der Sinus und Cosinus bezieht sich hier auf die Seilkraft $S$, welche im Punkt $C$ eine Steigung von $m = \frac{2}{5}$ aufweist. Hierbei ist $2$ die Gegenkathete und $5$ die Ankathete. Die Seite gegenüber vom rechten Winkel ist die Hypotenuse. Es gilt der folgende Zusammenhang:
$\cos(\alpha) = \frac{\text{Ankathete}}{\text{Hypotenuse}}$
$\sin(\alpha) = \frac{\text{Gegenkathete}}{\text{Hypotenuse}}$
mit
$\text{Hypotenuse} = \sqrt{\text{Ankathete}^2 + \text{Gegenkathete}^2} = \sqrt{5^5 + 2^2} $
Wir erhalten demnach:
$\cos(21,8°) = \frac{5}{\sqrt{5^2 + 2^2}} = 0,928$
$\sin(21,8°) = \frac{2}{\sqrt{5^2 + 2^2}} = 0,371$
Einsetzen:
$S = \frac{3F}{1 + 0,371 + 0,928}$
Es ergibt sich demnach für die Seilkraft:
Methode
$S = 1,3 F$ Seilkraft
Aus der vertikalen und horizontalen Gleichgewichtsbedingung können wir nun die Lagerkräfte $E_v$ und $E_h$ bestimmen.
Horizontale Gleichgewichtsbedingung:
$ -E_h - S \cos(21,8°) = 0$
$E_h = -S \cos(21,8°) $
Einsetzen von $S = 1,3 F$ und $\cos(21,8°) = 0,928$:
Methode
$E_h = -1,21 F $
Vertikale Gleichgewichtsbedingung:
$E_v + S \sin(21,8°) + S - F = 0$
$E_v = F - S \sin(21,8°) - S$
Einsetzen von $S = 1,3 F$ und $\sin(21,8°) = 0,371$:
Methode
$E_v = F - 1,3 F \sin(21,8°) - 1,3 F = -0,78 F $
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